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Ausgabe:

1887 Nr. 5

Spalte:

112-113

Autor/Hrsg.:

Seydel, Rud.

Titel/Untertitel:

Religion und Wissenschaft. Gesammelte Reden und Abhandlungen 1887

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 5.

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(juriftifche) Perfon über verfchiedene ,Subftanzen' ver- i ift, foll unitarifcher Platoniker gewefen fein. Aber Celfus
fügen kann, salva proprietate utriusque substantiae', und , hat doch unumwunden bekannt, dafs er gegen die Be-
ohne deshalb ein zweiköpfiges Wefen zu werden. Be- ' Zeichnung des Logos als Sohn Gottes nichts einzuwen-
ftärkt wird diefe Auffaffung durch einen Blick auf die : den habe. Dafs es trotz der unzureichenden und unFormeln
des Plippolyt, ,der griechifch gefchrieben und richtigen Beleuchtung, in welcher das reformirte Heiden-
lateinifch gedacht hat'. Hippolyt verwendet die Worte thum hier erfcheint, im Einzelnen an treffenden Bemer-
oiaia und vnöoracsig überhaupt nicht; dagegen hat er kungen auch in diefer Vorlefung nicht fehlt, fei ausdrück-
zuerft das Wort tcqÖgw/cov, welches die Ueberfetzung , lieh bemerkt.

von persona ift; daneben braucht er övvapas ivirtus) und ! Die achte Vorlefung, fofern in ihr der Alexandrinis

my.ovop.ia (f. No'et. 7. 14; vgl. Philos. IX, 12 p. 289, 93
cd. Miller).

Neben den ausgeführten Lehren vom Sohne, vom h.

mus mit dem Paulinismus und Auguftinismus verglichen
wird, ift oben fchon berührt worden. Die Verdienfte
der Alexandriner beliehen in der Ausbildung der Artikel

Geift, der Trinität, der Derivation und Subordination, , des Glaubens, welche mit dem Myfterium der Trinität
die fich im Sinne Bigg's zu lauter Apologien gehalten zufammenhängen, und in der Vermittelung des Paulinis-
— p. 182: ,what Struck later ages as the novelty and 1 mus mit der älteren Lehranfchauung der Kirche. Aber
audacity of Orzgen's doctrine was in tauth its archaism noch einmal werden wir auf das empfindlichfte an die
and conservatism', p. 183: ,Origen was condemned by Je- Schranke des Verfaffers erinnert: , We have Seen alsohaw
rome and Justin/an; but he has been acquitted by Atha- heatken Platonism borrowed light front the Gospel. Tkere
nasius and theologians of every sclwol to whom history can be Utile doubt that in all essential points. especialiy
and Scripture do not speak in vain' — ift das Gebet zu as regards the doctrine of the Trinity, the indebtedness lies
Chriftus nach Origenes befonders gründlich behandelt not upon the Church, but upou the School' (p. 269). Noch
(p. 184 f.). Dagegen ift, wohl weil die für die fünfte Vor- bedenklichere Perfpectiven eröffnet ein Satz, den der
lefung feftgefetzte Zeit nicht mehr reichte, die Incarnation Verf. bei Erörterung des Urtheils von Denis, die alexan-
nur flüchtig dargeftellt. drinifche Exegefe fei geblieben, während ihre Philofophie

Ausgezeichnet find die Ausführungen über die untergegangen fei, ausgefprochen hat. Er meint (p. 282),
Schöpfung, den Fall und die vier Offenbarungen (das das Wort ,Allegorie' habe felbft feinen Sinn geändert.
Naturgefetz, das mofaifche Gefetz, das Evangelium Chrifti Die Auslegungen der Sprüche der Bergpredigt bei Cle-
und das ewige Evangelium). Unter den letzteren Begriff mens feien in feinem Sinn allegorifch, in unferem feien
fällt nach Bigg für Origenes die fchliefsliche Reftitution. fie es nicht. Sind fie hiftorifch oder giebt es zwifchen
Die Darfteilung ift in diefen Abfchnitten nicht feiten hiftorifch und allegorifch ein anderes Mittleres als Aus-
hinreifsend; andererfeits tritt hier die Neigung des Ver- : flüchte? Wohl ift in den Sprüchen Chrifti Abficht und
faffers den kühnen Aufftellungen des Origenes eine zu- Ausdruck zu unterfcheiden: das ift eine hiftorifche Aufreichende
biblifche Grundlage zu geben, fie der herrfchen- | gäbe; aber der Alexandriner, defftn Auslegung auf diefem

Gebiet wirklich mafsgebend in den Kirchen geworden ift,
war im Rechte, wenn er nur einen idealen Sinn der Worte
Chrifti für fich in Anfpruch genommen hat. Sonft fei die
letzte Vorlefung befonderer Aufmerkfamkeit empfohlen :
fie ift faft überreich an gefchichtlichen Gefichtspunkten
und Erkenntniffen. Niemand wird von dem Buche anders
fcheiden als mit dem Gefühle der Dankbarkeit für die
genoffene Belehrung. Ich habe dazu noch einen befon-
deren Grund, da der Verf. mein Lehrbuch der Dogmen-
gefchichte fo freundlich berücklichtigt hat.

Marburg. A. Harnack.

den Lehre anzupaffen oder fie fonft zu rechtfertigen,
ftörend hervor. In diefem Zufammenhang wird auch
der Unterfchied von Clemens nicht feiten übertrieben
(f. für beides p. 209 f. 226. 234). Aber im Einzelnen giebt
der Verf. neue Auffchlüffe und neue probehaltige Com-
binationen die Fülle. Namentlich das Werk Chrifti im
Sinne des O. ift vortrefflich behandelt: ,Origen is the
first to attempt a philosoplty of Atonemenf. Diefer helle
Geift hat vor allem dazu beigetragen, die chriftlichen
Lehren in Myfterien zu verwandeln. Auch die Ausführungen
über Kirche, Euchariftie, Fegefeuer und Auf-
erftehung verdienen befondere Beachtung. Ein empfindlicher
Mangel ift, dafs die Freiheitslehre fehr kurz be- Seydel, Prof. Dr. Rud., Religion und Wissenschaft. Gcfam-
handelt ift. Der Verf. kennt ihre Bedeutung für die melte Reden und Abhandlungen. Breslau, Schott-
Alexandriner fehr wohl. ,Sie haben nicht gewufst, dafs , , 00 /TV „. .T , ,T
in moralifcher Hinficht Freiheit eine Schwäche ift'. Allein laender, 1887. (IX, 417 S. gr. 8.) M. 7. 50; geb. M. 9.
in der Ausführung ift dem Freiheitsgedanken nicht die | ,1m Niedergange des pofitiven Idealglaubens liegt
gebührende Bedeutung gelaffen, und fo erklärt es fich einerfeits der Peffimismus nahe, der Selbftgenufs der
auch, dafs die Schwäche der alexandrinifchen Theologie, | Verzweiflung, andrerfeits der verzweifelte Autoritäts-
gemeffen an einer wirklich religiöfen Auffaffung, nicht [ glaube, der Ultramontanismus, wenn nicht die Verzich-
deutlich hervortritt. tung auf jeden idealen Lebensinhalt, der Materialismus.
Die fiebente Vorlefung — The reformed paganism j Wie mächtig diefes Kleeblatt in unferer Zeit geworden,
ift m. E. ungenügend. Die gefchichtlich unhaltbare, j ift bekannt. Wir find überzeugt, dafs uns nur eine Philofophie
davon befreien kann, welche das wenige Wifsbare
durch den reichen Inhalt eines begeifternden idealen
Glaubens zu ergänzen bemüht ift' (S. 168). Diefe Worte
mögen im Allgemeinen die Richtung anzeigen, nach
der unfer Verfaffer die beiden P'actoren, welche der
Titel feines Buches zufammenfafst, in gemeinfame Action
fetzen möchte. Sie find dem Schluffe eines anfprechen-

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mindeftens nicht beweisbare Anficht, dafs die Kirche
fchon im zweiten Jahrhundert auf heidnifche Culte,
namentlich auf den Mithrasdienft, eingewirkt habe (p. 2 37 ff.),
dafs fich bei den neupythagoräifchen Philofophen der-
felben Zeit überall fchon Reflexe chriftlicher Ideen finden
(p. 243), dafs Apollonius' Vita eine beabfichtigte
Kopie des Lebensbildes Chrifti fei, wie es in der Kirche

verehrt wurde (p. 245 f.), dafs die eigentliche Quelle der I den und warm gefchriebenen Artikels über Lotze entLehre
des Numenius unzweifelhaft jüdifch*) fei (p. 252), ; nommen. Diefen, fowie die beiden vorangehenden Artikel
ja dafs er Paulus Vieles verdanke (p. 252 f.) u. f. w. — ■ über G. Th. Fechner, den Leipziger Collegen des Verfaffers,
beherrfcht die Darfteilung. Auch die Eintheilung der j und Ch. H. Weifse, feinen Lehrer und väterlichen Freund,
Platoniker vor Plotin in trinitarifche und unitarifche ift | auf deffen Unterricht auch Lotze und Fechner ihre Be-
fchwerlich haltbar. Celfus, der fonft ganz gut behandelt

griffe von Religion und Chriftenthum theilweife zurückgeführt
haben, möchte Unterzeichneter, der fich dabei
fo mancher Anregungen dankbarft zu erinnern hatte,
die ihm einft aus perfönlichem Umgang und aus mancher-
dts jüdifchen "Volkes r>. 829 f. 00 lei fchriftlicher Auseinanderfetzung mit Weifse erwachfen

*) Auf die Frage, ob die uns überlieferten Sätze des Numenius wirk
lieh zuverläffig feien, hat fich Bigg nicht eingelaffen ; f. Schürer, Gefch.