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Ausgabe:

1887

Spalte:

299-301

Autor/Hrsg.:

Egli, Emil

Titel/Untertitel:

Altchristliche Studien. Martyrien und Martyrologien ältester Zeit 1887

Rezensent:

Harnack, Adolf

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wie bei Paulus. — In einem 4. Abfchnitte (S. 141 —149)
fafst der Verf. das Refultat feiner Unterfuchungen zu-
fammen und fchliefst mit einer Vergleichung zwifchen
Paulus und Jefus. Paulus hat die chriftliche Theologie
gefchaffen und vor Allem die katholifche. Welche Kirche,
die proteftantifche oder die katholifche, fich mit gröfserem
Recht auf den Apoftel als ihren Vater beruft, will C.
dahin gehellt fein laffen. Was Paulus für die Herrfchaft
des Geiftes über den Buchftaben gewirkt hat, ift in letzter
Pinie doch nur feinem Meifter als Verdienft anzurechnen.
— Der deutfche Lefer wird aus dem vorliegenden Buche
nicht gerade viel Neues erfahren, dagegen recht ermüdet
werden durch die das Ganze durchziehende Vergleichung
zwifchen der Lehre des Paulus und der der katholifchen
Kirche, welche bei dem häufig recht flach rationaliftifchen
und zudem den Nichttheologen vielfach verrathenden
Standpunkte von C. befonders überflüffig erfcheinen mufs.

Halle a./S. Ed. Gräfe.

Egli, Pfr. Privatdoc. Lic. Emil, Altchristliche Studien. Martyrien
und Martyrologien ältefter Zeit. Mit Textausgaben
im Anhang. Zürich, Schulthefs, 1887. (III,
112 S. gr. 8.) M. 2. 40.

Diefe Publication zerfällt in zwei Theile. Die erfte
Abtheilung handelt von einem alten fyrifchen Martyro-
logium (S. 1—58, vgl. den Anhang S. 103 — in), die
zweite von urchriftlichen Märtyrern (S. 39—99). Ad II)
Der Verf. liefert erftens eine Kritik des fmyrnäifchen Berichtes
über den Tod des Polykarpus. Angeblich foll erft
Le Blants' fchöne Arbeit {Les Actes des martyrs 1882), 1
in welcher ,die exacte Forfchung der Neuzeit zum erften
Mal auf die Kritik der Heiligenacten angewendet ift-', ein
zuverläffiges Urtheil über die wefentliche Echtheit jenes
Berichtes ermöglichen. Allein der Nachweis, dafs der
Bericht die Formen des Procefsverfahrens richtig wie-
dergiebt, würde nur dann etwas verfchlagen, wenn es
unmöglich wäre, dafs auch ein Späterer diefe Formen j
refpectirt hätte. Da dies nicht der Fall ift, fo entfcheidct
jener Nachweis nicht. Der fmyrnäifche Brief, der gewifs 1
glaubwürdig ift und von Zeitgenoffen flammt, kann auf
diefem Wege fchwerlich vertheidigt werden, bedarf
Übrigens auch einer Vertheidigung gegenüber den verfehlten
Angriffen Keim's nicht. Aber auch die Annahme
eines ,Bearbeiters', ohne die Egli nicht auszukommen
meint, fchcint mir überflüffig, gänzlich uner- j
weislich die Hypothefe, diefer Bearbeiter habe nicht nur '
das Martyrium Jefu, fondern auch den ,Leidensweg Pauli'
bei feinen Zufätzen vor Augen gehabt. Zweitens handelt
der Verf. von den Acta lgnatii. Auch hier fcheint er
fich anfangs durch die exacte Forfchung der Neuzeit
frören laffen zu wollen: ,Immerhin könnte man annehmen,
die Erzählung über Ignatius fei doch mehr oder weniger
auf Grund wirklicher Acten abgefafst. Dafür fcheinen
drei Momente zu fprechen: einmal das Einhalten des für
die guten Acten fo charakteriftifchen dixit, dixit . . . .;
dann der Anfang des Verhörs mit der Frage, die immer
zuerft gejftellt wird, nach dem Namen: zig MJ — und
endlich der Dank des Ignatius nach gefprochenem Urtheil
: tvyccQiOTtö 001, dtanoza, womit man das bei afri-
kanifchen Martyrien oft verlautende ,Dco gratias' zu-
fammenhalten kann'. Da eröffnete fich wirklich eine herrliche
Perfpective auf die Echtheit von ein paar hundert
Martyrien, wenn z. B. das ,dixit, dixit' entfchiede! Zum
Glück fleht der Verf. hier felbft ein, dafs es fo nicht
geht. ,Der Typus wird blofse Schablone'. Damit ift
freilich Alles gefagt. Das Kriterium, mit Sicherheit aus
der Form auf die Urkundlichkeit zu fchliefsen, ift alfo
unbrauchbar. Was fonft über die Acten bemerkt wird,
ift theils nicht neu — dafs fie nämlich nichts von Belang
enthalten —, theils undiscutirbar. ,Nach meinem
Gefühl', fagt der Verf., ,wird Volkmar Recht behal- i

! ten', dafs der Transport des Ignatius von Syrien nach
Rom in der Luft fchwebt. Wider ein folches Gefühl
vermögen die von Zahn, Lightfoot u. A. beigebrachten
Gründe freilich nichts. Ueber den Todestag des
i Ignatius fchwankt der Verf. (17. üct.; 20. Decemb., fo
j Volkmar). Es kann fich hier nur um das relative Alter
der Traditionen handeln; die Volkmar'fche Combina-
tion aber des Martyriums mit dem antiochenifchen Erdbeben
fchwebt wirklich in der Luft. Drittens befpricht
Egli die Martyrien der Mütter mit den neben Söhnen
(Symphorofa unter Hadiran, Felicitas unter Antoninus).
Gegen Le Blant's ftumpfe Kritik der Felicitas-Legende
hatte hier der Verf. leichtes Spiel. Die Bedenken liegen
auf der Hand und find von Aube — freilich fehr zaghaft
— aufgenommen worden. Aber auch Egli führt
die Kritik nicht zu Ende und vermifcht fie mit einem
Einfall: ,Felicitas ift die alte Märtyrerkirche; fie, die
Kirche, ift die Wittwe, welche ihre Reinheit Gott gelobt
. . . ,Felicitas' ift eine Bezeichnung, wie etwa die
Namen Euodia und Syntyche im Philipperbrief, die nicht
Individuen, fondern grofse Richtungen innerhalb der
Kirche bezeichnen; eine Geftalt, wie fie ein Apokryphum
in Judith, das Lucasevangelium in Symeon und Hanna,
die alte Kirche auch noch in Maria gezeichnet hat'.
Wer es nicht weifs, wird hier vom Verf. wieder auf
Volk mar's Arbeiten verwiefen. Aehnlich foll es fich
mit den Acten der Symphorofa verhalten. ,Ihre Söhne,
auch fieben an der Zahl, mögen fieben wirkliche Märtyrer
gewefen fein'. Diefe abftracte Möglichkeit wird Niemand
leugnen, aber damit ift nichts gefagt. Lefen wir aber
wenige Zeilen weiter, wieder unter Verweifung auf Volkmar
, dafs das Chriftenthum von Haus aus poetifch
ift, fo vermiffen wir bei diefem Satze jede nähere Erklärung
über den Sinn des hier gebrauchten Wortes
,Chriftenthum', der Zeitbeftimmung ,von Haus aus', und
des Begriffes ,poetifch'. So lange diefe fehlt, ift jener
Satz eine Phrafe und noch dazu eine falfche.

Läfst fich mithin an diefer zweiten Abtheilung wenig
mehr rühmen als die erfreuliche Abficht des Verf., fich
mit den fchwer vernachläffigten altchriftlichen Martyrien
zu befchäftigen, fo können wir Befferes von der erften
Abtheilung fagen. Wright hat im Journ. of Sacred
Literature Oct. 65 u. Jan. 66 aus einem nitrifchen Ms. ein
fyrifches Martyrologium (fyrifch und englifch, ohne Anmerkungen
) cdirt, welches i. J. 412 gefchrieben ift. Es
bedarf keiner Worte, um die Bedeutung diefes Martyro-
logiums — fo alt und fo ficher datirt — hervorzuheben.
Die Bollandiften, wie Egli bemerkt, haben es bereits
(üctob. T. XII p. 185) als den Schlüffel zur Löfung
der martyrologifchen Probleme bezeichnet, mit deffen
Hülfe fich faft alle Geheimniffe des hieronymianifchen
Martyrologiums werden auffchliefsen laffen. Victor de
Buck hat demgemäfs im Supplementband zu den Acta
(Octob.) eine Skizze des Stammbaums der Martyrologien
gegeben. Doch hat fich bisher Niemand eingehender
mit dem fyrifchen Martyrologium befchäftigt. Entgangen
ift Egli, dafs Bickell in der Tüb. Thcol. Quartalfchr.
1866 S. 466—468 eine Notiz gebracht und dafs Nil les
{Calendar. Manuale I. Bd. 1879 p. XXX) auf den Kalender
verwiefen hat. Egli hat nun erftens denfelben deutfeh
überfetzt und mit einem Commentar verfehen (S. 5—29),
fodann (S. 29—58) ihn gefchichtlich beleuchtet. Die
Stärke des Commentars befteht in der Vergleichung der
übrigen alten Kalender, von denen die älteften im Anhang
abgedruckt find. Die kritifche Bearbeitung ift
dankenswerth. Der Verf. zeigt, dafs der Feftkalender,
der aus Chryfoftomus' Werken erfchloffen werden kann,
mit dem v. J. 412 genau ftimmt, dafs derfelbe aus mehreren
griechifchen Quellen (f. die Doubletten) compilirt
ift, und zwar aus einer älteren Quelle, den Feftkalendern
der drei Metropolen Nikomedien, Alexandrien und Antiochien
, fowie einigen anderen, endlich dafs diefe Quellen
zugleich auch die Quellen des Martyrol. Hieron. find,