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Ausgabe:

1887

Spalte:

609-610

Autor/Hrsg.:

Beecher, Henry Ward

Titel/Untertitel:

Drei Predigten. Übersetzung aus dem Englischen 1887

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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6og Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 25. 610

Paulus und Luther's, vor der Gemeinde und zu der Gemeinde
, die kraft der ihr verliehenen Heilswohlthat

fchliefst mit einem kürzeren Gebet; in diefen Gebeten
tritt ebenfalls die Beziehung auf Chriftus ungemein zurück.

Chrifti aus .Heiligen' befteht. Man irrt, wenn man das < Die Ueberfetzung ift augenfcheinlich von einem Lands-
heutzutage als felbftverfländlich anfleht. I mann (oder wahrfcheinlicher Landsmännin) gefertigt; un-

Auch wo von den perfönlichen Erfordernifsen der j deutfche Redewendungen begegnen uns oft, felbft gram-
Geiftlichen, wir wiederholen: in treffender Weife, geredet matikalifche Verftöfse (,von Chriftum', ,um Chrifto willen'
wird, vermiffen wir die Berührung von Mifsftänden, welche ; u. dgl.), öfter Mangel an theologifcher Bildung; überdies
in weit gröfscrem Mafse, als die Geiftlichen gewöhnlich erfchwert eine mehr als wunderliche Interpunktion nicht
annehmen, die Wirkfamkeit derfelben auf die .moderne feiten das Verftändnifs auch einfacher Sätze.
Gefellfchaft' hemmt. Wir haben in erfter Linie das
Verhältnifs derfelben zu den Co liegen an derfelben
Gemeinde im Auge; wie viel ift da zu beffern! Ein
gutes und vorbildliches collegialifches Verhältnifs, das
fich leider äufserft feiten findet, wird allerdings durch
die traditionelle hierarchifche Abftufung, in welcher die
Prediger desfelben Evangeliums an derfelben Gemeinde
flehen — und das ifl unfer zweiter Punkt —, aufser-

Marburg. Achelis.

Kingsley, Ch., Andachten für den häuslichen Sonntags-
Gottesdienst. Den Predigten entnommen und in's Deutfche
übertragen von Anna v. Köckritz. Bremen, Müller,
1887. (V, 150 S. 8.) M. 1. 6b.
ordentlich erfchwert. Die Predigt des Evangeliums felbft [ Jeder der fünfzehn aus Predigten Kingsley's ent

aber wird entkräftet, foweit fie von der .niedern Geift
lichkcit' verkündet wird. Wie kann es auch anders fein,
wenn der Subdiakon, oder wie anders der Titel laute,
Jahr aus, Jahr ein nur Nachmittags und ftets vor einer

nommenen ,Andachten' geht ein geiftliches Lied voraus,
jede fchliefst mit einem die Hauptgedanken der .Andacht
' recapitulirenden Gebet. Die Lieder hat die Ueber-
fetzerin und Herausgeberin aus dem deutfehen kirchlichen

kleinen, das Gähnen mühfam unterdrückenden Zuhörer- | Liederfchatz felbft gewählt; die Gebete haben dadurch
fchaft zu predigen hat. So nothwendig hierarchifche Ab- | einen für Viele grofsen Affectionswerth, dafs die Wittwe

ftufung des Amtes zu dem römifchen Kirchenwefen gehört
, fo unevangelifch ift es; Widerfprüche aber zwi-
fchen Form und Wefen rächen fich ftets, in diefem Fall
an den Geiftlichen felbft, an ihrem Verhältnifs zu einander
, an ihrer Wirkfamkeit, und deshalb auch an den
Gemeinden und der ,modernen Gefellfchaft'.

Marburg. Achelis.

Beecher, Henry Ward, Drei Predigten. Ueberfetzung aus
dem Englifchen. Stuttgart, Krabbe 1887. (IV, 59 S. 8.)
M. 1. —

Es find drei ausgewählte Predigten, welche die Eigenart
des weltberühmten amerikanifchen .Kanzelredners'
charakterifiren. .Kanzelredner' nennt das Vorwort den
Verfaffer, rednerifche Leiftungen auf der Kanzel find feine
Predigten in derThat, das ift ihre Stärke und ihre Schwäche.
Eine hohe oratorifche Kraft, ein begeifterter Schwung,
ein fchönes fittlichcs Pathos, welches übrigens nie den
realiftifchen Boden des Amerikaners verläfst, zeichnen die
Predigten aus, aber Predigten find diefe Leiftungen
nicht. Man folgt dem Redner gern, wenn er in der erften
Predigt nach Col. 1, 10 u. 27 die Frage beantwortet, warum
Chriftus unfere Liebe fei; von den Dogmen über die Perfon
und das Werk Chrifti werden wir zu der Perfon des Herrn
felbft geführt, welcher nach manchen Seiten hin als der
gefchildert wird, welcher Jedem in jeder Lage noth fei.
Unter Anderem wird auch in Chrifto der Heiland derSünder
erwähnt, doch eben nur unter Anderem; und welcher der
Weg fei, auf dem wir Chriftum erkennen und ihm anhangen
lernen, wird uns nicht geoffenbart. Tritt fchon bei der
erften Predigt der Text als völlige Nebenfache zur Seite,
fo ift es bei der zweiten Predigt: ,Warten und Arbeiten'
geradezu unverftändlich, wie die Ausführung des Gedankens
, dafs je höher die Ziele feien, um fo intenfivere
Arbeit und um fo gröfsere Geduld zur Erreichung derfelben
erforderlich fei, an Eph. 6, 13 angeknüpft werden
kann. Die dritte Predigt ift mehr textgemäfs; an der
Hand von 1 Joh. 3, 2 wird ,die Entwicklungslehre des
neuen Teftaments' gefchildert, d. h. es wird fchwungvoll

ausgeführt, dafs die Menfchheit dem .goldenen Zeitalter' I zeigen, auf "welchem wir den »Frieden1? nachdem' wif Ihn

Kingsley's auf die Bitte der Herausgeberin diefelben ver-
fafst hat.

Die .Andachten' find jedenfalls nur für religiös hochgebildete
Hausgemeinden als Erfatz des öffentlichen
Gottesdienftes geeignet, für folche jedoch von nicht geringem
Werth. Die erfte, fünfte, fiebente, zwölfte und
dreizehnte ,Andacht' zeichnen fich durch Tiefe und Innigkeit
der Betrachtung befonders aus. In allen Andachten
hören wir eine edle, ernft chriftliche, ethifch
ausgereifte Perfönlichkeit in fchöner und markiger Sprache
zu uns reden. Der Accent ruht vorzugsweife, fall aus-
fchliefslich, auf der Ethik des Chriftenthums. Chriftus
in feinem Leben, Leiden, Sterben und Auferftehen ift
uns ein Vorbild, Gefetze des Himmelreichs werden
an ihm offenbar; fie werden fich auch an uns
offenbaren, wenn wir den Weg der Selbftaufopferung
gehen, Chrifto nachfolgend. Dafs die Selbftaufopferung
nur dann einen pofitiven fittlichen Werth hat, wenn fie
die pofitive Hingebung des Lebens an einen oder den
göttlichen Reichszweck ift, tritt weniger hervor, und der
Weg, auf dem wir zu Chrifto kommen, um zur Nachfolge
gefchickt zu fein, wird mehr vorausgefetzt als dargelegt
. Die Berufstreue, ,das Heldenleben der Pflicht'
wird in theilweife machtvoller Ausführung in feiner fittlichen
Hoheit gefchildert, lo fehr, dafs diefem Heldenleben
der Pflicht als Lohn der Friede mit uns felbft, der
Friede mit der Welt, der Friede mit Gott dem Vater:
,denn wir handeln, wie Gott der Vater will, dafs feine
Kinder handeln', der FTiede mit Gott dem Sohn: ,denn
wir mühen uns in den Fufsftapfen Chrifti zu wandeln',
der Friede mit Gott dem Heil. Geift: ,denn wir find der
Gnadeneingebung des Geiftes gehorfam und wachfen in
diefer Gnade von Tag zu Tag' in Ausficht gefleht wird
(Nr. 10, ähnlich Nr. 14). Als ob wir auf einem andern
Wege als auf dem, welchen uns der Apoftel Rom. 5
zeigt, zum .Frieden' gelangen könnten. Dafs Kingsley
übrigens diefen apoftolifchen Weg wohl kennt, zeigt Andacht
12 S. 119 fr.; vielleicht ift's nur eine mifsverftänd-
liche Ausdrucksweife, zu welcher Kingsley durch feinen
Enthufiasmus für die Pflicht in jenen Stellen (Nr. 10 und
Nr. 14) hingeriffen wird, und die Abficht, den Weg zu

entgegengehe Das ift ja recht hübfeh; allein das evan- | durch unfere Verföhnung mit Gott erlangt haben, be-
geifcheBewiifstfcin verlangt doch eine Begründung diefer : wahren mögen, ift durch jenen Enthufiasmus verBehauptung
und zwar die Begründung in Chrifto und in dunkelt.

feinem Werk der Erlöfung; ohne folche Begründung! Vor fehr ftark ausgeprägten trinitarifchen Redewen-
fallen derartige Zukunftsbilder in das Gebiet der Schwär- ! düngen fchreckt Kingsley in keiner .Andacht' zurück-
merei. Jede 1 rcdigt beginnt mit einem ubermäfsig langen j um fo mehr befremdet es, dafs er (Nr. 7) in der logen
freien Gebet — hturgifch abfolut unftatthaft — und 1 Apokataftafis, welche zwar nicht ausdrücklich gelehrt'