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Ausgabe:

1887

Spalte:

456-457

Titel/Untertitel:

Musica sacra für Kirchenchöre, höhere Lehranstalten etc. 3. Aufl. Mit einem liturgischen Anhang von Friedr. Spitta 1887

Rezensent:

Schlosser, Georg

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Kritik nicht viel mehr, als Fragezeichen, zu machen vermag
. Nur ein kleines pädagogifches Bedenken fei darum
Ref. gemattet, zu der Anmerkung S. 47 zu erheben.
Es fcheint mir allerdings ,zu viel' verlangt, dafs die
Apoftelgefchichte wenigftens alle zwei Jahre einmal in
der Bibellefeftunde durchgenommen werden möge. Ich
behandle nun feit einer Reihe von Jahren mit befonderer
und immer neuer Freude die Apoftelgefchichte in der 1
Oberklaffe der Volksfchule. Aber durchflochten und
iliuftrirt durch ausgewählte Stellen der apoftolifchen
Briefe, wie diefe Leetüre betrieben wird, beanfprucht
fie doch den weitaus gröfsten Theil der zwei Bibellefc-
ftunden durch das ganze Jahr hindurch. Ich wüfste
wirklich nicht, wie fich dafür im Lectionsplan der Schule
mehr als einmal die Zeit gewinnen liefse, abgefehen davon
, dafs diefe Leetüre, mit Ausnahme der in der
biblifchen Gefchichte enthaltenen Stücke, für jüngere
Kinder viel zu fchwer wäre.

Von dem VII. Capitel, das die Mifffon im geogra-
phifchen Unterricht behandelt, gilt dasfelbe, was über
die Million im Religionsunterricht gefagt wurde, dafs
eine folche Heranziehung der Miffionskunde und Gefchichte
ganz befonders geeignet ift, den geographifchen
Unterricht zu beleben und anziehend zu machen. Ein
befonders guter Griff war es, fowohl vom pädagogifchen,
wie vom patriotifchen Gefichtspunkt aus, den deutfehen
Colonien und der deutfehen Miffionsthätigkeit befondere
Capitel zu widmen. Möchte es der verehrte Verfaffer
als eine Segensfrucht feiner verdienfllichen Arbeit erleben
dürfen, dafs er in den folgenden Auflagen in
Cap. IX auf die Frage: Was hat Deutfchland bisher für
die Miffion gethan? immer Mehreres zu berichten habe, j

Giefsen. Gg. Schloffer.

Entwurf einer Schul-Bibel. Gera, Hofmann, 1887. (104
S. gr. 8.) M. 1.40.

Der ungenannte Herr Verf., ein praktifcher Schulmann
, möchte an feinem Theil die viel ventilirte Frage
der ,Schulbibel' dadurch der entfeheidenden Beantwortung
entgegenführen helfen, dafs er die Abfchnitte der J
Bibel genau bezeichnet, welche in einer Schulbibel Aufnahme
finden müfsten. Die biblifchen Bücher treten in
derfelben Reihenfolge auf, wie in der vollftändigen Bibel;
ebenfo ift die Capitel- und Verseinteilung derfelben bei- I
behalten; doch find im Alten Teftament die Bücher der !
Chronika mit den Büchern der Könige, im Neuen Teftament
die vier Evangelien zu einem verarbeitet worden.
Der Entwurf befchränkt fich meift nur auf Befeitigung
der ,anftöfsigen Stellen'; eine nach folchem Entwurf
bearbeitete Schulbibel foll das Buch der Unmündigen,
die vollftändige Bibel das Buch der Mündigen fein.

Die ,anftöfsigen Stellen' haben ja überhaupt das
Verlangen nach einer Schulbibel wachgerufen. Pädago-
gifch ift der Satz unanfechtbar, dafs ich einem Kinde
nicht ein Buch zum Lefen in die Hand geben darf in
der Hoffnung oder Vorausfetzung, dafs es dasfelbe nicht,
oder nicht ganz, lefen werde. Diefer Satz bleibt in feinem
Recht, auch wenn Referent den Schaden, der durch die
.anftöfsigen Stellen' angerichtet werden foll, nicht für
erheblich halten kann; wo eine Schädigung vorliegt, wird
fie vor dem Gebrauch der Bibel, feltenfte Ausnahmen
abgerechnet, fchon vorhanden gewefen fein. Da nun
aber die Bibel in der Schule gebraucht werden mufs,
die ganze Bibel jedoch nicht gebraucht werden kann, !
fo ift das Auskunftsmittel eine ,Schulbibel'. In gewiffem
Sinne einverftanden. Nur nicht nach dem vorliegenden
Entwurf. Denn dadurch, dafs die ,anftöfsigen Stellen'
einfach ausgelaffen find, während doch die Verseinteilung
der vollftändigen Bibel beibehalten ift, werden die Schüler
auf jene ,anftöfsigen Stellen' möglichft deutlich hinge-
wiefen.und auch reinherzige aber etwas neugierige Seelen
Werden es fich nicht nehmen laffen, nachzuforfchen.

Ferner: wodurch unterfcheidet fich nach dem Entwurf
die Schulbibel der Unmündigen von der Bibel der Mündigen
? Dadurch, dafs in diefer die ,anftöfsigen Stellen'
unverkürzt fich finden, während fie in jener befeitigt
find. Das ift doch eine bedenkliche Sachlage.

Der Herr Verfaffer felbft wird von unferem Vorwurfe
nicht getroffen. In dielelben Schwierigkeiten wird
jede Schulbibel gerathen, welche die Jugend vor den ,an-
ftöfsigen Stellen' bewahren und doch den Gebrauch der
Bibel als folcher in der Schule als eine felbftverftänd-
liche Forderung fefthalten will. Man wird, meinen wir,
die Schwierigkeiten nur dann überwinden, wenn man fich
für die Schule mit einem Biblifchen Gefchichtsbuch fammt
reichem Memorierftoff und bei reiferen Schülern mit der
eingehenderen Leetüre ausgewählter Neuteftamentlicher
Briefabfchnitte begnügt, dagegen der Kirche und ihrem
der Verbefferung allerdings theilweife recht bedürftigen
Katechumenenunterricht die Einführung der Confirmanden
in das Verftändnifs und den Gebrauch der Bibel über-
läfst. Auch das in feiner Art vorzügliche Werk des
Prof. D. R.Hof mann: ,Schulbibel, Biblifche Gefchichte
und Lehre in urkundlichem Wort für die höheren Abtheilungen
der evangelifchen Schule' fchlägt im Grunde keinen
andern Weg ein. Denn thatfächlich verzichtet er auf den
Gebrauch der Bibel in der Schule und bietet nur das,
was wir für die Schule wünfehen, in möglichft reicher
Weife dar; deshalb follte das Werk aber auch nicht den
Titel: ,Schulbibel' führen.

Marburg. A che Iis.

Musica Sacra für Kirchenchöre, höhere Lehranftalten etc.
3. Aufl. Mit einem liturgifchen Anhang von Priedr.
Spitta. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht's Verl.,
1887. (VIII, 170 u. Anhang 32 S. gr. 8.) M. 2. 80;
ohne Anhang M. 1. 80; Anhang allein M. 1. —

Diefe feit vielen Jahren wohl bewährte Sammlung
von kirchlichen Chorgefängen war urfprünglich in erfter
Linie zum Gebrauch in höheren Lehranftalten benimmt.
Der feiige Schöberlein hatte, in richtiger Erkenntnifs der
hohen pädagogifchen Bedeutung der Mufik im Allgemeinen
, und vor Allem auch der Nothwendigkeit, der
Jugend auch auf diefem Gebiet nur gefunde Nahrung,
klaffifche Werke von erprobtem Gehalt und bewährter
Schönheit zu bieten, darin eine Auswahl des Beften aus
der klaffifchen Zeit der reinen Vocalmufik zufammen-
geftellt. Nun hat aber die Erfahrung gezeigt, dafs das
Buch viel mehr Phngang bei den Kirchenchören gefunden
hat, als in den höheren Schulen, für die es zunächft benimmt
war. Um es für diefen Zweck völlig brauchbar
zu machen, hätte es freilich in mancher Beziehung einer
Ueberarbeitung bedurft, durch die folches, was für die
Kirchenchöre nicht verwendbar ift, ausgefchieden, anderes
dagegen, zumal eine Auswahl an liturgifchen Sätzen,
hinzugefügt worden wäre. Zu einer folchen Ueberarbeitung
, wie fie namentlich Friedrich Spitta in feiner
Brofchüre: ,Die liturgifche Andacht am Luther-Jubiläum"
gewünfeht, konnte fich die Verlagshandlung im Hinblick
auf die fehr ftarke zweite Auflage des Werkes, die noch
nicht ausverkauft war, nicht entfchliefsen. Um jedoch
billigen Wünfehen zu entfprechen, hat fie einen Anhang
von liturgifchen Stücken herftellen laffen, deffen Bearbeitung
fie der berufenen Hand Spitta's übertragen hat.
Diefe Aufgahe hat Sp. mit fei nem Verftändnifs und im
pietätvollen Anfchlufs an Schöberlein's Grundfätze gelöft.
Diefe Pietät ift umfomehr anzuerkennen, da Sp. mit
diefen Grundfätzen in vieler Beziehung nicht einverftanden
ift. Er erklärt es mit Recht für eine Einfeitig-
keit Schöberlein's, dafs er nur die reine Vocalmufik für
wirkliche Kirchenmufik, und über das 17. Jahrhundert
hinaus die Schöpfungen der Kirchenmufik für den Gebrauch
im Gottesdienft nicht geeignet hält. Es ift