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Ausgabe:

1887

Spalte:

32-34

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf

Titel/Untertitel:

Zur ‚Lehre der zwölf Apostel‘. 3. Artikel 1887

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Für eine Antwort läfst fich auch das von Harnack
S. 133 f. an die Hand gegebene Material, wenn überhaupt
, fo doch nur äufserft vorfichtig verwenden. Dafs
die chriftliche Umdeutung der Grundfchrift in dem einen
und anderen Falle deutlich ift (befonders für 7,1—8 bei
7,9—17 und 14,1—5 S. 46ff.), hilft nicht für alle Fälle.
Es bleibt, um dies gleich hier zu bemerken, auch S. 54
dunkel, warum der Interpolator die Deutung, die er für
7,4 bei 14,1—5 hat, gerade an diefer Stelle anbringt.
Bedenklich ift ferner, was zur Interpolation der Namen
des Reiters 19,11. 13 ausgeführt wird (S. 65), da, wie 19,16
zeigt, Vs. 12 eine Namengebung nicht ausfchlofs; bedenklich
auch die Vorausfetzung, welche S. 66 zur Mo-
tivirung der Zufätze 19,9. 21,5 b und 22,6 gemacht wird,
da man vielmehr ein Unternehmen, wie das des chrift-
lichen Bearbeiters der Apokalypfe, lieh kaum unter anderen
Umftänden erklären kann, als folchen, die einen
unbeirrten Glauben an fein Gelingen geftatten. Auch die
Hülfsannahme, mit welcher Vifcher feine Hypothefe gegen
den einheitlichen Stil der Apokalypfe ftützt, indem er
für die jüdifche Grundfchrift ein hebräifches Original
vermuthet und Ueberfetzer und Ueberarbeiter desfelben
identificirt, kann mit den Bemerkungen S. 37. 81. nicht
für ficher begründet gelten und wäre auf jeden Fall auf
ihr Verhältnifs zum Stil der drei erften Capitel der Apokalypfe
zu prüfen. Das Alles wird jedoch nicht bemerkt,
um das oben fchon abgegebene Urtheil über die Grundanficht
des Verf.'s zu befchränken, und fchwerer kann es
diefer auch nicht werden, gegen die vollftändige Un-
durchfichtigkeit Stand zu halten, welche bis auf weiteres
der Procefs für uns hat, durch welchen die Apokalypfe
in Beziehung zum Namen des Apoftels Johannes gekommen
ift, wenn auch die formelle Aneignung jüdifchcr
Apokalyptifcher Stücke im chriftlichen Alterthum nicht
ohne Analogie ift (f. Harnack S. 131). Man foll nur
nicht meinen, dafs blofse traditionelle Vorausfetzungen
den Antheil jenes Apoftels an der Apokalypfe nur im
geringften durchfichtiger machen, wie es denn möglich
ift, dafs die Hypothefe einer jüdifchen Grundfchrift der
Apokalypfe der Erklärung der Entftehung des Buchs
unter jenen Vorausfetzungen noch zur Exiftenz verhilft.
Einftweilen fteht der Hypothefe jedenfalls nichts, was man
fo nennen könnte, gegenüber.

Mit der Vifcher'fchen begegnet fich nun in der
Grundannahme die oben verzeichnete Abhandlung eines
niederländifchen Gelehrten. Allerdings hat die kleine
Arbeit Weyland's, deren eigentliches Thema eine Ueber-
ficht über ältere und jüngere, auf die Apokalypfe angewendete
Interpolationshypothefen ift, fo vollkommen fie
auch an fich genügen könnte, um der Hypothefe einer
jüdifchen Grundfchrift der Apokalypfe Gehör zu ver-
fchaffen, neben der ausgeführten Porm, welche diefe
Hypothefe durch Vifcher erhalten hat, nur den Charakter
einer gelegentlichen Anregung. Doch bietet vor
Allem die Tabelle bei Weyland S. 469 die Möglichkeit
einer lehrreichen Vergleichung der Refultate beider Arbeiten
. Der hohe Grad von Uebereinftimmung, fo fehr
er in der Natur der Hypothefe begründet ift, hat doch
auf einen gewiffen Eindruck Anfpruch. Der Umfang der
von beiden angenommenen chriftlichen Interpolationen
deckt fich vollkommen bis auf einen unerheblichen Ueber-
fchufs bei Wey land und einen ganz minimen bei Vifcher.
Der Vifcher'fche befchränkt fich, da 11,8 b bei Weyland
S. 469 in der chriftlichen Columne nur durch ein Ver-
fehen fehlen kann, auf 9,11. 19,11 (xalovuevoc:— dktj&ivoc)
21,5—8 und 22,6.8b—10. Bei 21,5—8 möchte fchon die Ver-
wandtfehaft der Stelle mit den apokalyptifchen Briefen zu
Gunften Vifcher's entfeheiden. Nach Wey land wären auch
5,1—8. 11,15—19. 12,10. 13,8. 14,6—8. 14—16. 15,1a. 16,10
—14. 16. 19,6—8,16. 20,7. 21,19—2S zur chriftlichen Interpolation
zu fchlagen. Iiier find jedoch Stellen mit aufgeführt
, welche auch nach Vifcher Interpolationen
wenigftens enthalten, wie z. B. 21,19—25. Eben hier

möchte Weyland's Annahme vollftändiger Interpolation
ftatt einer auf das wiederholte äoviov befchränkten,
wenn fie auch nicht jeden Scheins entbehrt, doch fchon
wegen der Analogie von 21,26—22,3 weniger empfeh-
lenswerth fein. Die Annahme, dafs das agviov des chriftlichen
Interpolators an die Stelle eines Löwen der jüdifchen
Grundfchrift getreten wäre, ift Vifcher und Weyland
gemeinfehaftlich und, naheliegend wie fie ift, möchte fie
Referent der von Harnack S. 132 für 5,6 aufgehellten
Vermuthung vorziehen, welcher die Perfectform eozmuag
noch befonders im Wege ift. Auch Harnack's Vorfchlag
17,11 noch dem Chriften beizulegen (S. 134) ift, weil er zum
Charakter der Interpolation, wie fie fonft nach Vifcher
und Weyland erfcheint, nicht ftimmt und nur einen fehr
undeutlichen Sinn der Stelle ergiebt, bedenklich. Nun
meint freilich Weyland auch noch innerhalb des jüdifchen
Beftandtheils der Apokalypfe zwei Quellen unter-
fcheiden zu können, welche der chriftliche Bearbeiter
compilirt und durch feine Zufätze erweitert hätte. Allerdings
erhält Wey land auf diefem Wege eine jüdifche
Urapokalypfe von noch einfacherer Structur, als man fie
immerhin auch nach Abzug der von Vifcher und Weyland
abgegrenzten Zufätze chriftlicher Herkunft vor fich
hat, wenn er z. B. in der erften der ihm zufolge dem chriftlichen
Bearbeiter vorliegenden Apokalypfen an c. 9
unmittelbar 11,14. !5a und 15,1b angefchloffen denkt.
Eine gleiche Evidenz vermag Referent jedoch diefer
ferneren Unterfcheidung im Text der Apokalypfe noch
nicht zuzugeftehen, wie der Vifcher-Weyland'fchen Grund-
annahme, die übrigens damit auch nicht eigentlich com-
plicirt heifsen kann, da fie davon ganz unabhängig ift
und auch von Vifcher eine allgemeine Möglichkeit
diefer Art ausdrücklich vorbehalten werden konnte (f.
! befonders S. 76 und auch S. 33 und 71), nur dafs er in
verftändiger Befchränkung feiner Abficht für dies Mal fich
auf weitere Erörterung der Sache nicht eingelaffen hat.
Bei gleich gutem Haushalt mit der Zeit, die er in der That
noch hat. darf man fich auf erfreuliche Förderung noch
mancher anderen Frage als der durch die intereffante
Hypothefe feiner Erftlingsfchrift wieder angeregten Hoffnung
machen.

Bafel. Franz Overbeck.

Zur ,Lehre der zwölf Apostel'. III. Artikel1).

Seit der Abfaffung meines Zweiten Artikels und
meiner kurzgefafsten Ausgabe find wiederum zahlreiche
Arbeiten über die Didache erfchienen. Hervorgehoben feien
die Abhandlungen von Behm, der den ,a(ittekog' aus
Juftin zu illuftriren fucht (Ztfchr. f. kirchl. Wiffenfch. u.
kirchl. Leben 1886 Nov.), dem Jefuiten München, Die
Lehre der zwölf Ap. eine Schrift des erften Jahrhunderts
(Innsbrucker Ztfchr. f. kathol. Theol. 1886 S. 629—676),
der da meint, die Abfaffung eher vor als nach d. J. 70
anfetzen zu müffen und in der Schrift die Kirchenordnung
von Jerufalem fieht, von Hilgenfeld, der (Ztfchr. f.
wiffenfch. Theol. 1887 S. 115 ff.) den jüdifchen Urfprung
der beiden Wege beftreitet, und von Chiappelli,
Prof. der Gefchichte der Philofophie an der Univ. Neapel,
der in feinen „Studi d'antica Letteratura Cristiana" p. 21
—148 fehr ausführlich und mit umfaffender Kenntnifs
der bisher erfchienenen Literatur das Buch befprochen
hat2). Die letztgenannte Arbeit enthält manches Eigen-
thümliche; allein ich mufs es mir verfagen, auf fie näher
einzugehen. Von höchfter Bedeutung aber ift, dafs
Weizfäcker in feiner Gefchichte des apoftolifchen Zeitalters
S. 606—645 bei der Darftellung der Verfaffung der
älteften Chriftengemeinden die Erkenntnifse, welche wir
aus der Didache zu fchöpfen haben, in vollftem Umfange

') S. diefe Zeitung 1886 Nr. 12 u. 15.

2) P. 1—19 der .Studien' handelt Chiappelli von ,dem Wiener Fragment
eines fünften Evangeliums' und kommt zu demfelben Ergebnifse wie
I Bickell und der Referent.