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Ausgabe:

1887

Spalte:

572-575

Autor/Hrsg.:

Friedensburg, Walter

Titel/Untertitel:

Der Reichstag zu Speyer 1526 im Zusammenhang der politischen und kirchlichen Entwicklung Deutschlands im Reformationszeitalter 1887

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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57i

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Die Didaskalia hat p. 15, wovon dem Wohnen der Mönche
die Rede ift ,el ittv iiezä Sevwv oixelg'. Das Koptifche
hat nach Hyvernat ,sl de oc/.elg ev itovjj /.teza^v adelcpwv'.
Revillout hat dagegen (/. c. p. 485) ,Si tu habites au milieu
des kommes'. Syntagma: MEzat-v ziov ävO-Qconav'. Min-
garelli: utsza^v ädeXrpüv1. Die Lesart des Syntagma ift
hier ohne Frage die richtige, fie fteht auch in einer der
von Batiffol benutzten Handfchriften. Diefe Varianten
find deshalb wichtig, weil urfprünglich die Mönche keineswegs
durchweg als Eremiten oder in Mönchscolonien
lebten, fondern mitten unter den Menfchen auf eigenem
Grund und Boden, von deffen Ertrage fie ihren Unterhalt
hatten. Spater verftand man das nicht mehr und
änderte daher den Text. Von allgemeinerem Intereffe
find aufserdem die verfchiedenen Faftengebote, insbe-
fondere auch über das Sonnabendfaften. Hier find die
Varianten fehr ftark und gefchichtlich wichtig.

Aus dem Angeführten ergiebt fich, dafs Batiffol für
die Herausgabe der Didaskalia fich nicht hinreichend
orientirt hat. Da er ein gröfseres Werk in Ausficht
ftellt, fei es mir geftattet, die allgemeinen Gefichts-
punkte anzugeben, die hier in Betracht kommen. Die
Didaskalia zeigt auf den erften Blick, dafs die Redenden
fich von den nieänifchen Vätern unterfcheiden.
Und doch hat die Didaskalia, wie der Schlufsfatz uns
erkennen läfst, für ein Werk der nieänifchen Väter gegolten
. Wie kommt das? Revillout hat diefe Frage dahin
beantwortet, dafs unfer Schriftftück, urfprünglich zu
den Acten der alexandrinifchen Synode gehörig, fpäter
dem nieänifchen Concil beigelegt wurde, weil dies den
alexandrinifchen Acten überhaupt widerfuhr. Es wurden
nämlich in Alexandrien die verloren gegangenen Acten
des nieänifchen Concils wiederhergeftellt. Weil die alexandrinifchen
Acten die nieänifchen enthielten, wurden fie
fpäter felbft dem nieänifchen Concil zugefchrieben.
Revillout hat fich nicht damit begnügt, diefe Hypothefe
auf feine koptifchen Funde zu gründen, fondern hat um-
faffende Studien über die Tradition der nieänifchen
Acten angefleht und feit 1873 im Journal asiatique veröffentlicht
. Er ift der Sache, fo wie es fein mufs, auf
den Grund gegangen.

Andererfeits ift die Didaskalia, oder wenigftens ihre
zweite Hälfte, als Werk des Athanafius überliefert. Hier
mufs nun eine umfaffende Unterfuchung über das Schick-
fal der athanafianifchen Schriften geführt werden. Dazu
ift allerdings nöthig, dafs fämmtliche lateinifche und
griechifche Handfchriften des Athanafius verglichen
werden; die Benedictiner haben in diefer Beziehung die
nöthigen Vorarbeiten nicht geliefert. Die Erörterung der
dogmatifchen Partie der Didaskalia hat nur Werth, wenn
fie der Gefchichte der Theologie des 4. Jahrhunderts
eingegliedert wird. Wir befitzen dafür nur Beiträge.
Insbefondere ift die fo wichtige Gefchichte der theo-
logifchen Begriffe faft ganz im Dunkeln geblieben.
Dafs die Disciplinarvorfchriften nur gewürdigt werden
können von einem Kenner der Vor- und Urgefchichte
des Mönchthums liegt auf der Hand. Ich betone diefe J
Forderungen deshalb fo fehr, weil die meiften theolo-
gifchen hiftorifch-kritifchen Unterfuchungen aus dem
Grunde und nur aus dem Grunde werthlos find, weil
fie nicht umfaffend genug angelegt find. Schliefslich
möchte ich noch einen Irrthum berichtigen, der fich in
der von Batiffol citirten Harnack'fchen Recenfion findet.
Es wird dort gefagt, ich hätte die Abfaffung des Syntagma
doctrinae durch Athanafius bewiefen. Ich habe jedoch
in meiner Differtation {Atlianasii de vita ascetica testimonia)
lediglich Revillout's Ausführungen über diefen Punkt
wiederholt. In der That ift auch Revillout der einzige,
der von diefen Dingen etwas verfteht.

Halle. A. Eichhorn.

Friedensburg, Walter, Der Reichstag zu Speier 1526

im Zufammenhang der politffchen und kirchlichen
Entwicklung Deutfchlands im Reformationszeitalter.
[Hiftorifche Unterfuchungen, hrsg. v.J. Jaftrow, 5.Hft]
Berlin, Gaertner, 1887. (XIV, 602 S. gr. 8.) M. 15. -
Vor kurzem hat A. v. Kluckhohn die Klage ausge-
fprochen, dafs wir trotz der hohen Bedeutung, welche dem
Speirer Reichstage von 1526 zukomme, nur fo mangelhafte
Kunde von den Verhandlungen desfelben befäfsen. ,Weder
die Berichte der Zeitgenoffen noch das Actenmaterial, das
in älteren oder neueren Publicationen vorliegt, gewähren
uns genaue und zuverläffige Auskunft über den Gang
der Verhandlungen, über die Motive der Vorfchläge, die
gemacht, und der Befchlüffe, die gefafst wurden, fowie
über die Tragweite, die den Befchlüffen von den dabei
Betheiligten beigelegt wurde.' (Hiftorifche Zeitfchr. N. F.
Bd. XX. 1886. S. 1931. Mit Freuden darf aber conftatirt
werden, dafs dank den umfaffenden archivalifchen
; Forfchungen von Friedensburg, denen einige gleichzeitige
Publicationen von Pf. Ney in der Zeitfchr. f. KGlch.
ergänzend zur Seite getreten find, diefer Mangel jetzt
beglichen ift. Wir haben jetzt eine fo ftattlich documen-
tirte Gefchichte diefes Reichstages vor uns, dafs fpätere
Arbeiten zwar noch in Einzelheiten mancherlei werden
nachtragen können, dafs aber doch Gang und Entwicklung
der Verhandlungen jetzt deutliche Geftalt für uns
angenommen haben. Dafs der Verf. nicht weniger als
26 Archive perfönlich auffuchen konnte, die mit Ausnahme
von dreien auch fämmtlich Ausbeute für die
Rcichstagsgefchichte gewährten, ift der Freigebigkeit des
Curatoriums der Averhoff'fchcn Stiftung in Hamburg zu
1 danken; dem Danke des Verf.'s hiefür müffen fich billig
{ auch die Lefer feiner Arbeit anfchliefsen. Den Kirchen-
hiftoriker intereffirt am nächften die Frage nach der
Entftehung und der Bedeutung des berühmten Reichs-
tagsabfehiedes. Wir waren ja gewöhnt, in diefem ,dic
Geburtsftunde und reichsgefetzliche Legitimation der
Territorialverfaffung' (Kurtz) zu erblicken; ,das Reich
fanetionirte die landeskirchliche Entwicklung' (M. Lenz).
Freilich J. Janfsen hatte diefe Auffaffung fchon als eine
völlig grundlofe beftritten: ,von irgend einer rechtlichen
Anerkennung des Territorialkirchenthums kann gar keine
Rede fein, felbft abgefehen davon, dafs der Kaifer den
Abfchied niemals beftätigt hat' (D. Gfch. III 47), und,
was fchwerer ins Gewicht fiel, auch Kluckhohn hatte
bereits auf Grund des bisher bekannten Actcnmaterials
die Anfchauung vertreten, ,dafs aus diefem Abfchiede
weder dem Woitlaut noch dem Urfprung und Geift nach
ein Reformationsrecht hergeleitet werden könne', der-
felbe alfo auch nicht füglich als eine, rechtliche Grundlage
für die Entwickelung der proteftantifchen Landeskirchen
in Deutfchland bezeichnet werden dürfe. Allein
ein ficheres Urtheil über diefe Frage hatte doch zur
Vorausfetzung, dafs man die Entftchungsgefchichte des
Abfchiedes genauer kannte. So aber wufsten wir noch
nicht einmal, von welcher Seite und in welcher Abficht
eigentlich der berühmte Paffus des Abfchiedes proponirt
I worden war; Ranke hatte einen Brief des Kaifers an
feinen Bruder Ferdinand vom 27. Juli 1526 in die Verhandlungen
bedeutfam mit hineinfpielen laffen, auf Grund
[ deffen man wohl gar von einem Zugeftändnifs des Kaifers
an die Forderungen des Reichstages reden und Ferdinand
felbft im kaiferlichen Auftrag diefen Paffus als eine erftc
vorläufige Anerkennung des Territorialprincips in Vor-
fchlag bringen laffen konnte. Da weift denn Friedensburg
zunächft nach, dafs diefes kaiferliche Schreiben gar
nicht mehr auf die Reichstagsangelegenheiten eingewirkt
hat; am 27. Auguft war es noch nicht in Ferdinand's
Hände gelangt; aufserdem handelt es fich in diefem —
in Beilage 14 zum erften Male vollftändig mitgetheiltcn
— Briefe gar nicht um eine Modificirung oder gar Aufhebung
des Wormfer Fldictes, fondern nur um einen