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Ausgabe:

1887 Nr. 1

Spalte:

399-404

Autor/Hrsg.:

Ehses, Steph.

Titel/Untertitel:

Landgraf Philipp von Hessen und Otto von Pack. Eine Entgegnung 1887

Rezensent:

Friedensburg, Walter

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399

Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 17.

Citate, um die Dogmen der kathol. Kirche zu beweifen,
wo die Evangel. felbft den Dienft vertagen: Jofeph war
bejahrt und Wittwer, als er fich mit Maria verlobte. Die
Brüder Jefu hält nur der Unglaube für fpäter. geborene
Söhne des Jofeph u. der Maria. Die Mutter Jefu, von
Erbfünde nicht behaftet u. in der Kirche als äsl xagd-tvog
allezeit verehrt, ift die erfte unter den Heiligen und die
mächtige Fürbitterin bei ihrem Sohne. Petrus wird fehr
fchonend behandelt, feine Verleugnung kaum erwähnt,
dagegen um fo nachdrücklicher hervorgehoben, dafs ihm
die Regierungsgewalt der Kirche Chrifti übertragen fei.

Alle Schwächen des Buches, der Mangel jeder hiftor.
Methode u. jeder gefunden Kritik, concentriren fich noch
einmal in dem Schlufscapitel ,Auferftehung und Himmelfahrt
'. Die umfangreiche moderne Literatur wird
nicht mit einer Silbe erwähnt, kein einziges von den
gerade hier fo zahlreichen Problemen berührt; die Berichte
der Evangeliften erfcheinen im fchönften Einklang,
felbft 1 Cor. 15,6 macht keine Schwierigkeiten, wenn
man nur bedenkt, dafs nicht alle Erfcheinungen des Auf-
erftandenen in den heil. Evangel. aufgezeichnet find, fondern
dafs nur über folche berichtet ift, wobei der göttliche
Heiland zur Organifation feiner Kirche thätig war
(S. 477)-

Mein Gefammturtheil über das Buch kann ich nicht
beffer zufammenfaffen als in der Kritik Hafe's über die

welche die bisherige Auffaffung vertreten, fich im Irrthum
befunden haben! ,Da die gefammte Forfchung
angegriffen war', fo heifst es wörtlich, ,mochte man es
für beffer halten, es fterbe einer für viele, und um daher
die übrigen zu falviren, wurde, anftatt dafs man der
Sache etwas fett ins Auge fchaute, diefer eine, ich nämlich
, über Bord geworfen'. Mit anderen Worten: die
Kritiker des erften Ehfes'fchen Elaborates haben ihres
Amtes insgefammt in fchnöder Menfchenfurcht als be-
ftochene Richter gewaltet, fie haben wider befferes
Wiffen geurtheilt. Ref. gefteht, einer derartigen Sottife
(um kein kräftigeres Wort zu gebrauchen) noch nie begegnet
zu fein; nur widerwillig hat er fich mit einem
Autor befafst, der fich folcher fchlechthin unqualificir-
barer Verdächtigungen nicht fchämt; doch möchte er
nicht, dafs Ehfes die Abficht, welche er mit den angegebenen
Worten verfolgt zu haben fcheint, nämlich von
ernfthafter Kritik feines neuen Machwerkes abzufchreckcn,
erreichte und auf diefe Weife bei Fernerftehenden der
Eindruck hervorgebracht würde, es müffe E.'s Behauptungen
doch wenigftens ein Tüttelchen Wahrheit innewohnen
. Treten wir alfo trotz des fo wenig einladenden
Eindrucks, den wir dergeftalt gleich auf der Schwelle
empfangen haben, näher.

Hat Ehfes es verfchmäht, neues Material zur Stütze
feiner verwegenen Behauptungen heranzuziehen, fo läfst

i.Auflage: ,Die Gefchichte Jefu wie eine bibl. Gefchichte 1 er auch fonft jedes tiefere Eindringen in feinen Stoff

für Kinder, nur nach der dogmatifchen Vorausfetzung,
dafs Jefus einiges als Menfch, anderes als Gott geredet
u. gethan; fonft unbekümmert um alle die tieferen Fragen,
die fich der neueren Schriftgelehrfamkeit aufgedrungen
haben, als welcher dasfelbe Wehe gelte, das Chriftus
über die jüd. Schriftgelehrten ausrief; u. den Proteftanten
überlaffend, mit diefen Fragen fertig zu werden, da fie
nur eine Confequenz des proteft. Princips enthielten. Er
hat im Grunde Recht. Die neuere Kritik in ihrem guten
Rechte wie in ihren Uebertreibungen ift eine Folge der
freien Schriftforfchung; wiefern die kathol. Theologie
durch die Unfehlbarkeit, wenn nicht des Papftes, der gar
nichts davon verfteht, doch der Kirche von diefer Schriftforfchung
ausgefchloffen ift, zeigt fich nur, dafs fie darin
aufserhalb der Wiffenfchaft fleht'.

Bonn. F. Schnapp.

vermiffen. Aus jeder Zeile fieht man, wie oberflächlich
feine Kenntnifs von der Epoche und den in ihr wirk-
famen Kräften find. Nirgends verfucht er auch nur, zu
einem Verftändnifs der Lage der Evangelifchen, oder der
Perfönlichkeit und Politik des jungen Landgrafen zu
gelangen; nirgends überhaupt urtheilt er aus der Zeit
heraus, die er behandelt, fondern überall trägt er feine
nur allzu deutlich als vorgefafst fich kundgebenden unreifen
Anflehten in die Dinge hinein. Was dabei herauskommt
, kann man fich leicht denken. Betrachten wir
nur die Frageftellung bei den erften beiden Capiteln
Diefelben find überfchrieben: 1) Hatten die Anhänger
Luther's bis z. J. 1528 Veranlaffung, bei den katholifchen
Fürften Deutfchlands aggreffive Abfichten zu fürchten?
2, Konnte Philipp von Heffen dem Pack'l'chen Bundes-
inftrumente Glauben fchenken? Wie unglaublich unge-
fchickt und unwiffenfchaftlich ift doch diefe Frageftellung.
Ehses, Dr. Steph., Landgraf Philipp von Hessen und Otto Was träftt es denn aus, ob die Evangelifchen wirklich
von Pack. Eine Entgegnung. Freiburg i|Br., Herder, Veranlaffung hatten einen Gewaltftreich der Gegner Zu
886 rvi 6 c « m furchten, d. h. ob ihr Argwohn begründet war? Selbft

1886. (AI, 164 S. 8.) M. 3. — , wenn diefcj. j[ir Argwohn nicht völlig begründet, wenn

Zum zweiten Male erfcheint auf der literarifchen 1 er übertrieben war, fo war er doch darum nicht, wie
Arena ein Kämpfer, der bei einem erften Auftreten Nieder- j Ehfes zu fchliefsen fcheint, nothwendig erheuchelt. In
läge über Niederlage zu verzeichnen gehabt hat: Stephan 1 der That aber lag die Sache fo, dafs damals feit
Ehfes bringt über die Pack'fchen Händel eine neue Ab- j Jahren fowohl die Evangelifchen von den Altgläu-
handlung auf den Markt, in welcher er die in einer erften ! bigen, wie diefe von jenen aufs äufserftc beargwöhnt
Schrift aufgeftellte, kecke Behauptung, Landgraf Philipp ' wurden, fo zwar, dafs die Verdächtigungen der Katho-
von Heffen fei der intellectuelle Urheber der Fälfchung, lischen, welche ihre Gegner bezichtigten, mit dem nieweiche
den Namen Otto's von Pack brandmarkt, aber- deren Volke unter einer Decke zu fpielen und mit Hilfe
mals vorträgt und gegen die Abweifungen feiner Kritiker. ' der Mafien dem Lutherthum zum Siege verhelfen
unter welchen namentlich H. Schwarz dem Gegenftand j zu wollen u. f. w., bis auf den heutigen Tag nicht
eine eigene, ausführliche Schrift gewidmet hat, zu ver- ■ die geringfte Betätigung gefunden haben, während auf
fechten fucht. Wir werden da zuerft fragen: hat fich J der anderen Seite bereits aus dem Jahre 1525 ein Docu-
unfer Ritter inzwifchen nach neuen Waffen umgefehen?
erfcheint er beffer gerüftet als das erfte Mal? Allein, obwohl
E, von verfchiedenen Seiten her auf noch unerforfch-
tes Material hingewiefen worden ift, hat er es dennoch verfchmäht
, fich danach umzufehen oder irgendwie fein Rüft-
zeug zu vervollftändigen, zu verbeffern. Es fcheint freilich,
dafs E. meint, diefen Mangel durch eine Dreiftigkeit er-
fetzen zu können, die fchon der Vorrede ihr Gepräge giebt.
Indem Verf. hier der ihm von allen Seiten zu Theil gewordenen
Abfertigungen gedenkt, erfcheinen ihm diefe
keineswegs als Ausdruck der wirklichen Anficht feiner
Kritiker; fondern man hat ihn fallen laffen, um nicht
zugeben zu rnüffen, dafs die hervorragenden Forfcher,

ment von der Hand Herzog Georg's von Sachfen vorliegt
, welches von der Nothwendigkeit der Ausrottung
der ,verdammten lutherifchen Secte' fpricht. Was wollen
dagegen die Declamationen Ehfes' befagen, welcher
weitläuftig darüber monologifirt, dafs die Katholifchen
als Vertreter des Herkommens gegenüber den Neuerern
fowohl überhaupt im Rechte, als fpeciell befugt gewefen
feien, den Männern der Revolution' Gegenwehr zu
leiften. Selbft wenn diefe Darlegungen ebenfo richtig
und unbeftreitbar wären, wie fie von einer durchaus un-
gefchichtlichen Denkweife eingegeben erfcheinen: welche
Schlufsfolgerungen follen daraus für das in Rede flehende
Verhältnifs fich ergeben? doch höchftens die, dafs die