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Ausgabe:

1887 Nr. 13

Spalte:

296-299

Autor/Hrsg.:

Courdaveaux, V.

Titel/Untertitel:

Saint Paul d‘après la libre critique en France 1887

Rezensent:

Grafe, Eduard

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295 Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 13. 296

gegen die Herausftellung der Erkenntnifse und des Glaubens
, die ihn vor dem Untergehen in Verneinung und
Uebermuth bewahrt haben (S. XII). Freilich wird diefe
Auffaffung wie die meiften anderen der thatfächlich eintretenden
Verfündigung Hiob's nicht gerecht. Unter 3)
behandelt er zuerft die Frage, ob Gefchichte oder Dichtung
, und findet zwifchen den widerfprechenden Aus-
fprüchen des Talmud undderRabbinendenMittelweg, dafs
Subftanz und Grundlage (befonders die benannten Perfo-
ncn und Orte, wie die Schickfalsfchläge) Gefchichte feien,
die Ausführung aber dem Dichter gehöre, der lieber
Vorgefundenes mit dem Golde feiner Dichtung hätte
fchmücken wollen, als Neues fchaffen (S. XV). Diefe an
fich gewifs richtige, wenn auch auf zum Theil wenig
ftichhaltige Gründe geftützte Entfcheidung wird dann bei
der zweiten Frage unter 3), der nach der Gattung der
Dichtung, verwerthet. Wie den Meiften ift auch ihm das
Buch ein Drama, die dramatifche Form gewählt, um den
Lefer tiefer in den Hergang zu verwickeln und feinen
Herzensantheil an den handelnden Perfonen zu erwecken,
während zugleich der Prolog beftimmt ift, ihn über den
Grund der Sache zu beruhigen und vor gleichem Urtheil
wie das der PTeunde zu bewahren. Dafs alle eigentliche
Handlung in dem Buche epifch verläuft, wird dabei
nicht beachtet, vielmehr die Folgerung gezogen, dafs die
dramatifche Dichtung bei den Hebräern fehr entwickelt
gewefen und viele Erzeugnifse müffe gefchaffen haben,
ehe fo Vollendetes entftand; auch diefer Stoff müffe
viele Bearbeitungen erlebt haben, ehe der letzte Dichter
daran ging; ob auch dramatifche, wird nicht deutlich.
Von allen Dramen fei nur dies einzige, feines Inhalts
wegen unter die heiligen Bücher aufgenommen, erhalten
geblieben (S. XV—XVII). Mit diefen Annahmen gelingt
es ihm denn auch, unter 4) die weit auseinander klaffenden
Urtheile des Talmud und der Rabbinen über das
Zeitalter des Buches zu verföhnen, nachdem er zuerft
feftgeftellt, dafs fie als blofs beiläufig und populärer Weife
gefällt näherer Unterfuchung nicht bedürften (S. XVII f.).
Die, zum Theil gut entwickelten, Gründe für fpäte Ab-
faffung überwiegen ihm bei weitem; aber ihm ift es möglich
, die erfte Bearbeitung des Stoffes nach der bekann-

meinem Tode', dagegen ilOütt als ,bei Leibesleben' gedeutet
wird. In den Excurfen findet fich manches Schöne,
fo in dem zu Hiob's Schlufsrede und zu den Reden Elihu's.
Ins einzelne zu gehen verbietet der Raum.

Das Buch fchliefst (S. 497 f.) mit einer dankenden
Aufzählung der benutzten Hülfsmittel; an Commentaren
von Nichtisraeliten werden genannt die von Delitzfch,
Ewald, Hitzig, Schlottmann, Dillmann, was gewifs aller
Achtung werth ift. Den auf alle Vorgänger bezüglichen
Paffus vor dem Schlufsgedichtchen — in welchem der
Verf. fich im Zwiegefpräch mit dem Dichter die Frage
nach deffen Namen durch Rieht. 13, 18 beantworten läfst
— fetze ich ganz hierher, als bezeichnend für das Selbft-
gefühl Szold's, mit dem man es wohl nicht zu ftreng
nehmen mufs, und intereffant durch das darin enthaltene
Verfprechen. ,Aber der aufmerkfame Lefer wird merken,
dafs ihre Wege nicht die meinen find, fondern dafs ich
mir einen neuen Weg zum Verftändnifs unferer heiligen
Bücher gebahnt habe, die von Jugend auf täglich meine
Wonne waren. Gar fehr habe ich mich bemüht, fo lange
ich bin, ihre Worte bis auf den Grund zu erforfchen,
um zu verftehen und zu unterweifen und zu lernen und
zu lehren. Und die Auslegung diefes Buches ift die Frft-
lingsfrucht meiner Arbeit, welche ich heute den Buch-
und Sprachliebhabern vorlege. Wenn diefe meine Auslegung
bei ihren Lefern Anklang findet und fie darin
den Sinn des Buches in jedem feiner Sätze und Worte
fchmecken (fibttl Vfüüea bro -ßon öyu 12 läJW), fo
wird mich das anfpornen, auch die übrigen Auslegungen,
die unter meinen Manufcripten find, ans Licht zu bringen.
Gott walte meiner und führe mich in fein Licht und feine
Wahrheit!'

Die Sprache des Buches ift gut und fliefsend. Den
nichtisraelitifchen Lefer wird die inconfequente Anwendung
der Vokalbuchftaben hier wie in diefer ganzen Literatur
vielfach ftofsen, z. Beifpiel S. IX, Abf. 3 smio für
Ü20, 2pi» fürc -ipy, dagegen H2D S. 95, Z. 6 von unten,
eb'enfo die Pi'el-' und Niph'al-Formen rib^S S. XI, Z. n,
WJ S. XIII, vorletzte Zeile, iiDfiii S. XI, Z. 6, auch mi«
für rnit S. X, Z. 6; und andererfeits -ISO doch wohl für
"PtO S. X, Z. 1. Bei der feltenen und unnöthigen Voka-

ten Barajtha im Tractat Baba Bathra Mofe zuzufchreiben lifirung einzelner Worte entftehen mehrfach häfsliche
und doch das vorliegende Buch zum fpäteften aller alt- Wortbilder durch das regelmäfsige Fehlen des Dag. forte,
teftamentlichen zu machen (vgl. S. XX Abf. 4 mit XIX wie 3>TP S. XII, Z. II v. u.; daneben ift Z. 17 v. u. "|01S
Abf. 3 von unten). Das letztere verträgt fich freilich doch wohl auch im Neuhebräifchen unerlaubt. Incorrect
wieder fchlecht mit dem Anfatz gegen das Ende des S. XX, Z. 15 D'1T' lÖlFT; doch ift mir dergleichen feiten

babylonifchen Exils, doch fcheinen dem Verf. auch Deu-
tero-Jefaja und Maleachi Zeitgenoffen zu fein (S. XX Abf.2,
3, XXI Abf. 1). Der Letztere ift ihm mit Wahrfcheinlich-
keit der Verf. des vorliegenden Buches, auf Grund einer
überlieferten (S. XVIII, Abf. 5 v. u.) feltfamen Deutung
der Stelle Mal. 3, 16 auf unfer Buch! Unter 5) werden
die noch übrigen Fragen auf DL Seiten kurz erledigt,
die Zweifel an der Authentie aufgezählt und kurz feftgeftellt
, dafs das Buch in allen feinen Theilen echt, vollständig
, im Texte unverfehrt, gut hebräifch und nicht
erft aus einer anderen Sprache überfetzt fei.

Der Commentar, zu dem die felbftbewufste Anführung
von c. 37, 21 f. überleitet, ift, wie fich bei der doch
nur halbrichtigen Vorausfetzung, für gleichfprachige Leier
zu erklären, leicht begreifen läfst, weit vorwiegend Para-
phrafe, und zwar in fehr weitfehichtiger Anlage. Jedem
Abfchnitt geht eine längere Auseinanderfetzung über Inhalt
und Art voraus; auf den Abdruck eines kleinen
Textabfatzes folgt dann eine neue Paraphrafe des Gedankeninhaltes
desfelben, darauf der Commentar, oft erft
der Worte, dann der Sätze, wieder wefentlich Paraphrafe,
und endlich, wo es nothwendig erfcheint, Excurfe. Grofse
Sorgfalt und ernftes Bemühen, dem Dichter gerecht zu
werden, ift in den oben bezeichneten Grenzen nirgend
zu verkennen, wenn auch die Einzelexegefe oft fonder-
bar anmuthet, man vergleiche als ein Beifpiel für alle
19, 26, wo nxt auf v. 25 bezogen, 1T1S in» als ,nach

aufgefallen.

Der Druck ift im Allgemeinen fehr gut; von unfreiwilligen
Dagefch-Punkten und Wortligaturen abgefehen
merke ich an: S. XIII, Z. 7, lies "n nbißn ÜpTtTl, ftatt
TI biBrt pTHl, zwei Beifpiele hinter einander für den Ausfall
des Schlufsbuchftaben vor dem gleichen Anfangs-
buchftaben, S. XX, Z. 15 lies Difibtf ftatt inb», S. 366,
Abf. 6, Z. 1 lies -|»i ftatt »

Mufterhafte Ausftattung dient dem Buche zur Zierde;
die beiden bunten Illuftrationen zu c. 25 und 26 wird
man entweder dem amerikanifchen Gefchmack zu gute
halten müffen oder dem Wunfche des Druckers, fich auch
als Lithograph zu empfehlen (vgl. die Rückfeite des zweiten
Titels).

Einer Rüge bedürftig erfcheint mir die Herausgabe
hebräifcher Bücher unter deutfehem Titel. Wer das Buch
lefen kann, bedarf deffen nicht; wer es nicht kann, wird
dadurch höchftens verleitet, ein Buch zu kaufen, das ihm
zu nichts nütze ift. Dem rein bibliographifchen Intereffe
liefse fich auf andere Weife genügen.

Bonn. K. Budde.

Courdaveaux, Prof. V., Saint Paul d'apres la libre critique
en France. Paris, Librairie Fischbacher, 1886. (VIII, 149
S. 8.) Fr. 2.

Der Verfaffer will für folche Lefer fchreiben, welche
nicht in der Lage find, hiftorifche Erörterungen bis in