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Ausgabe:

1887

Spalte:

327-332

Autor/Hrsg.:

Holtzmann, Oscar

Titel/Untertitel:

Das Johannesevangelium untersucht und erklärt 1887

Rezensent:

Schürer, Emil

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Ri. 5, 9 find fogar fünf refp. drei gemacht, ohne erklä- | wirklicher Ueberlieferung zu Grunde liege (Das apofto-
rende Anmerkung. Da L. fein Werk ,auxjeunes artistes i lifche Zeitalter 1886, S. 531—558). Nur Holtzmann
et aux jeunes savants, a mes amis de la presse qui sont hat eingehender den eigentlich negativen Standpunkt
a la fois des hommes de talent et de savoir' (S. IX) an- vertreten (Einleitung in das Neue Teft. 2. Aufl. 1886,
vertraut, fo hätte er mit derfelben Gewiffenhaftigkeit, S. 438 — 488). Umfaffende Monographien von negativ-
mit der man bei der Herausgabe oder Ueberfetzung von kritifchem Standpunkte aus find auch früher nur in fpär-
anderen Schriftftellern Dunkelheiten und Unficherheiten licher Zahl erfchienen: feit Schölten (Das Evangelium
des Textes anzumerken pflegt, in feiner Ueberfetzung nach Johannes, deutfche Ueberf. 1867) nur das Buch
der biblifchen Schriften verfahren follen. In einer für von Thoma (Die Genefis des Johannes - Evangeliums
gottesdienftliche und Schulzwecke beftimmten Ueberfe- 1882), deffen bodenlofe Phantalien man gewifs noch
tzung wird man fich bei verderbten Stellen immer fo weniger als die oft auch fehr problematifchen Ausführgut
als möglich behelfen müffen; denn Lücken im Texte ungen von Schölten als das letzte Wort in unferer
zu laffen oder mehrfache Ueberfetzungen zu geben, kann grofsen Frage zu betrachten haben wird,
angefichts jener Zwecke nicht als flatthaft gelten. Aber Unter diefen Umftänden ifl der vorliegende Verbuch,

in einer lediglich der Wiffenfchaft dienenden Ueberfetzung den Standpunkt der Kritik durch eine alle wefentlichen
mufs über das, was mit Sicherheit oder Wahrfcheinlich- Seiten des Problems umfaffende Unterfuchung neu zu
keit übertragen werden kann, und über das, was wegen begründen, von vornherein willkommen zu hcifsen. Der
Verletzung des Textes unüberfetzbar ift, genau Rechen- Verfaffer, ein jüngerer Vetter des gleichnamigen Strafs-
fchaft gegeben werden. Ein Schwanken zwifchen beiden burger Theologen, bekundet in feinen Erörterungen nicht
Verfahrungsweifen fördert das Wiffen nicht in dem Mafse, nur völlige Vertrautheit mit dem Stoffe, fondern auch
als es möglich und wünfchenswerth ift. ein felbftändiges Urtheil. Er verzichtet darauf, fich mit

An Unrichtigkeiten erlaubeich mir zu bemerken: abweichenden Anflehten auseinander zu fetzen, und giebt
Sam. I. 9, 6 ,peut-etre nous marquera-t-il le chemin que I nur feine eigenen Beobachtungen; ja auch diefe in einer
nous devons prendre (hebr. ISSitt, Perf.). 10, 12 ,Quel est fo knappen Form, dafs dadurch, wie ich fürchte, die über-
S.on pere' (hebr. n?11S, auf die Nebiim, nicht auf Saul be- zeugende Kraft feiner Ausführungen Schaden gelitten
züglich). Kön. I. 18, 14 WttTl ,cequi causera ma morf hat. Gar manches würde mehr Eindruck machen, wenn
auf den Befehl Elia's, ftatt auf Ahab bezogen. Ri. 5, ; es weiter ausgeführt und ftärker betont worden wäre.
26 f. ift nach Ri. 4, 21 gedeutet und überfetzt worden; ! Der Verfaffer giebt eine Fülle guter Detailbeobachtungen.
L. hat den Unterfchied der Darfteilung des Liedes und J Wer fie zu würdigen weifs, wird aus dem Buche viel-
der profaifchen Erzählung c. 4 nicht bemerkt. Ri. 2, 7 I fache Belehrung fchöpfen. Auch verfügt er feinerfeits
ift 181 "TSH fälfehlich auf n5>n, ftatt auf a^:pm bezogen , über richtige Gefammtanfchauungen. Aber bei der Darworden
, ftellung des gefammten Bildes müfsten die Pinfelftriche

Die kurzen Anmerkungen unter dem Texte betreffen breiter und kräftiger geführt fein, um eine durchWort
- und Sinnerklärung, Antiquarifches und Kritifches. [ fchlagende Wirkung hervorzubringen. Das Buch wird
Auch die Verbindung doppelter Berichte über diefelbe I nur auf folche Eindruck machen, welche den guten
Sache wird hier und da angemerkt, Ri. 20, 36—48 als ! Willen haben, alles Einzelne auf fich wirken zu
,autre recit1 durch [ ] äufserlich kenntlich gemacht. An j laffen. Trotzdem möchte ich es gerade denen empfehlen,
anderen Stellen, bef. Sam. L 8—12, vermifst man eine | welche über die kritifchen Probleme fich orientiren wollen.

folche Bemerkung

Das ganze Werk ift auf 10 Bde. berechnet. Bd. 1—7
follen das A. T., Bd. 8 u. 9 das N. T., Bd. 10 eine etude

Denn ich wüfste kein anderes Buch zu nennen, welches
diefelben fo knapp und doch zugleich fo vollftändig dar-
ftellte, wie es hier gefchieht.

critique enthalten, die das Alter und die Entftehung der Aufser den kritifchen Unterfuchungen, welche den

biblifchen Schriften behandelt. Man wird daher erft aus [ Hauptbeftandtheil des Buches bilden (S. 1 —195), giebt

diefem Schlufsbande mit Sicherheit erkennen können, in , der Verfaffer noch eine kurze fortlaufende Erklärung,

welchem Grade der Verf. mit der Literatur über die | welche zur Ergänzung jener dienen foll (S.196—306). Ich

Bibel vertraut ift und fie beherrfcht. Ein Urtheil hierüber
ift deshalb jetzt noch nicht möglich. Allein dieler Vorbehalt
hindert uns ebenfo wenig wie die oben erhobenen
Ausheilungen, der Fortfetzung des Werkes mit Intereffe
entgegenzufehen und die deutfehen Bibelforfcher auf das-
felbe aufmerkfam zu machen. Die Verlagshandlung, die
nach dem Profpecte das ganze Unternehmen veranlafst
hat, hat für eine fchöne Ausftattung Sorge getragen.

Leipzig. H. Guthe.

Holtzmann, Oscar, Das Johannesevangelium unterfucht und
erklärt. Darmftadt, Waitz, 1887. (VII, 308 S. 8.)

M. 9.— I—8). In der Annahme literarilcher Berührungspunkte ift

kann nicht verhehlen, dafs mir diefe Erklärung doch zu
kurz und zu wenig auf das Detail eingehend zu fein fcheint.
Jedenfalls beruht der Werth des Buches auf den kritifchen
Unterfuchungen.

Sehr ausführlich wird das Verhältnifs zu den
fynoptilchen Evangelien unterfucht (S. 6—48), einer-
feits die Abhängigkeit von denfelben (S. 6—32), anderer-
feits die Abweichungen von ihnen (S. 32—48). Jene
zeigt fich deutlich in den Abfchnitten über Johannes den
Täufer (1, 19—34), die Tempelreinigung (2, 13—16), den
Hauptmann von Kapernaum (4, 47—54), das Speilungs-
wunder (6, 1—21), und namentlich in der Leidensge-
fchichte, z. B. in der Gefchichte von der Salbung (12,

In der Literatur der letzten Jahre über das Johannes- ! O. Holtzmann zurückhaltender als H. Holtzmann in feiner
Evangelium haben unleugbar die Beftrebungen die Ober- 1 diefem Gegcnftand gewidmeten Abhandlung (Zeitfchr. für
hand, welche der Vertheidigung feines apoftolifchen Ur- ; wiffenfeh. Theolog. 1869). Ich würde in diefer Zurück-
fprungs gewidmet find. Für denfelben find eingetreten: j haltung noch einen Schritt weiter gehen. Aber es handelt
Schanz (Commentar über das Evangelium des heiligen j fich dabei nur um untergeordnete Punkte. In den Haupt-
Johannes, 1885), Franke (Das alte Teftament bei Jo- fachen ift die Beweisführung des Verfaffers durchaus
hannes, 1885), Beyfchlag (Das Leben Jefu I, 1885, S. ! überzeugend. Wer für derartige Dinge überhaupt Sinn
HO—131), Weifs (Einleitung in das Neue Teftament j und Verftändnifs hat, wird anerkennen müffen, dafs der

1886, S. 586—620, und 7. Auflage des Meyer'fchen
Commentares); für theilweife Echtheit: Wen dt (Die
Lehre Jefu, L Thl., die Quellen, 1886, S. 215—342).
In geiftvoller Art hat Weizfäcker zu zeigen ge-
fucht, dafs dem Evangelium, das freilich entfehieden j

vierte Evangelift nicht nur fachlich fich mit den Synoptikern
berührt, fondern im Ausdruck von ihnen ftark be-
einflufst ift. — Nicht ebenfo gelungen fcheint mir die
Darftellung der Abweichungen von den Synoptikern.
Es werden zwar mit grofsem Fleifse die Einzelheiten

nachapoftolifch fei, doch wenigftens ein breiter Strom I regiftrirt, aber eine der wichtigften Differenzen kaum be-