Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1887 Nr. 26

Spalte:

634-635

Autor/Hrsg.:

Hartog, J.

Titel/Untertitel:

Geschiedenis van de predikkunde in de protestantsche kerk van Nederland. 2. verbeterde en vermeerderde druk 1887

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

633

Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 26.

634

lieit ftattfindet, auffafst. Während jene materialiftifche i
Gefchichtsbctrachtung den Zweckbegriff aus der Ge-
fchichte ftrcichen mufs, erkennt die chriftl. Betrachtung
den Zweck der Gefchichte darin, dafs das Reich Gottes
fich ausgeftalte und fauerteigartig Alles durchdringe.
Von diefcm Standpunkte aus crfcheint zunächft als Mittelpunkt
der Gefchichte Jefus Chriftus, welcher durch feine
Selbftdarftellung, durch die Offenbarung feines Innern,
das eins mit Gott war, die Menfchheit mit Gott vereinigte
und den Seinen die weltüberwindenden Lebenskräfte
erfchlofs, welche das Reich Gottes bauen. So
läfst fich dann aber auch der ganze Gefchichtsverlauf j
als eine Erziehung des Menfchengefchlechtes begreifen.
Die grofsen alten Culturvölker haben fich daran zu Grunde
gerichtet, dafs fie für fich, ohne Gott, ihren Weg gingen
und dabei in Unfittlichkeit verfankcn; bei dem Volk
Ifrael dagegen, bei welchem die Religion die ganze Seele j
ausmachte, verwirklichte fich die Entwicklung, welche
in Jefu Chrifto und der Stiftung des Reiches Gottes ihren j
von Gott gefetzten Zweck hatte. Ebenfo ift endlich die
Gefchichte nach Chriftus zu beurtheilen. Werth oder Un- j
werth der einzelnen Thaten richtet fich nach ihrer Be !
ziehung zum Reiche Gottes. Verkehrt ift die Anklage, dafs j
das Chriftcnthum eigcntich nur hemmend und verderblich
auf die Cultur der Menfchheit eingewirkt habe; fie trifft das j
l'rincip des Chriftenthums nicht, foviel auch wirklich von
Chriften und im Namen des Chriftenthums gefündigt
worden ift. Vielmehr ift anzuerkennen, dafs das Chri-
Itenthum die Impulfe zu einer wirklichen und wahrnehm- |
baren fittlichcn Fortfchrittsbewegung bei der Menfchheit
in Ganzen gegeben hat.

Den Hauptgedanken des Verf.'s ftimme ich durchaus
zu und bezeuge auch gern die von warmer, freu- 1
diger Ucberzeugung getragene Erifche feiner Darfteilung.
Die Art der Ausführung kann ich aber nicht für glücklich
halten. Der Verf. läfst die Gegner, deren Anfchau- |
ungen er bekämpfen will, namentlich Buckle (Gefchichte
der Civilifation in England) und Er. v. Hcllwald (Cultur- I
gefchichte), in ausführlichen Citatcn felbft zu Worte
kommen; ebenfo führt er zu ihrer Kritik und zur Ein- !
führung und Unterftützung feiner eigenen Meinung viele '
und ausfuhrliche Aeufscrungen Anderer an. Der Umfang
diefer Citate fteht zu den eigenen Ausführungen des
Verf.'s in keinem Vcrhältnifse. Wie die wörtlichen Anfuhrungen
gegncrifchcr Aeufserungen doch keine fichere j
Gewähr für die Objcctivität und Vollftändigkeit in der j
Widergabe der Anfchauungen des Gegners geben, fo
können auch viele und glücklich gewählte Berufungen
auf festes veritatis eine eingehende eigene Entwicklung
und Begründung der behaupteten Thefen nicht erfetzen. !
Eine gründliche fyftematifche Unterfuchung fehlt in dem
Buche. Viele Themata wichtigfter Art werden berührt j
und unter Abhürung entgegengefetzter Meinungen kurz |
entfehieden. Ich glaube ja von meinem ebenfalls chrift- [
liehen Standpunkte aus, dafs diefe Entfcheidung in der ;
RegelmitgutemTactcrichtiggegeben ift; aber ich bezweifle,
dafs die Darlegung irgendwelchen Eindruck auf folche
machen wird, die nicht im Voraus fchon auf demfclben
Standpunkte; ftchen. Am Anfange des Werkes, befon-
ders bei der Behandlung des Freiheitsbegriffes, und dann
am Schluffe bei der gefchichtsphilofophifchen Befpre-
ehung der Erziehung des Menfchengcfchlechts ift mir
die aphoriftifche, oberflächliche Abmachung grofser Probleme
am ftörcndften entgegengetreten. Ift fich der Verf.
der Schwierigkeit diefer Probleme deutlich bewufst gewefen?
Auch bei der Darlegung feiner fpeeififeh chriftlichen Anfchauungen
, namentlich feiner Beurtheilung der Bedeutung
Jefu, vermiffc ich präcife Begriffe und Definitionen. Der
Verf. thut fich, wie mir fcheint, auf feine undogmatifche
Auffaffung und Ausdrucksweife fogar etwas zu Gute.
Aber die theils biblifch, theils fehr allgemein gehaltenen
Wendungen, in denen er fich bewegt, gewähren keine
volle Klarheit und Sicherheit der Anfchauungen. Ich

weifs nicht, ob der Verf. Theologe von Fach ift; aus
der Leetüre feines Buches habe ich den Eindruck gewonnen
, dafs er es nicht fei. Dann würden fich hieraus
die Mängel der Schrift wohl erklären.

Heidelberg. H. H. Wen dt.

Hartog, Predikant Dr. J., Geschiedenis van de predikkunde
in de protestantsche kerk van Nederland. 2. verbeterde
en vermeerderde druk. Utrecht, Kemink ä Zoon, 1887.
(V, 422 S. gr. 8.) M. 8. —

Vor fünfundzwanzig Jahren hat der Herr Verf. diefe
Gefchichte der Predigt zum erften Male ausgehen laffen.
Mit Recht hat derfelbc in der vorliegenden zweiten Ausgabe
den Titel angehört'; denn er erklärt, dafs ,de oude
titel', in welchem zu der ,Predikkunde' die Worte ,cn der
Evangelieverkondiging1 hinzugefügt waren, jneer bcloofdc
dan het bock gaf; zij (die Evangelicnverkündigung) had
00k niet in matte bedocling gelegen'.

In Dcutfchland ift der Name des Herrn Verf.'s unteres
Wiffens nicht fehr bekannt; in Holland fteht der-
felbe durch vorliegendes Werk und durch manche andere
in das Gebiet der praktifchen Theologie einfchlagende
Arbeiten in hohem Anfehen; in der Stadt Utrecht gehört
der ehrwürdige, ernfte, beredte Prediger zu den Männern
des allgemeinen Vertrauens. Es ift der Wunfeh des
Referenten, die Aufmerkfamkeit nicht nur der Fachge-
noffen, fondern auch der im Kirchenamt flehenden Theologen
, fo viele ihrer der holländifchen Sprache mächtig
find oder doch fich darin zurechtzufinden vermögen, auf
den Herrn Verf. und fein ohne Frage treffliches Buch
zu lenken, das als zuverläffiger Wegweifer durch das
unbekannte Land der niederländifchen Predigtliteratur
die beften Dienfte leiften kann.

J. J. van Oofterzee beginnt in feiner Praktifchen
Theologie (deutfehe Ausg. I, S. 17Ö) die Darftellung der
Gefchichte der ,Homiletik' in Holland mit einem ,ernft-
lichen Protcft gegen die unbillige wie auch oberflächliche
Weife, mit der die Gefchichte der niederländifchen
Predigtkunde durchgehends im Auslande befprochen und
behandelt worden ift'. Auch Hartog läfst es in der
,/n/eiding' (S. 1—-12) nicht an herben, wenn auch ob-
jectiv richtigen Urtheilcn über diefen Thatbcftand fehlen.
Allein die fubjective Berechtigung zu folchem Urthcil
wird uns doch fehr zweifelhaft, wenn wir aus jener In-
leiding fehen, dafs die holländifchen Theologen felbft
nichts oder doch verfchwindend wenig zur Bearbeitung
der Gefchichte der Predigt beigetragen haben.
Hartog's Werk ift der erfte Verfuch, eine Gefchichte
der Predigt im Niederland zu fehreiben, — und es ift
trotz des vortrefflichen Anfangs vor fünfundzwanzig
Jahren der letzte Verfuch. Doch wir haben ja van
üofterzee's wenn auch kurze, fo doch gehaltvolle Gefchichte
der holländifchen Predigt in feiner Praktifchen
Theologie! Gewifs, aber Hartog (S. 5) belehrt uns,
dafs van Oofterzee's Arbeit ,is voor het grootste ge-
deeltc aan mijontleend'; in der zweiten Auflage von Herzog
's R.-E. las Hartog, dafs man aus van Oofterzee
über die Gefchichte der Homiletik in Niederland fich
Raths erholen müffe, und er dachte ,aan de oude spreuk:
cen ander is het die zaait, en een ander die niaait'. Wenn
felbft va n Ooft e r z ec mit fremdem Kalbe pflügt, was follen
wir deutfehe Theologen anfangen, da es uns vor Hartog
an allen Kälbern gefehlt hat?! Die Thatfache, dafs
wir in van Oofterzee's Arbeit einen Auszug aus vorliegendem
Werke Hartog's in Händen haben, überhebt
uns aufserdem der Aufgabe, über den Inhalt eingehender
zu referiren.

Aber das ift nicht der einzige Entfchuldigungsgrund.
Wir begreifen völlig, wie unangenehm, fall beleidigend
den für ihr Vaterland begeifterten holländifchen Theologen
das Urtheil Mosheim's ift (.Anwcifung', S. 97):