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Ausgabe:

1887

Spalte:

543-545

Autor/Hrsg.:

Brambach, Wilh.

Titel/Untertitel:

Psalterium. Bibliographischer Versuch über die liturgischen Bücher des christlichen Abendlandes 1887

Rezensent:

Ranke, Ernst

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89 f. 108, wo (ich Belege für die Richtigkeit diefer Behauptung
reichlich finden. Bei der Anlage feiner Arbeit
kann Z. natürlich auf exegetifche Schwierigkeiten im
Einzelnen nicht eingehen, wie er denn überhaupt Kennt-
nifs des Urtextes beim Lefer nicht vorausfetzt. Unter
diefen Umftänden war es doppelt mifslich, wenn Z. zugleich
neue Auffchlüffe für die Erfaffung der paulinifchen
Gedanken im Einzelnen und Ganzen geben wollte. Ohne
nähere Begründung entbehren diefelben des nöthigen
Haltes. So wird fich z. B. fchwerlich Jemand jetzt nach
Z.davon überzeugen,dafs 1,4 oQiöQtvTOq mit eg dvaörccOecog
zu verbinden ift oder, dafs 2, 24 fich die Läuterung der
Heiden auf das nationale Unglück Ifraels bezieht, oder,
dafs 3, 27 bei vofiov jdöxEcog an das mof. Gefetz gedacht
fein foll, welches die Gerechtigkeit nicht an die
Erfüllung der Werke, fondern an den Glauben knüpfe,
oder, dafs wir 8, I5b 16 in ,iv m xaaCo/iEv' etc. den Vorder-
fatz und in ,avzo ro Jivsvfia' etc. den Nachfatz zu er- j
blicken haben. Auf wenig Beifall wird auch die Art j
zu rechnen haben, wie fich Z. mit der Schwierigkeit |
9, 5 abfindet. Und wer wird ihm glauben (vgl. S. 10 f. :
81. 113), dafs auch dafs Strafgericht Gottes im Evangelium
enthüllt wird? Im Uebrigen fei noch hingewiefcn
auf die Erklärung von 2, 14. 18; 3, 9; 5, 3. — Uie zum
Schlufs (S. 113—123) mitgetheilte Skizze des Gedankenganges
verfolgt das Gefüge bis in das kleinfte Detail.
Eine gewiffe Gefahr wird bei folchen Syftematifirungen
paulinifcher Briefe fchwerlich vermieden werden, wie
man denn überhaupt bei Z.'s Erklärung wieder völlig
den Eindruck gewinnt, es mit einer dogmatifchen und
ethifchen Abhandlung zu thun zu haben. (Vgl. auch die
ausdrückliche Bemerkung S. 88: auf die Dogmatik
c. 1 —11 folgt die Ethik c. 12 f.) Auch c. 16 in feinem
ganzen Umfange läfst Verf. nach Rom gerichtet fein
Die Verfe 5, 7. 13. 14. 10, 14. 15. 17; 11, 6; 15, 17.
i8a fetzt Z. in Anmerkungen unter den Text, wohl weil
er fie für kleine, den Gedankenfortfehritt unterbrechende
Digreffionen hält. Nach allem Gefagten fcheint mir Z. mit
feiner Arbeit dem dritten von ihm angeführten Zwecke i
am meiften gerecht geworden zu fein. Dem gebildeten I
Laien wird fich des Verf.'s Erklärung gewifs als ein
brauchbarer Führer erweifen. Dem Studenten aber
dürfte fie doch wohl nur unter ftarkem Vorbehalt empfohlen
werden können.

Halle a/S. Ed. Gräfe.

Brambach, Wilh., Psalterium. Bibliographifcher Verfuch
über die liturgifchen Bücher des chrifllichen Abendlandes
. [Sammlung bibliothekswiffenfchaftlicher Arbeiten
, hrsg. von K. Dziatzko, 1. Hft.] Berlin, Afher I
& Co., 1887. (VIII, 56 S. gr. 8.) M. 2.—

Kann die mit diefem Titel verfehene literarifche Er- J
fcheinung wohl Anfpruch darauf erheben, in einer theo- j
logifchen Zeitung befprochen zu werden? Und greift die
verehrl. Redaction diefes Blattes nicht über die von ihr
felbft gefetzten Grenzen hinaus, wenn fie eine kritifche
Befprechung derfelben veranlafst oder zuläfst? Das in
den Titel aufgenommene Wort Pfalterium fcheint freilich
alle Zweifel niederzufchlagen; desgleichen auch die
Angabe, dafs in dem Buch über die liturgifchen Bücher
des chrifllichen Abendlandes gehandelt werde.
Sieht man aber genauer zu, fo erkennt man fofort, dafs
darin weder von irgendwelcher theologifchen Betrachtung
des Pfalters, noch von einer praktifch theologifchen
oder kirchenhiflorifchen Erläuterung der abendländifchen j
Liturgie, fondern lediglich von einem bibliographi-
fchen, d. i. einem in den Bereich der Bibliotheks- !
wiffenfehaft gehörigen Verfuche die Rede ifi Hai-
ten wir alfo die den einzelnen wiffenfehaftlichen Dis- j
eiplinen gefetzten Grenzen feft, fo werden wir zu-
geflehen müffen, dafs der eigentliche Ort für die Ankündigung
diefer Leiftung ein infonderheit für das
Bibliothekswefen beftimmtes Blatt fein müfste. Gleichwohl
befteht das Verfahren der Redaction zu Recht,
denn mittelbar läfst fich ein Zufammenhang der
genannten Schrift mit dem eigentlichen Gebiet der
Theologie nicht leugnen, und fowohl der wiffenfehaft-
lich, als der praktifch gerichtete Theolog kann daraus
manche werthvolle Erinnerung und Anregung entnehmen
. Vor Allem gewinnt er daraus einen Blick auf die
Bedeutung, welche der Pf alt er für das Leben der Geift-
lichkeit von Alters her gehabt hat. Nicht als würde in
dem Buch archäologifch von der Entflehung und allmählichen
weitern Ausbildung der Sitte des Pfalmcnlefens
gehandelt. Der tägliche Gebetsdienfl, die Uebung des
divinum officium wird darin im Wefentlichen vielmehr als
bereits vorhanden vorausgefetzt und feine Eigenthümlich-
keit, die Geftalt, welche dasfelbe nach und nach erhalten
hat, wird an den theils der Literargefchichte der Vergangenheit
angehörigen, theils noch geltenden Kirchenbüchern
aufgezeigt und mit erklärenden gelehrten Bemerkungen
begleitet. Das kirchliche Pfalterium ifi feinem
Grundftock nach von dem biblifchen Buch der Pfalmcn
David's im Wefentlichen nicht verfchieden. Durch Randbemerkungen
am Text der Pfalmen oder durch befon-
dere, für den kirchlichen Gebrauch hergeftellte Exemplare
des Pfalmbuches wird der Benutzer nur in den Stand
gefetzt, die Pfalmen während des Raums einer Woche
an den dazu beftimmten Stunden des Tages und der
Nacht nach der auf Hieronymus zurückgehenden latei-
nifchen Form {psalterium Romanum oder psalterium Galli-
canum) betend zu recitiren. Um hievon einen genauen
Begriff zu geben, nimmt der Verfaffer zunächfl Gelegenheit
, die nicht leichte Frage nach Bcftand und Namen
der für diefes Gebet beftimmten Stunden, der fog. ho-
rae cauonicae, deren Verlauf für einen Tag und eine
Nacht den Namen Cursus trägt, zu löfen; er fchliefst
daran eine Tabelle, welche aufzeigt, nach welcher Ver-
thcilung an den betreffenden canonifchen Stunden während
der Eine Woche bildenden heben Tage und Nächte der ge-
fammte Inhalt der 150 Pfalmen zur Durchbetung gelangt.
Zu diefer Urform des Gebetes gefeilen fich, gewiffer-
mafsen als alt- und neuteflamentlichc Zugaben die fog.
Cantica: poetifche Stücke aus den Propheten, dem Pen-
tateuch und den hiftorifchen Büchern des A. Teftamcnts,
verbunden mit Gefangen aus dem N. Teftament und dem
Tedeum des Ambrofius. Aufser diefen Stücken, welchen
ähnlich wie den Pfalmen die hervorragendfle Stellung im
Ganzen zukommt, werden noch andere herangezogen,
welche je nach Bedarf mehrmals an einem Tage zu fpre-
chen find: das Pater noster, feit dem fechzehnten Jahrhun- -
dert auch das Ave Maria, ferner das apoftolifche und das
athanafianifche Glaubensbekenntnifs und die Litanei.
So viel dies fagen will, da darin eine Art von Fort-
fetzung des altteftamentlichen Stoffes durch neutefta-
mentliche Wahrheiten gegeben ifi, hat man fich doch damit
nicht begnügt. Das officium divinum, welches den Verkehr
der Kirche, fpeciell ihrer geifllichen Mitglieder mit
Gott in fich fchliefsen will, hat daher abgefehen von
den aus der morgenländifchen Kirche in die abendlän-
difche übergegangenen Antiphonen (Widerhallgefängen)
und Aehnlichem einen Theil des fchönften dichterifchen
Schmuckes der kirchlichen Literatur: zahlreiche Gefänge,
in deren Befitz die Kirche fleht, in fich aufgenommen!
Der Verfaffer giebt ein theils nach der canonifchen Hören,
theils nach den Fetten des Kirchenjahrs geordnetes Ver-
zeichnifs der in das officium divinum aufgenommenen
Hymnen. Mit diefem gefammten Stoff aber find weiter
Lehrftücke anderer Art verbunden: Abfchnitte aus
der heil. Schrift alten und neuen Teftaments, anhebend
mit Stücken aus den fünf Büchern Mofe, Jofua, Richter
, zu lefen von Scptuagcfima an, Jeremia vom 15. Tag
vor Odern an etc. — Lefungen, für deren Auswahl fich
von alter Zeit her gewiffe Vorfchriftcn ausgebildet haben;