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Ausgabe:

1887

Spalte:

434-435

Autor/Hrsg.:

Herzog, Joh. Geo.

Titel/Untertitel:

Evangelisches Choralbuch für Klavier, Harmonium (Orgel) und Gesang mit Einlagen von Tonsätzen berühmter Meister und einem Anhang geistlicher Volkslieder. Zum Gebrauche für Kirche, Schule und

Rezensent:

Schlosser, Georg

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Theologifche Literaturzeitung. [887. Nr. 1S.

endlich zwei Lutherreden, die das Büchlein befchliefsen,
find hoher Anerkennung werth, ob auch vielleicht nicht
in gleichem Mafse.

Vor allem erhebend ift die durch und durch evan-
gelifche Sprache, die man in den Reden vernimmt. Kein
anderes Evangelium wird dort vor den Häuptern unferes
Vaterlandes im Dank zu Gott, in Mahnung und Bitte
verkündet, als es vor der ärmften Dorfgemeinde von
jedem evangelifchen Prediger verkündet wird; wir achten
dies für das höchfte Lob, das einem Oberhofprediger
des mächtigftcn Fürften der Erde gezollt werden kann.

Die ausgebildete oratorifche Kunft Kögel's ift bekannt
: fie tritt unverhüllt auch in diefen Reden hervor.
In mächtigem Pathos brauft der Strom der Rede daher;
fchöne Bilder, die mit leichter Hand in wenigen Strichen
überall erfreuend und den Gegenftand plötzlich beleuchtend
eingeftreut find, beleben die Diction. Rhetorifche
Figuren, am meinen bevorzugt die Anaphora-, die
Klimax, die Präoccupatio, die Apoftrophe, find ein wefent-
licher Schmuck. Freilich die höchfte Kunft ift nicht
immer erreicht, jene Kunft, die, um mit Andr. Hype-
rius zu reden, darin befteht, dafs man die Kunft verbirgt
. Auch ift der Stil bei Kögel fo fehr der Mann, dafs
die Stimme nur feiten fich wandelt; das Cafuelle der
doch fehr verfchiedenartigen Gegenftände übt kaum
eine bemerkenswerthen Einflufs auf Stil und rednerifchc
Haltung des Worts. Wenn wir ferner unter den gelungenen
Bildern auch die Katachrefe nicht vermiffen,
wie S. 59: ,bereits wirft das Grab feinen Schatten auf
den greifen Führer', oder S. 83: ,ein Gebet in Jefu
Namen, und wäre es nur mit zitternder Hand'; wenn
öftere Wiederholungen fich finden, wie des Wahlfpruchs
Königs Friedrich Wilhelm III; des (veränderten) Versleins:
dies arme Leben ganz für einen ewigen Kranz; der Bemerkung
zu Mc. 9, 50: habt Salz bei euch, dafs das
Salz nicht gegen andere, fondern gegen fich felbft zu gebrauchen
fei, wobei auch eine Verwechfelung des bibli-
fchen Salzes mit dem attifchen vorzuliegen fcheint; der
Redewendung, dafs die Tage fich aus Morgen- und
Abendröthen, wie aus Morgen- und Abendgebeten weben;
wenn uns endlich eine wohl nicht ganz berechtigte Eigen-
thümlichkeit der Rede Kögel's in der Plötzlichkeit des
Schluffcs entgegentritt, — fo erinnert dies Alles zwar
daran, dafs auch ein Meifter der Rede der .Menfchlich-
keit' zollpflichtig ift, aber die Freude an der Gabe und
den Dank für die Gabe kann folche Erinnerung nicht
beeinträchtigen.

Druck und Ausftattung des Büchleins find des Inhalts
würdig.

Marburg. Achelis.

Süskind, Pfr. G. A., Dispositionen zur heiligen Passion.

Heilbronn, Henninger, 1887. (VII, 284 S. gr. 8.)
M. 3.60.

Vorliegendes Werk hat zu feinen Vorläufern drei
Bände ,Paffionsfchule' des Herrn Verfaffers, eine reichhaltige
Sammlung von exegetifchen Bemerkungen, von
Citaten aus verfchiedenartigften Schriften nach Mafsgabe
zufälliger Bekanntfchaft des Herrn Verf.'s mit denfelben,
von Anekdoten, die zur Beleuchtung der Textgedanken
dienen können u. dgl. mehr. Jeder diefer drei Bände
behandelt die ganze Paffionsgefchichte nach der in Wür-
temberg 1841 eingeführten, von v. Stirm verfafsten Zu-
fammenftellung, fo dafs der Inhalt der Bände drei Parallelen
bildet und jeder Band ein Ganzes für fich ift. Eine
warme Begeifterung für die Gefchichte der Paffion Jefu
ift unverkennbar; das umfangreiche homilctifche Material
kann dem Prediger eine Fundgrube fruchtbarfter Gedanken
werden und wird hoffentlich an feinem Theile
dazu beitragen, den ,Vorhof', ,Das Heilige' und ,Das
Allerheiligfte' des Todesleidens Jefu der Gemeinde in
weit reichcrem Mafse, als es durchweg gefchieht, zu er-

! öffnen. Aber freilich, Kritik ift dringend Noth; es ift
eben alles, was irgend aufzutreiben war, zufammenge-
fahren, und der Herr Verf. hat weder die Kunft ver-
ftanden, das nicht Paffende zu ftreichen, noch die Kunft,
die Gefichtspunkte der Betrachtung einheitlich feftzuhalten.
Ohne Kritik gebraucht, wird die ,Paffionsfchule' reiche
Veranlaffung geben zu vielleicht gutgemeinten, aber auch
I höchft verworrenen Expectorationen, und davon haben
wir in der homiletifchen Literatur auch ohne das genug.

Die ,Dispofitionen zur heiligen Paffion' fetzen die
,Paffionsfchule' voraus; es wird zwar nicht ausdrücklich
gefagt, aber der Inhalt, oft ohne Einblick in die .Paffions-
fchule' unverftändlich, weift darauf hin. Der Herr Verf.
giebt uns nicht weniger als l387,Dispofitionen' überTexte
aus der Leidensgefchichte, und diefe find nicht etwa zum
, Zweck der Herausgabe angefertigt, fie liegen vielmehr
, von dem Herrn Verf. in feiner mehr als fünfzigjährigen
Amtswirksamkeit (vgl. Schlufs des Vorworts) wirklich
gehaltenen Predigten zu Grunde. Von einem Prediger
1378 Predigten nur über die Paffion Jefu gehalten, das
1 ift in der That eine refpectable Leiftung, die wohl nur
[ von einem für feinen Gegenftand bis zur Ekftafe be-
j geifterten Mann, wie der Herr Verf. fich zeigt, zu ermöglichen
ift. Auch diefe Dispofitionen würden wir zu
heilfamer Anregung gern in den Händen namentlich von
jüngeren Pfarrern fehen, weil fo, wie fie daftehen, nur
wenige ohne Weiteres zu gebrauchen find, wenn nur
1 fichtende gründliche Kritik Gemeingut des geiftlichen
1 Standes wäre. Denn Kritik ift auch hier unentbehrlich.
I Schon formell angefehen wirkt es trotz Claus Harms
i betäubend, 10 Theile (Nr. 2), 13 Theile (Nr. 5), 18 Theile
I (Nr. 4) unter einem Thema aufgeführt zu fehen, und
keine Gemeinde wird folcher Predigt zu folgen vermögen.
Auch materiell wird der Gemeinde oft unglaubliches zu-
gemuthet; wer kann denn das Thema: Jefus Chriftus
I gebunden' 1) der Gebieter (?) über mehr denn zwölf
j Legionen; 2) der Allmächtige (?); 3) Ifraels Oberhirte;
4) der grofse Bürge (Nr. 592), wer kann das Thema:
Jefus Chriftus der Mittel- und Wendepunkt der Gefchichte
der Menfchheit' mit der Partition: 1) wie ftand es mit
der Welt vor Chrifto? 2) was ift die Welt worden
(sie/) durch Chriftum; 3) was hätte die Welt werden
können in Chrifto? 4) was wäre die Welt heute ohne
Chriftum? (Nr. 1387) in einer Predigt behandeln, und
welche Gemeinde wird felbft durch die gefchicktefte
Behandlung einer derartigen Propolition wirklich erbaut?

Schon aus dem Angeführten geht hervor, dafs die
Themata, mehr noch die Partitionen, mit völliger Willkür
gebildet find; irgend eine Methode der ,Dis-
pofitions'-Bildung ift nirgends wahrnehmbar, wohl aber
eine grofse Redegewandtheit, welche niemals um eine
Fülle fynonymer Ausdrücke verlegen ift. Dafs es nicht
an textmäfsigen und gehaltvollen Fingerzeigen fehlt,
wird nicht geleugnet, allein bei dem Mangel aller Methode
ift das Buch wiffenfehaftlich werthlos.

Noch fei die Bemerkung geftattet, dafs das, was der
Herr Verf. ,Dispofition' nennt, richtiger ,Propofition'
heifsen dürfte; entfchuldbar ift diefe Verwechfelung der
Begriffe um fo mehr, als felbft die neueften Handbücher
der Homiletik an derfelben Verwechfelung leiden.

Marburg. Achelis.

Herzog, Prof. Dr. Joh. Geo., Evangelisches Choralbuch für

Klavier, Harmonium [Orgel] und Gefang mit Einlagen
von Tonfätzen berühmter Meifter und einem Anhang
geiftlichcr Volkslieder. Zum Gebrauche für Kirche,
Schule und Haus, fowie für Gefangvereine bearbeitet
und herausgegeben. Op. 58. Erlangen, Deichert, 1886.
(XII, 238 S. Lex.-8.) M. 3. 60; geb. M. 4. —

Ein Choralbuch von Herzog bedarf keiner befonderen
Empfehlung, am wenigften von einem mufikalifehen Laien,