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Ausgabe:

1887

Spalte:

420-421

Titel/Untertitel:

The Christ and the Fathers: or the reformers of the Roman empire, being a critical analysis of the religious thought and opinion derived from their lives and letters as well as from the Latin and Greek fathers of the

Rezensent:

Harnack, Adolf

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420

Poznanski hervor in der Darfteilung der Meffiaslehre
(S. 28—31). Bekanntlich fagt Jofephus in feinem Bell,
lud. VI, 5, 4, dafs die Juden zum Krieg gegen die Römer
hauptfächlich angefeuert worden feien durch einen dunkeln
Orakelfpruch, der in den heiligen Schriften fich finde, als
ob zu jener Zeit Einer aus ihrem Lande zur Herrfchaft
über die Welt gelangen werde {mg xaxa top xaigop Ixflvov
ajto rrq xcaqag rl? ovxmp apggt rf]g olxovfievrjg). Diefen
Orakelfpruch hätten die Juden irrthümlich auf fich bezogen
, während er thatfächlich auf Vefpafian gehe. Es
ift klar, dafs Jofephus damit die meffianifche Weisfagung
meint, die er auf Vefpafian deutet. Poznanski beftreitet
dies und meint, es handle fich nur um irgend eine einzelne
Bibelnelle, aus welcher man gefchloffen habe, dafs
der Meffias eben jetzt auftreten werde, während Jofephus
fie auf Vefpafian deute (S. 30 f.). Aber jener ,dunkle Orakelfpruch
', der die Juden zum Kriege trieb, ift doch
augenfcheinlich die meffianifche Hoffnung überhaupt, an
deren unmittelbar bevorftehende Erfüllung man glaubte.
Dafs Jofephus fie, wenigftens ihrer politifchen
Seite nach, aufgegeben hat, darf auch aus feinem
fonftigen Schweigen gefchloffen werden. Die Frage ift
alfo auch hier wieder nicht fo zu ftellen: ob er die meffianifche
Hoffnung feftgehalten hat oder nicht?, fondern
fo: nach welchen Seiten und in welchem Sinne er fie
feftgehalten hat? Eine annähernde Antwort darauf giebt
feine Behandlung des Segens Bileam's (Poznanski S. 28 f.).

Etwas umfichtiger und in manchen Punkten auch
eingehender ift die Darfteilung bei Lewinsky. Ziemlich
ausführlich wird namentlich des Jofephus Lehre von der
sificcQ/itvr] behandelt (S. 36—46); überhaupt für manche
Punkte eine fleifsige Sammlung des Materiales gegeben.
Aber auch Lewinsky verfolgt zu fehr die Tendenz, die
correcte Gläubigkeit des Jofephus darzuthun. Auch er
fieht in der elpaQpsprj bei Jofephus lediglich die göttliche
Vorfehung (S. 37, 38, 39,44). ,Zwifchen der etfictQfitprj,
xvyp] u. dgl. und dem Begriff der göttlichen jiQovoia bei
Jofephus befteht nur ein formeller, kein wefentlicher
Unterfchied, vielmehr ift Gott und Gefchick in feinen
Schriften identifch' (S. 44). Auch auf anderen Punkten
vermifst man bei Lewinsky eine fubtilere Unterfuchung
desMafses der griechifchenEinflüffe; und einen genaueren
Nachweifs des Urfprungs derfelben. Gerade die bunte
Mannigfaltigkeit der Entlehnungen und ihr dilettantifcher
Charakter ift aber das eigentlich Bezeichnende bei Jofephus
, wodurch er zugleich als ein Typus für weite Kreife
gelten kann. Eben diefe nachzuweifen wäre hier die
Hauptaufgabe. — Levvinsky's Darftellung ift auch noch
in anderer Beziehung unvollftändig. Er behandelt nur:
1) Die Lehre von Gott, feinem Wefen, feinen Eigen-
fchaften und feinem Verhältnifse zur Welt, 2) die Engel-
und Dämonenlehre, 3) die Lehre von der Welt, 4) die
Lehre von dem Menfchen. Nicht behandelt oder höch-
ftens geftreift werden die fpecififch-jüdifchen Anfchau-
ungen von Israel als dem Volke Gottes, von dem Werth
feines Gefetzes und von den ihm verliehenen Ver-
heifsungen. In Betreff der meffianifchen Idee wird nur
im letzten Satze der Abhandlung (S. 62) bemerkt, dafs
es fich nicht mit voller Sicherheit entfcheiden laffe, ob
Jofephus an ihr feftgehalten habe. Lewinsky hat diefen
ganzen Vorftellungskreis offenbar deshalb weggelaffen,
weil er nur die philofophifchen, nicht die religiöfen An-
fchauungen darftellen wollte. Aber bei einem Manne
wie Jofephus gehört beides nothwendig zufammen.

Poznanski hat diefe Punkte wenigftens in der Kürze
berührt. In der Behandlung des Einzelnen verfährt er
freilich noch weniger genau als Lewinsky. Eine recht
bedenkliche Unkenntnifs der griechifchen Sprache ift mir
bei ihm S. 13 aufgefallen, wo der Satz Antt. XVI, II, 8:
u jiqo rjftmv Jtzyikodocprjxai xdi xcö vöfico folgender-
mafsen wiedergegeben wird: ,Das haben wir auch vorher
im Gefetze gefagt'ü! Und erft der deutfche Stil!
Auf S. 32 flehen folgende zwei Proben unmittelbar hintereinander
: ,Unter die Zahl derer, welche in die höhere
Philofophie eingeweiht waren, zählt der Kirchenvater
auch wirklich den Jofephus mit Philo in einer Reihe'.
,Dafs die nachmaligen Talmudlehrer die Schrift nach der
Weife Philos als höchfte Erkenntnifsquelle auch für meta-
phyfifche und kosmogonifche Dinge genommen und fie
demgemäfs gedeutet haben, wird heutzutage wohl niemand
mehr . . . den geringften Zweifel hegen'. Auch an
fonftigen Ungenauigkeiten fehlt es bei P. nicht. Auf
S. 19 wird mir die Ehre zu theil, in folgender Weife
citirt zu werden: ,Schürer, Bibl. Wörterbuch, Art. Kanon'.
Ich habe aber in keinem bibl. Wörterbuch den Artikel
Kanon bearbeitet. S. 2 fteht Neuteftamentliche Zeit-
fchrift ftatt Zeitgefchichte.

Giefsen. E. Schür er.

The Christ and the Fathers: or the reformers of the Roman
empire, being a critical analysis of the religious
thought and opinion derived from their lives and
letters as well as from the Latin and Greek fathers of
the eastern and western empires until the Nicene
Council, with a brief sketch of the continuation of
christianity until the present day in accordance with
the comparative method of historical science. By
a historical scientist. London, Williams & Norgate,
1887. (XV, 420 S. 8.) Cloth.

Diefes Werk enthält in fkizzenhafter Ausfuhrung
eine Entwicklungsgefchichte des religiöfen Gedankens
von den älteften Zeiten des jüdifchen Volkes ab bis zum
Nicänum und Auguftin, dazu einen Epilog auf wenigen
Seiten, der bis zur Gegenwart reicht. , We Jiave thus
indicated the Service performed by the representatives of
poetic, Philosophie, and religious genius in the formatUm of
the New Faith of modern Europc, Britain, and the New
World1 (Leffing, Goethe, Tennyfon, Longfellow u. A.
find zuletzt angeführt). , The great majority of critics and
historians have expatiated 011 the beauties of poetry, and
the psychologieal dissection of the materialistic, idealistic
and seeptical theories of science, philosophy, and theology,
and paid little or no attention to the ethical and theological
reformation aecomplished by their teaching and influence.
We trust that the institution of our Historical Comparison
will at least form a precedenl to future students.'

Die Aufgabe, die fich der Verf. gefleht hat, eine
für alle Gebildeten verftändliche Darfteilung der Entwicklung
der chriftlichen Ideen bis zum 4. Jahrhundert
zu geben, dabei die fyftematifchc und dogmatifcheNomen-
clatur der alten Theologie zu vermeiden und die allgemeine
wiffenfehaftliche Methode anzuwenden, ift eine
fchöne und grofse. Der Verf. hat auch eine Fülle von
Wiffen und Kenntnifsen zur Löfung derfelben herbeigebracht
und fchreibt einfach und anziehend. Auch fehlt
es ihm nicht an richtigen Gefichtspunkten. Er weifs die
jüdifchen Propheten für dieEntwicklungsgefchichte ebenfo
zu verwerthen wie die ,Roman Reformers and Pfecursors
of Christianity'. Dennoch vermag ich fein Buch nicht für
förderlich zu halten, denn 1) ift es eine fehr befchränkte
Zahl religiöfer Ideen, denen er Sinn und Wahrheit abzugewinnen
weifs, 2) ift die Kritik — der Verf. will mit
Wundern und dergl. nichts zu thun haben — höchft
vag, oft durch die Tradition aufserordentlich gebunden,
dann wieder überrafdiend keck, mit einem Wort dilet-
tantenhaft. Die Eintheilung des erften Buches fchon beweift
dies: I The Lives and opinions of Jehoshua {Greek,
Jesus), the Prophet of Nazareth of Galilee, II The opinio?is
of Jesus, III Second Phase of Jewish Christianity under
the leadership of Peter and James, IV Third phase. Orien-
tal Christianity (nach dem Johannesevangelium und den
Johannesbriefen), V Fourth Phase. Alexandrian Christianity
aecording to the letter adressed to the Hebrews. Nun