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Ausgabe:

1887

Spalte:

282-284

Autor/Hrsg.:

Möller, Karl

Titel/Untertitel:

Leben und Briefe von Johannes Theodor Laurent, Titularbischof von Chersones, Apostolischer Vikar von Hamburg und Luxemburg. Als Beitrag zur Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts zusammengestellt

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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28! Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 12. 282

Reife und Befonnenheit nicht abfprechen. Es find wirk-
Iklie Beiträge zur Erklärung des Korans, die er geliefert
hat- fie dürfen von Niemand ungelefen bleiben, der fich
mit'dem vielfach fo unklaren .Klaren Buche'befchäftigt,
und würden zweifellos noch weit lieber gelefen werden,
wenn nicht Darfteilung und Ausdruck das Verftändnifs
gelegentlich erfchwerten. Das gilt zunächlt fchon für die
Üeberfetzungen aus dem Koran, in denen trotz der un-
beltreitbaren Sachkenntnifs des Verf.'s manche Unebenheiten
und gelegentlich gar Eehler decken. So ift z. B.
S. 26 die Wiedergabe von 2, 77—79 wenig gelungen: es
mufs da heifsen: (77) ,Und als wir annahmen (d. h. uns
gefallen liefsen) . . . dann kehrtet ihr den Rücken bis auf
wenige, indem ihr euch abwandtet'; (78) ,Und als wir
annahmen . . . darauf habt ihr es anerkannt durch euer
eigenes Zeugnifs'; (79) Dann aber tödtetet ihr, ebendie
die ihr es anerkannt hattet|, Euch gegcnfeitig und vertriebt
. . . aus euren Wohnungen, indem ihr euch gegen
fie alliirtet in Sünde und Feindfeligkeit und [lediglich] wenn
ihr Gefangene bekamt, fie loskauftet — während doch'
u. f. w. Aehnlich mifsglückt find die Üeberfetzungen
S. 31 unten bis 32 oben, 34 Mitte u. a.; doch will ich
nicht verfäumen hinzufügen, dafs es immer nur kleinere
Verfehen find, die unterlaufen. Aber auch die Schreibart
des Verf.'s felbft ift nicht überall angenehm. Man
kann der fchärffte Gegner des Antifemitismus fein und
doch wünfehen, feinen jüdifchen Mitbürgern zu Gemüthe
zu führen, dafs fie, fordern fie ähnliche Gleichftellung mit
uns Anderen, wie fie die franzöfifchen Juden neben den
übrigen Franzofen geniefsen, fich ebenfo in allen Beziehungen
germanifiren müffen, wie ihre franzöfifchen
Glaubensgenoffen franzöfirt find. Das gilt insbefondere
auch auf dem literarifchen Gebiete; wer in deutfeher
Sprache, fei er Jude oder Chrift, fchriftftellern will, foll,
wenn kein gewandtes, doch ein reines und verftändliches
Deutfch fchreiben. Nun will ich zugeben, dafs Hirfch-
feld's Stil (felbft wenn wir von den befonderen Species
des Auftriaco- und des Polono-Judaismus abfehen), lange
nicht der fchlimmfte ift; und doch, was für eine Redeweife
, wenn es z. B. S. 91 heifst: .Durch das inhaltliche
Uebergewicht der erfteren scil. der mekkanifchen Suren
den medinifchen gegenüber1 wird die Frage nach dem
Lehrer conftant". Die nicht feiten eintretende Nothwendigkeit
, an folchen Stellen erft beim Lefen innezuhalten
und fich des Sinnes derfelben zu vergewiffem, ehe man
weiter geht, mindert den erfreulichen Flindruck des fonft
durchaus tüchtigen Werkchens; möge es Herrn HiHehfeld
, von deffen Studien wir auch ferner Gutes erwarten
dürfen, das nächfte Mal gelingen, den Ergebnifsen feiner
Arbeit eine ihrem Werthe voll entfprechende äufsere
Form zu fchaffen.

Königsberg. A. Müller.

Lorenz, Diac. Lehr. Dr. Ottomar. Heinrich von Melk, der

Juvenal der Ritterzeit. Halle, Niemeyer, 1886. 78 S.
gr. 8.) M. 2. —
Die Frage nach Zeit, Ort, Stand und Herkunft des
Verfaffers mehrerer deutfeher Gedichte, befonders des
für die Sittengefchichte der geiftlichen Kreife Deutfchlands
wichtigen .Pfaffenlebens' ift in letzter Zeit unter Ger-
maniften mehrfach behandelt worden. Nachdem Heinzel
in theilweifer Uebereinftimmung mit feinen Vorgängern
in dem Dichter, der fich felbft Heinrich nennt und einen
Abt Ehrenfried dem Frieden Gottes befiehlt, einen Laienbruder
ritterlicher Herkunft im öfterreichifchen Bene-
diktinerklofter Mölk erkannt hatte, der um 1159—1163
wo ein Abt jenes Namens in Mölk nachweisbar ift)
gefchrieben habe, hatte man fich bei diefer Annahme
faft allgemein beruhigt. Dagegen erhob dann aber
W. Wilmanns Protefl, verfetzte Heinrich ins 14. Jahrh.
und nach Ungarn, drückte ihn zum blofsen Ueberarbeiter
herab, liefs ihn unter fectirerifchen Einflüffen ftehen und

machte ihn zum Laienbruder irgend einer Genoffenfchaft
mit Grundfätzen, die den Franziskanern verwandt waren.

Diefe Abhandlung, über deren germaniftifche Seite
ich natürlich nicht urtheilen kann, war, wie ich beiläufig
bemerke, von der kirchengefchichtlichen Seite angefehen
recht laienhaft. Sie arbeitete mit ganz allgemeinen und
nebelhaften Vorftellungen, z. B. über die ketzerifchen
Kreife und Ideen des 14. Jahrh., wie fie fonft nur etwa
bei Keller noch vertreten find. Dahin gehörte auch, was
über die Frage der Zugehörigkeit Heinrich's zu einem
Orden gefagt wird: die Worte ,nihu>s gcloubcn gelubdk,
die W. ohne Zweifel richtig mit votum religionis wieder-
giebt, kennzeichnen Heinrich als Mitglied eines Ordens,
und wenn er fich dann doch wieder als Laien bezeichnet
und von den Pfaffen und Mönchen unterfcheidet, fo
bleibt — die Einheitlichkeit des Gedichts vorausgefetzt
— wohl nur der Schlufs übrig, dafs er als Laienbruder
einem der älteren Orden angehört habe. Diefen Schlufs
hatte W. theilweife auch anerkannt, hatte aber — wegen
angeblicher, aber gänzlich nichtsfagender Verwandtfchaft
der Dichtung mit den Ideen des Franziskanerordens — die
Zugehörigkeit H.'s nicht gerade zu den Tertiariern diefes
Ordens, wohl aber zu einer verwandten Genoffenfchaft
ausgefprochen. Er hatte damit alfo eine Verwechfelung
zwifchen Laienbruder der älteren und Tertiarier der Bettelorden
begangen, die auch einem Germaniften nicht begegnen
follte, aber freilich weit übertroffen wird von
der geradezu unbezeichenbaren Weife, wie diefe Verwechfelung
zweier ganz und gar verfchiedener Dinge von
dem .Kirchenhiftoriker' Zöckler in RE.'- XV, 342 vorgetragen
wird.

Da nun überhaupt W.'s Arbeit nach der für die Da-
tirung befonders wichtigen kirchengefchichtlichen Seite
ganz ungenügend ift, fo hat der Erfurter Paftor Lorenz
gerade diefe Seite angefafst und will aus den Beziehungen
auf die kirchlichen Zuftände, welche Heinrich geifselt,
beweifen, dafs Heinrich dem 12. Jahrh. (Pfaffenleben wohl
1146) und demMölkerKlofter als Laienbruder angehört. Es
ift nun nicht zu verkennen, dafs feine Anficht kirchenge-
fchichtlich viel forgfältiger begründet ift als die von W.;
insbefondere fällt ins Gewicht die Art und Weife der
Kritik des Ablaffes, der Unfittlichkeit des Klerus und
I der damaligen Verfaffung des Mönchthums: es ift insbefondere
von Bedeutung, dafs von Bettelorden noch
keine Spur vorhanden ift (diejenige, die W. finden wollte,
ift nichtig). Im übrigen aber begnügt fich die Beweisführung
oft mit fehr farblofen Zügen und Beziehungen
und leidet namentlich an einem Verallgemeinern in der
Zeichnung der kirchlichen Zuftände des 12. und 14. Jahrh.,
das um fo weniger treffen kann, als das Material meift
nur aus Giefeler's KG. entnommen ift.

Ein feftes Urteil möchte ich alfo in diefer PTage um
fo weniger ausfprechen, als mir Heinzel's Arbeit hier
nicht zugänglich ift und ich das .Pfaffenleben' nicht
genügend kenne.

Giefsen. Karl Müller.

Möller, Prof. Karl, Leben und Briefe von Johannes Theodor
Laurent, Titularbifchof von Cherfones, Apoftolifcher
Vikar von Hamburg und Luxemburg. Als Beitrag
zur Kirchengefchiehte des 19. Jahrhunderts zufammen-
geftellt von feinen Freunden und mit einem Vorwort
hrsg. 1. Thl.: 1804—1840. Trier, Pauli nus-Druckerei,
1887. (XXXII, 592 S. 8.) M. 4.50.

Joh. Theodor Laurent, geb. 6. Juli 1804 zu Aachen,
— lein Vater war ein Luxemburger, — ftudirte 1824—26
zu Bonn, trat dann, unzufrieden über ,die fchlechte und
niederträchtige Philofophie' des Prof. Hermes und feiner

I Schüler (S. 40) und über die kirchlichen Verhältnifse in
der Diöcefe Köln unter dem Erzbifchof Spiegel, in das

I Seminar zu Luttich, wurde 14. März 1829 zum Priefter