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Ausgabe:

1887 Nr. 18

Spalte:

422-423

Autor/Hrsg.:

Wilhelm, Frdr.

Titel/Untertitel:

De Minucii Felicis Octavio et Tertulliani Apologetico 1887

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 18. 422

folgt ein Capitel über die römifchen Reformer und Vor- j die ftatiftifch-abftracte Methode der Kritik mitfammt der
läufer des Cliriftenthums und dann als 5. Phafe: Roman I Ifolirung, in welcher fie jedes Problem behandelt, für
Christianity according to Paul, the Reformer of the Roman richtig hält. Eine Reihe von Differtationen find bei-
empire Eine grofse gefchichtliche Entwicklung auf gegeben, in welchen die bekannten Capitalfragen (Paulus
knappftem Räume zur Darftellung zu bringen, das ver- und Jakobus, die Heilung der Kranken durch Salbung,
mag nur Jemand, der mit dem aufgefchloffenften Sinn Petrus in Rom, Petrus' Efchatologie, 2 Petrus und Judas,
für alles Grofse und Eigenthümliche die genauefte Kennt- Gnofticismus und I Joh., Affumptio Mofis, Henoch und
nifs der Dinge verbindet. Beides aber fehlt dem Verf. Judasbrief u. a.) befprochen werden. Wie grofs ift die
Sein Buch ma" daher alles mögliche Nützliche in ein- , Zahl der bisher unerörterten Probleme, welche die katho-
zelnen Kreifen ftiften und vielleicht einer vorurtheils- lifchen Briefe ftellen, und wie feltfam ift es, dafs man
lofen Prüfung der Kirchengefchichte in England Vor- immer wieder die alten Doctorfragen aufwirft, während
fchub leiften — aber eine wirkliche Förderung der die Grundlagen der gefchichtlichen Betrachtung der
Erkenntnifs kann ich einem Werke nicht zufchreiben, in Briefe noch nicht ficher geftellt find!
welchem Wahrheit und Irrthum, Einfichtiges und Obfcures Marburg. A. Harnack.

auf jedem Blatte verfchwiftert find.

Mirhiirp- A. Harnack.

ivia g._____Wilhelm, Dr. Frdr., De Minucii Felicis Octavio etTertulliani

Gloag, Paton J., D. D., Introduction to the catholic epistles. Apologetico. [Breslauer Philologifche Abhandlungen.
Edinburgh, T. & T, Clark, 1887. (XVI, 416 S. gr. 8.) ; II. Bd. 1. Heft|. Breslau, Köbner, 1887. (86 S. gr. 8.)
Cloth. 10 s. 6 d. M- I-80.

Wer eine fleifsige und gefchickte Zufammenftellung | Die von dem Verf. behandelte lAage gehört nicht
der traditionellen Urtheile über die katholifchen Briefe zu den vernachläffigten. Eine durchweg befriedigende
mitfammt einer Widerlegung der Angriffe auf die Echt- Antwort hat fie bisher nicht gefunden. Einen Anlauf,
heit derfelben fucht, der greife nach diefem Buche. Er fie im Zufammenhang mit der Frage nach dem Verwird
fich nicht enttäufcht finden. Der Verf. gehört zu wandtfchaftsverhältnifs der altchriftlichen Apologien über-
den Kritikern, die fich biblifch-pofitiv nennen, aber er haupt zu behandeln, hatDembowski (,Die Quellen der
fteht nicht auf der äufserften Rechten diefer Gruppe, chriftl. Apologetik des 2. Jahrh.') genommen, er ift aber im
lehnt vielmehr fo entfchloffene Aeufserungen, wie fie ; 1. Theile (,Die Apologie Tatian's' 1878) flecken geblieben,
z. B. Bifchof Wordsworth gethan hat (,wenn ein Buch 1 Dann habe ich in der Schrift ,Die Ueberlieferung der
in der h. Schrift von einem Fälfcher flammt, fo ift es ! griechifchen Apologeten' u. f. w. (1882) die Hauptpunkte
nichts mit der Verheifsung Chrifti'), ab und gefleht fogar ! des Verwandtfchaftsverhältnifses der griechifchen Apo-
zu, dafs die Echtheit des 2. Petrusbriefes nicht über logeten berührt, bin aber während der Unterfuchung zur
allen Zweifel erhaben ift. Diefe Conceffion bezeichnet - Einficht gelangt, dafs man fchwerlich weder über die
aber auch den vorgefchobenften Porten feiner Kritik. ; profanen Quellen noch über das Verwandfchaftsverhältnifs
Im Uebrigen ift er correct und hat fehr Vieles von dem der Apologien zu ficheren werthvollen Ergebnifsen ge-
gelefen, was über die Briefe in den letzten zwei Men- langen wird und habe daher die Fortfetzung diefer Stu-
fchenaltern gefchrieben worden ift. Vielleicht aber hat dien aufgegeben. Die Frage nach dem Verhältnifs des
ihn eben diefe Leetüre daran gehindert, felbftändige Minucius zu Tertullian ift feitdem noch von mehreren
Beobachtungen anzuflehen. Ich habe nichts finden Gelehrten behandelt worden, befonders von Schwenke,
können. was nicht fchon von Anderen gefagt worden Der Verf. vorftehender Differtation hat fie neu aufge-
wäre. Der Verf. bewegt fich in den Problemen, wie fie ' nommen und fucht, einem Winke Hartel's folgend
durch den Kampf der Baur'fchen Schule mit der Tra- zu zeigen, dafs Minucius und Tertullian von einander
dition gefchaffen worden find. Er hat von dem, was j unabhängig find, aber eine gemeinfame Quelle benutzt
darüber hinausliegt, nicht einmal Notiz genommen. , haben ; diefe Quelle fei eine lateinifch gefchriebene Apo-
Schon die Frage nach dem Auftauchen und der Ge- logie gewefen, deren Verfaffer Bücher von Varro und
fchichte der Briefe in der Kirche — bei den katholifchen Seneca, fowie griechifche Apologien (die des Juftin, Ta-
Briefen von behenderer Wichtigkeit — ift nach der un- ; tian und Theophilus, refp. griechifch-chriftliche Schriften,
fruchtbaren und irreführenden Methode behandelt, deren die Aehnliches wie jene Werke enthielten) ausgefchrieben
Gefichtspunkte nicht über die ,Sammlungen'zur Kanons- habe; diefe lateinifche Apologie liege aber nicht nur
gefchichte hinausreichen. Wie könnte der Verf. fonft den Partien des Apologeticus zu Grunde, welche dem
fchreiben: ff he first Ep. of Peter is as strongly attested Tertullian mit Minucius gemeinfam find, fondern fei auch
by external evidence as any other writing of the N. T.; für einen grofsen Theil der übrigen Ausführungen des
it has been transmitted to us by an unbroken chain of > Apologeticus in Anfpruch zu nehmen.
testimony from the apostolic tbmesV Aber auch in den Der Verf. hat es fich fauer werden laffen mit dem

Fragen der innern Kritik kommt der Verf. feiten über Beweife für feine Thefe. Er hat gründlich gearbeitet,
die landläufigen Oberflächlichkeiten hinaus. So wird die ' zeigt nicht geringen Scharffinn und hat die Literatur
Behauptung, der Jacobusbrief fei an Judenchriften ge- forgfältig benutzt. Viele Einzelunterfuchungen (f. z. B.
richtet, durch folgende Gründe bewiefen: Abraham heifst über Celfus und Minucius) find gut gelungen. Dennoch
im Brief ,unfer' Vater — der Verf. weifs felbft, dafs das J fürchte ich, dafs er nicht Viele überzeugen wird. Merknichts
beweift (p. 44 not.), aber ,die Stärke diefes Argu- ; würdigerweife ift ihm nämlich nicht klar geworden, dafs
ments beruht in feiner Verbindung mit anderen Er- er einer Hypothefe das Wort redet, der eine aufserordent-
wägungen'; diefe find: der Verf. fetzt voraus, dafs feine 1 liehe Schwierigkeit im Wege fleht. Es ift in der That

Lefer Hiob, Elias und die Rahel kennen, er braucht für Gott
die alttestamentlichen Namen, er nennt die gottesdienftliche
Stätte ,Synagoge' und die Fehler, die er geifselt, find
folche, welche die Juden jener Epoche charakterifiren.
Bei aller Gelehrfamkeit fehlen übrigens doch wichtige
Zeugnifse, wenn fie die öffentliche Tradition der Exegeten

kaum möglich, dem ,apologeta Latinus, cuins memoriam
resuscitavi' zum Leben zu verhelfen. Ein lateinifcher
Apologet unmittelbar vor Tertullian, der ein fehr umfangreiches
Werk gefchrieben haben müfste — denn
feine Apologie war, wie Wilhelm fie uns vorftellt, fehr
ftoffreich —, der die griechifchen Apologeten und Varro
nicht überliefert hat. So habe ich eine Auseinander- ; fowie Seneca gelefen hat, foll fpurlos verfchwunden fein'

fetzung in Bezug auf das wichtige Urtheil des Didymus
über 2. Petr. nicht gefunden. Zu einer Discuffion mit
dem Verf. könnte fich nur der veranlafst fühlen, welcher

Wer die Stellung der kirchlichen Tradition zu der früh-
chriftlichen apologetifchen Schriftftellerei kennt, wer den
kläglichen Mangel an lateinifchen chriftlichen Schrift-