Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1887

Spalte:

41-42

Autor/Hrsg.:

Tolstoi, Leo

Titel/Untertitel:

Bekenntnisse. Was sollem wir denn thun? 1887

Rezensent:

Ritschl, Albrecht

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

4'

Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 2.

d

der Ueberfetzung verbundene erläuternde Paraphrafe, römifch-katholifch, fo könnte er fich in der letzteren Bekann
man nur zweckmäfsig nennen. Inhaltlich fchliefst ziehung mit der fidcs implicita behelfen. — Die zweite
Raehfe in allem Wefentlichen an Ritfchl's ,Chriftliche Schrift fchliefst mit der Aufzeigung der Schwierigkeit
Lehre' fich an. — Möge das Schriftchen die verdiente aller Wohlthätigkeit, die darin befteht, dafs die Geber

Verbreitung finden!
Lennep. Lic. Dr. Thönes.

und die Pimpfänger von Almofen fich in Hinficht ihrer
verfchiedenartigen fittlichen Anfprüche nicht verftehen.
Diefe Schrift ift noch packender als die erfte.

Göttingen. A. Ritfchl.

Tolstoi, Graf Leo, Bekenntnisse. Was follen wir denn ö

thun? Aus^demjuhifchen Manufkript überfetzt von Bärtho|d) a., Die Wendung zur Wahrheit in der modernen

Kulturentwicklung. Gütersloh, Bertelsmann, 1885. (80
S. 8.) M. 1. —

H. v. Samfon-Himmelstjerna. Leipzig, Duncker
& Humblot, 1886. (VIII, 218 S. 8.) M. 4. 20.

Der Verfaffer diefer beiden Schriften hat fich früher
a 1. *Trt.,ön j t> . 1« . u 1 ___u«. >Die Wendung zur Wahrheit in der modernen Kul-

£ £ ? ä " r K0?"/ ruhf'!*rbekanf t™ 5 ■ ; turentwicklung' befteht nach dem Verf. darin, dafs,

JC -f.flMi • w ^lle^der rellf.,° UnidKet £e„, während die *lten Gemeinfchaftsformen fallen, während
SchnftftelRre. in hochft eigentümlicher und beachtens- die ^ fich ^ mchr m dem/worin fie

w^erther Weife betreten Was in die fem Bande vorliegt ht und fteht> cinem Knaben ldch welcher feine Jacke

ift dieGefchichte derBekehrung.des Verfaffers, und e ne verwachfen hat> die Perfönlichkeit um fo mehr zu

hochft lebendige Schilderung femer Beftrebungen um fich z(jruckkeh je wenj draufsen f f Befriedigung

die Hebung.der verwahrlosen Klaffen fernes Volke ■ „ Insbefondere ift da! gegenwärtige Gefchlecht der

Aufserdem ,ft in demfelben Verlage eine dntt Sehnft Kird ^ ;hren Lebensfo8r„?e fo ihVem Dogma völli

Worin befteht mein Glaube? ,n ^^»^^S ' entfremdet. Das erfcheint den Meißen fo felblwerftänd-
erfchienen. Die Cenfur hat m Rufsland den Druck diefer j. fa dafs fie einen Bewejs ^ erforder-
Schriften verhindert welche freilich von dem Typus der Aber de das Chdftenthum fordert das

rechtgläubigen Kirche und der in ihr gepflegten From- Selbftbewufstfein der Perfönlichkeit und knüpft fo da-
migkeit weit abweichen. Um fc»eifriger werden fie in Rufs- ran dafs dem was er ode/hat fon.

and in hektographifcher Weife verbreitet und gelefcn , dern j> d wag ef .ft ' Menfchen wahrer LLerth
Und das find fie auch werth. In den Bekenntnilsen tuhrt .. TT , j. ;f. L . , , .„

a r r rr ■ a a u v^u^^u i hegt. Und lo redt die Zeit gerade dem Cnnftenthum

der Verfaffer aus, wie er in der durch Koneletn und r- -a v„~.<.„,-r „„u j„ t-v n. 11 a

c u u ' ... , . D. , , , nDrcm;r„„. entgegen. Ls ift ein Kreislaüt nach der Darftellung des

Schopenhauer vorgebildeten Richtung des Peihmismus T-,° ■ ,. ___/■_„ , ,. ..... ▼ ,

, Jr... ... . ? D . , b r ■ ,, . jao Vert. s, in dem die grolsen Lpochen rehgiofen Lebens

und Nihilismus nicht zur Ruhe gekommen fei. und des . n . , » a t> r - - < 1 ;

umu »uuh « ». •> T , mit der Geltendmachung der Perfönlichkeit anheben-

rtr-Hunt-pn« dpu Se hftmnrrls fich erwehrt habe. Indem , ... , . ,. ,- ,, . b . „ . _ . . .

Gedankens des Selbftmords fich erwehrt habe. Indem
er bei diefer Weltanfchauung, welche ihm als die ver-
nunftgemäfse vorgekommen ift, wahrgenommen hat, dafs
die grofse Menge der Menfchen in allen möglichen Fallen
dem Leben einen Sinn abgewinnt, während er felbft
dasfelbe für Widerfinn fchätzte, hat er ztierft die Möglichkeit
einer unvernünftigen Lebensanficht, nämlich der
des Glaubens gelten laffen, welche darauf gehellt ift,
dem Leben einen durch den Tod nicht vertilgbaren Sinn
zu verleihen. Weiterhin eröffnet fich ihm diefer Sinn

fpäter geht diefelbe in dem Gemeinfchaftsleben auf.
Indem fie aber dann fkeptifch von demfelben fich los-
löft, ihr individuelles Recht geltend machend, fchafft fie
oder fchafft eine höhere Macht eben dadurch die Vor-
ausfetzungen für die Erneuerung der Religion und des
Chriftenthums. Es wird nicht recht klar, ob der Verf.
deshalb jene Auflöfung und das Gefühl des Unbefrie-
digtfeins, wie es durch unfere Zeit geht, beklagt oder
ob er fich mehr darüber freut. Jedenfalls ift es nicht
nur Peffimismus, wenn er dies alles in wohl zu fchwar-

, T , , ,r . «- r j. n„u„i r;,f«. uui t ciuuimmus, wenn ei uics aucs in woni ZU lc iwar-

des Lebens m dem Grundfatz daß1^ V«M Gflta ; zen Farben fchildert £r . d ™
find und dann dafs diefe Regel[durch das Leben und ; ^ ^ ^ hervorbrechen(Jke

die Lehreijefu Chnft, begründet *lJf^^™wf|S, Wahrheit um fo leuchtender abhebt. Aber wird man
darüber klar dafs er um diefer Regel gtw fs zu Warden, ; jhm fdbft den Vorwurf { h Martenfen feinem Mei-
die Gemeinfchaft der Glaubigen fuchen mufs aus die fem , fter Kiftrk d macht und wd h er vQn
Grunde fchliefst er fich wieder der Sitte feiner K rche ruftet zurucskweift den Vorwurf des Individualismus näm-
an. Aber zugleich befchaftigt ihn nun auch wieder , erfparen können? Gewifs, die Perfönlichkeit ift die
deren Glaubenslehre. Er fchliefst mit ™J** ' Hauptfache am Menfchen, wie insbesondere am Chriften,

tung dafs ihm hierbei Schwierigkeiten und kein Fortfchritl der Zeit ift wirklich ein folcher

find. Denn manches in dem Lehrbegriff «fcheint ihm wie , wenn ef deren unbefriedigt läfst. Aber es gc-

Mifsverftandmfs des wahren Sinnes des Chr.ftenthum , ^ zm perfönl)C1nkeit jhrem w^rden und w hf
oder wie Beimifchungen von fremdartigem Stoff. -- Es ; und Befriedigtfein, dafs fie in der Gemeinfchaft drinnen
,fl fehr merkwürdig, wie diefer Mann in der Krüns einer fteht und ^ zßm derfelben, ihrer Formen und

^«£3" ; Wefens leidet fie felbft Schaden, wenn fie nicht

einen lsrfatz fucht und findet. Aber gewifs, viele können
es brauchen, zur Mahnung und zum Troft, dafs man
fie einmal auf das unveräufserliche Recht und Gut der
Perfönlichkeit hinweift, zumal in fo von Anfang bis
zum Ende feffelnder Weife, wie Verf. dies verftan-
den hat.

Leipzig- Härtung.

der theologiiehen Schule, den Satz des Paulus wieder
gefunden hat, dafs, als die Welt wegen ihrer Weisheit
Gott nicht erkannte, Gott durch die Thorheit der Verkündigung
die Glaubenden zu retten befchloffen hat.
Ebenfo treffend ift feine Entdeckung des Kerns diefer
göttlichen Thorheit, dafs Uebel Güter find, und dafs die
Zuftimmung zu dem Leiden, welches Gott verhängt, in
der Erfahrung und in der Leiftung Chrifti jenen Grundfatz
fo bewährt hat, dafs dadurch den an ihn Glaubenden
der Sinn ihres Lebens enthüllt ift. Dafs diefe Er- < Lee hl er, Gen.-Superint. Pral. Dr. Karl, Die Taufpaten-
kenntnifs den Mann wieder zu der Sitte feiner Kirche j schafi Ein Mittel zur geiftlichen und fittlichen Hebung
zurückgeführt hat, ift die Probe eines energifchen Ge- , j„„*r . „ T ? c , . ^ ,, ... &

meinfinnes, der fich auch durch Hindernifs! nicht ab- I d.er ^utfehen Jugend. Synodalvortrag. He.lbronn,

fchrecken läfst. Ob er dabei verharren wird, da er zugleich
die Schwierigkeiten der Glaubenslehre empfindet,
die auf den von ihm gefundenen Sinn des Chriftenthums
direct nicht angelegt ift, bleibt abzuwarten. Wäre er

Henninger, 1886. (54 S. 8.) M. 1. —

Da man jetzt Angefichts der neuen und grofsen Aufgaben
oft zu recht befremdlichen Reg enerationsmitteln
greift, fo ift es als ein grofses Verdien!! hervorzuheber,