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Ausgabe:

1887 Nr. 1

Spalte:

10-12

Autor/Hrsg.:

Schultz, Herm.

Titel/Untertitel:

Die Lehre vom heiligen Abendmahl. Studien und Kritiken 1887

Rezensent:

Herrmann, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 1.



Zuletzt noch eine allgemeine Bemerkung. Man begegnet
fo oft auch im Munde wiffenfchaftlich gebildeter
Proteitanten der Behauptung, dafs der Jefuitenorden
eigens zur Vernichtung des Proteftantismus geftiftet fei.
Das ift doch fo nicht ganz richtig. Bei Gothein fleht
es darum auch nicht; Gräber fagt es beinahe (S. 4).
Mittelbar und thatfächlich allerdings kam der Orden
bald darauf hinaus; aber der erfle (oder vielmehr zweite,
in der Verlegenheit über die Unausführbarkeit der erflen
Abficht ergriffene) Zweck war doch einfach die Aus

Wahrheit, dafs er den Sieg erlebt und nur die unvollkommenen
leiden müfsten'. Doch genug von dem reli-
giöfen Helden, dem es unerträglich fchien, nicht minde-
ftens ebenfo grofs wie Luther dazuftehen. Das traurige
Gefchick, das ihn freilich nicht unverdient betroffen, fich
zuletzt ganz vereinfamt und verlaffen zu fehen, mag zur
Milde ftimmen in der Beurtheilung auch feiner Ver-
irrungen. Aber auch in feinen Dehlern nur Zeichen feiner
Gröfse zu fehen, ihn mit den Gröfseften aller Zeiten in
Parallele zu ftellen, in dem Bericht über feine literari-

breitung und Beteiligung der Papflherrfchaft. Man lie- fehen Fehden fo auf feine Seite zu treten, dafs der Be-
fert mit jener fchiefen Formulirung nur Futter für die deutung feiner Gegner auch nicht mit einem Wort ErKanonen
der ,Gefchichtslügner'. wähnung gefchieht, ift eine Parteilichkeit, die auch durch
Schönbach. Rade. das Uebermafs der Schwärmerei für K. nicht entfchuldigt

____--wird und das Schriftchen über feine Perfönlichkeit ganz

Bärthold A., S Kierkegaards Persönlichkeit in ihrer Ver- werthlosmacht. Geradezu anftöfsig aber und einer Preis«-
*m*m *r Itak. Gütersloh, Bertelsmann, .886. ^j££^^£8^?££lS5},
(VIII, 143 S. 8.) M. 2. | übe,, die weiteres zu berichten uns unnöthig erfcheint,

Ref. hat bereits bei Befprechung von Schriften K.'s erklärlich zu machen, wenn nicht gar zu rechtfertigen
Gelegenheit genommen, darauf hinzuweifen, in wie mafs- : verfucht.

lofer Weife derfelbe von feinen Verehrern verherrlicht j Dornreichenbach. Wetzel
wird. Das vorliegende Schriftchen ift ein neuer Beleg

dafür. Der Verf., der die Bekanntfchaft mit feinen Schultz. Herrn., Die Lehre vom heiligen Abendmahl. Studien
früheren Schriften über K. vorausfetzt, erklart aus den j und Kritiken. Gotha, F. A. Perthes, 1886. (VII, 144
nachgelaflenen Papieren desfelben, die nun in fünf Harken _ ' ' -ivri, 144

Bänden herausgegeben worden feien, erkannt zu haben, °- &r- °-) m- 3-

dafs das Leben K.'s feinem Werke ebenbürtig zur Seite j ,Nur als Verfuch, das h. Abendmahl dem Streite zu
flehe und feinem Worte den Nachdruck der Verwirk- entrücken, ift der befcheidene Beitrag gemeint, der hier
lichung gebe. Er will, da dies noch nicht gebührend vorliegt'. Es foll hier vor Allem Einverftändnifs über
hervorgehoben fei, wenigftens vorläufig die Lücke einiger- den Punkt hergeftellt werden, von dem aus die Frage
mafsen ausfüllen. Dabei nimmt er von vornherein als überhaupt zur Entfcheidung kommen kann. Der Verf.
ausgemacht an, dafs K. ein religiöfer Held gewefen fei, meint, dies werde gelingen, wenn man vor Allem klar-
deffen Gröfse nur von bornirten Menfchen verkannt ftelle, welchen Leib und welches Blut Jefus nach den
werden könne. Nur darum handelt es fich noch für ihn, Einfetzungsworten den Jüngern gereicht habe. Aber
aus K.'s nachgelaflenen Papieren neue Belege dafür zu der Erörterung diefes Hauptpunktes fchickt der Verf.
bringen. Die Leetüre feines Schriftchens ift um fo un- ! einen Bericht über die Beiträge zur Abendmahlslehre
erquicklicher, als die meiften der von ihm angeführten : vorauf, welche die evangelifche Theologie feit dem Bestellen
nur noch fchärfer hervortreten laffen, was in K.'s I ginn der Unionsftreitigkeiten geliefert hat. Der Verf.
Werken fchon peinlich genug zu Tage tritt, dafs näm- hält eine folche gefchichtliche Darftellung für zeitgemäfs,
lieh der fo hochbegabte und originelle Däne eine gewiffe weil die Motive, welche in unferm Jahrhundert zu einer
Charakterzwiefpältigkeit nicht überwunden und in hoffär- 1 Neugeftaltung diefer Lehre geführt haben, fich erfchöpft
tiger Selbflüberfchätzung fich über die ihm geftellte j und die Gemüther fich genügend abgekühlt haben. Es
Lebensaufgabe verblendet hat. Nur als ein Zeichen I ift das ohne Zweifel richtig. Das Intereffe für die
folcher Verblendung kann es doch angefehen werden, ' eigenthümliche Art von Wiffenfchaft, welche noch um
wenn K. von der Veröffentlichung feiner Gedanken über | die Mitte des Jahrhunderts ihr Spiel mit dem Sacrament
das wahre Chriftenthum eine fo erfchütternde Wirkung getrieben hat, ift allgemein erkaltet. Zum Theil liegt
vorausfieht, dafs er fürchtet, für den Heldenmuth fie aus- das gewifs daran, dafs gegenwärtig die Art von Philo-
gefprochen zu haben, mindeftens todtgefchlagen zu j fophie, welche damals dem für die höhere Leiblichkeit

3er Aermfte mit' dcm fehreck- begeifterten Theologen die weiten Gefilde ihrer Moghch-
vverden. Da quält fich der Aermite nwj ^ f _ ^ öffnete| es felbft nicht mehr wagt, als Wiffenfchaft
aufzutreten. Vor Allem aber ift die Kirche feit-
her vor fo ernfte Aufgaben gefleht worden, dafs fie der
Theologie den Luxus derartiger Lehrftreitigkeiten nicht
mehr geftatten kann. Die meiften jüngeren Theologen
werden daher aus dem lichtvollen Berichte des Verf.'s
den Eindruck empfangen, als würde ihnen eine Kunde
aus ferner Vergangenheit gebracht. Um fo dankbarer
müffen wir dem Verf. dafür fein, dafs er die Mühe nicht
gefcheut hat, in die Literatur des Streites hinabzufteigen
und die Spuren eines gefchichtlichen und logifchen Zu-
fammenhanges darin nachzuweifen. Er hat es meifter-
haft verftanden, durch diefes Gewirre fchwankender Gehalten
die feften Linien zu ziehen, auf welche fleh Alles,
was nicht abfolut willkürlich und wirkungslos ift, aufreihen
läfst. Sodann aber zeigt der Verf., wie auch
fcheinbar gänzlich werthlofen Einfällen doch infofern

liehen Problem: Hat ein Menfch das Recht, fich für die
Wahrheit todtfchlagen zu laffen, darf er die Anderen fo
fchuldig werden laffen? Ja er veröffentlicht über diefes
Thema fogar eine anonyme Abhandlung. Er jubelt auf,
als er endlich den glücklichen — freilich eines religöfen
Helden nicht eben würdigen — Ausweg gefunden, fich
wieder einmal mit dem Schleier der Pfeudonymität zu
verhüllen. Lefen wir nun, dafs er, anftatt den Märtyrertod
zu erlangen, fich nur in den Augen der grofsen
Mehrzahl lächerlich gemacht, feine fchriftftcllerifche
Thätigkcit äufserft kärglich belohnt fah und als ein Halb-
verrückter angefehen wurde, fo wird freilich feine zunehmende
Verbitterung fehr erklärlich. Aber kein Unbefangner
wird, wie B. ohne jede Einschränkung dies
thut, feine gehäffige Polemik gegen Männer wie Mynfter
und Martenfen zu rechtfertigen verfuchen. Den von ihm
Angegriffenen bleibt der Troft, dafs K. auch bei Luther

eine Entartung des Chriftenthums ficht. B. berichtet I ein Werth mlromm* ,i„

dathbe, , a, ,K. find«, d* fCon Luthe,. Lebens- | keiten de, *^%$£Sti£Stt£&£

gang viel gefchadet hat.... Weil er lebend durchdrang
und in grofsem Mafse Macht und Einflufs gewann, bekam
es das Ausfeilen für die fpätere Zeit, als fei es das
Kennzeichen des Reformators, des echten Vertreters der

1 der

Entwickelung zu befchleunigen. In fehr kurzer'*Zeit
haben die beiden Auffaffungen, welche neben der rein
hiftonfchen in Betracht kommen, die myftifche und die
wunderhafte, fich zu ftaunenswerther Reife entwickelt.