Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1887

Spalte:

284-285

Autor/Hrsg.:

Cesare, R. de

Titel/Untertitel:

Il Conclave di Leone XIII. (Con Documenti.) 1887

Rezensent:

Harnack, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

284

geweiht, war 1829 — 35 Caplan in Heerlen, 1S35—39
Pfarrer in Gemmenich in der Diöcefe Lüttich, wenige
-Stunden von Aachen entfernt, wurde 17. Sept. 1839 auf j
den Vorfchlag des Brüffeler Nuntius Fornari zum apofto-
lifchen Vicar für Norddeutfchland und Dänemark mit
dem Sitze in Hamburg und Titularbifchof von Chcrfones
ernannt und 27. Dec. zu Lüttich confecirt. Da das apo-
ftolifche Vicariat in Hamburg wegen des Widerfpruchs
der betreffenden Regierungen nicht zu Stande kam, I
wurde Laurent 1841 zum apoftolifchen Vicar in Luxemburg
ernannt, mufste aber 1848 auch auf diefe Stellung
verzichten und lebte dann ohne Amt in Aachen; er ftarb
erft 20. April 1884 zu Simpelfeld bei Aachen (auf hol- i
ländifchem Gebiete), wohin er den Franciscanerinnen, 1
als fie ihr Mutterhaus dorthin verlegten, gefolgt war.

Die vorliegende Biographie wird mit Recht als ,ein
Beitrag zur Kirchengefchichte des 19. Jahrhunderts' be- !
zeichnet. Sie enthält neben vielem, was nur für Laurent's j
Freunde und Gefinnungsgenoffen Bedeutung hat, auch I
vieles, was weitere Kreife intereffiren wird. Dazu gehören
die Mittheilungen über die durch die Wegführung
des Erzbifchofs Clemens Auguft v. Drofte von Köln
hervorgerufene Bewegung, bei welcher Laurent in der
Stille eine groise Rolle fpielte, namentlich, in der Nähe
von Aachen, aber auf belgifchem Gebiete wohnend, die
Correfpondenz zwifchen Binterim und anderen Anhängern
des Erzbifchofs und dem Brüffeler Nuncius und Rom vermittelte
. Aus einer Denkfchrift über die Zuftände in
der kölnifchen Diöcefe, welche Laurent 1840 im Auftrage
Gregor's XVI. verfafste, werden S. 388—414 Aus- I
züge mitgetheilt. Ebenfo intereffant find die Mitthei- !
lungen über die beabfichtigte Errichtung des apoftolifchen t
Vicariates in Hamburg. Der zweite Band wird voraus-
fichtlich noch mehr beachtenswerthe Beiträge zur Kirchengefchichte
des 19. Jahrhunderts bringen.

Laurent war von Jugend an ein Infallibilift und Ultramontaner
vom reinften Waffer. Charakteriftifch für
ihn ift namentlich ein S. 547—575 abgedruckter Brief an !
J. v. Görres, worin er diefem Vorftellungen über einige
Partien feines ,Athanafius' macht (auch einige Stellen ,
in Möhler's Symbolik und Auffätze der Hiftorifch-poli-
tifchen Blätter waren ihm nicht katholifch genug). Selbft
der Biograph findet in dem Briefe an Görres einen ,An-
Aug von Hyperkatholicismus, der dem unfehlbaren De- !
finitor in Sachen des Glaubens und der Sitten auch eine
Art von adminiftrativer Unfehlbarkeit noch dazu geben !
möchte' (S. 365). Die Gefchichte machte Laurent an
diefer Anfchauung nicht irre: ,Die einzelnen Thatfachen
der Gefchichte, fagt er (S. 562), immer nur fehr unvoll-
ftändig gekannt, können insbefondere über organifche 1
Zuftände der Gefellfchaft das Urtheil ebenfo oft ver- |
wirren als aufklären. Klarer ift das Gebiet der Principien I
und entfeheidend: was nicht fein kann, das ift auch nicht '
gewefen', — alfo die Päpfte haben nicht geirrt, weil ]
ein Papft nicht irren kann. Viel fchärfer als mit den J
nicht infallibiliftifchen Anflehten von Görres geht aber
Laurent mit den Aeufserungen ins Gericht, in welchen !
derfelbe von einem gemeinfamen chriftlichen Grunde der |
getrennten Confeffionen fpricht. ,Die katholifche Kirche,
hält er ihm vor, hat fich allezeit als die alleinige In- |
haberin der chriftlichen Religion angefehen. Nirgendwo j
ift Chriftus zu finden als in ihr. Aufser der Kirche kein 1
Chriftenthum mehr in keinerlei Form. Alles, was aufser
ihr noch Chriftenthum fcheint, fcheint auch eben nur
fo' (S. 552), ,wie es denn auch in rein katholifchen j
Ländern nicht Sprachgebrauch des Volkes wie überhaupt J
nicht der Kirche ift, die Proteftanten Chriften zu nennen
und es dort nie heilst: die Katholifchen und die Evange-
lifchen, fondern: die Chriften und die Proteftanten'(S. 554).
,Der eigentliche Urfprung aller Ketzerei ift und bleibt I
lediglich der Teufel. Alle Härefiarchen, und wohl keiner
fo unverkennbar wie Luther, haben diefen diabolifchen 1
Charakter an fich getragen' (S. 558). Bei diefen An- 1

fchauungen kann es nicht verwundern, dafs Laurent von
der Inquifition fagt: ,Wenige Inftitute waren notwendiger
und fegensreicher für die Menfchheit als diefe'
(S. 236).

Dafs Laurent folche Anflehten hatte, wird man
hoffentlich in Rom nicht gewufst haben, als man ihn
zum apoftolifchen Vicar für Norddeutfchland und Dänemark
ernannte. Ob es auch feinen PYeunden in Aachen
unbekannt waren, als fie ihn 1862 als päpftlichen Kanzler
der projectirten katholifchen Univerfität in Ausficht
nahmen (S. XVIII)?

Bonn. F. 11. Reufch.

Cesare, R. de (Simmaco), II Conclave di Leone XIII. (Con
Documenti.) Cittä di Castello, S. Lapi, 1887. (430
S. 8.)

Das vorliegende Buch hat in Italien nicht nur Sen-
fation gemacht, fondern ift auch als die zuverläffige Dar-
ftcllung eines mit dem Gang der Ereignifse wohlvertrauten
Mannes allgemein anerkannt worden. Der Kern des-
felben ift der zweite Theil ,// Diario del Conclave1, das
Tagebuch eines offenbar zum Conclave gehörigen Mannes,
welches vom Todestage Pius' IX. beginnend (7. P"ebr.
1878) einen Monat umfafst. Diefem Tagebuch hat der
Herausgeber einen zufammenhängend referirenden und
betrachtenden Theil ,// Conclave e' il mtovo papa' voraus-
gefchickt, deffen Hauptgedanken der Nachweis bildet,
dafs die Freiheit und Würde des Conclave in dem von
der italienifch.cn Regierung befetzten und beherrfchten
Rom beffer behauptet und bethätigt worden als in früheren
Zeiten, und dafs die Wahl Leo's XIII. relativ wenig durch
äufsere Motive beeinflufst fei. Eine befondere Anerkennung
zollt der Verfaffer dabei dem damaligen und jetzigen
italienifchen Minifter des Innern, Crispi, der die neue und
heikle Situation tactvoll zu behandeln verftanden habe.
Eine Reihe intereffanter Cardinalporträts wird entworfen,
vor Allem das des Cardinal Bartolini, des ,Grofswählers'
Leo XIII., der Cardinäle Franchi, Hohenlohe u. A. Im
Ganzen tritt der grofse Mangel fähiger Perfönlichkeiten
im h. Collegium grell an's Licht. Um fo gewichtiger
erfcheint die Geftalt Pecci's, deffen Vorleben in Perugia,
deffen jahrzehntelange kluge Zurückhaltung gegenüber
den abnormen kirchenpolitifchen Verhältnifsen Italiens
ausführlich dargeftellt wird. Wo der Verfaffer dabei die
fpätere päpftliche Politik Leo's ftreift, erweift er fich als
gröfserer Freund guter Beziehungen zu Deutichland als
zu Frankreich»; die weitgehende Toleranz des Papftes
gegenüber der Republik erfcheint ihm bedenklich. —

Das eigentliche Diarium bringt darauf in memoirenartiger
Weife ein Gemifch theils der wichtigften pofitiven
Nachrichten (Stimmenverhältnifs in allen drei Votationen),
theils minutiöfer Ceremonienbefchreibungen, theils eine
Darftellung des Parteitreibens bis zum Reifen der Ent-
fcheidung, theils Erzählung harmlofcr, aber charakteri-
ftifchcr Anekdoten. Im Ganzen ftellt der Verlauf der
Sache fich fo dar, dafs in Erkenntnifs der durch die
ftarre Principienpolitik Pius' IX. herbeigeführten ifolirten
Lage der Kirche eine kleine, aber energifche Partei von
Anfang an für die Wahl Pecci's als eines .diploma-
tifchen' Papftes wirkte; an der Spitze diefer Partei ftand
Bartolini, und ihr fielen die nichtitalienifchen Cardinäle
meiftens zu. Die Maffe der Italiener dagegen, zwar Pecci
perfönlich feindlich gefinnt und wohl auch fachlich durch
ihre Ergebenheit gegen den verdorbenen Papft in andere
Bahnen gewiefen, gelangte trotzdem von Anfang an nicht
zu einheitlicher Parteibildung und feftem Verfahren. Sie
zerfplitterte ihre Stimmen auf den intranfigenten, aber
ehrlichen Bilio. den Jefuiten Simeoni, den ganz und gar
unpolitifchen Asketen Martineiii (den .zweiten Cöleftin V.')
und ging von Abftimmung zu Abftimmung mehr und
mehr zu Pecci über. Auch deffen Auftreten, da er als
Camerlengo während des Interregnums die Gefchäfts-