Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1887 Nr. 11

Spalte:

251-255

Autor/Hrsg.:

Müller, Karl

Titel/Untertitel:

Die Waldenser und ihre einzelnen Gruppen bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts 1887

Rezensent:

Zoepffel, Richard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

2;i Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 11. 252

tifchen Legende gewidmet (S. 358 fr.). Aus der Com-
pofition der jcgägeiq (Paulus zunächst im Vordergrund
iiehend, dann auffällig bei den Wettkämpfen mit Simon
hinter Petrus zurücktretend) fei noch zu erkennen, dafs
Paulus in eine ältere Erzählung, welche lediglich
den Petrus mit dem Magier kämpfen liefs, nachträglich
eingezeichnet in. Die gegen Simon erhobenen
Vorwürfe zeigen ferner aber auch hier, dafs
Simon nur Maske ift und dafs hinter derfelben, wie in
der alten ebionitifchen Legende, urfprünglich kein Anderer
als Paulus verborgen war. Diefe Beziehungen waren
freilich dem Verf. der katholifchen jcgägeig IlavZor höchft
wahrfcheinlich nicht mehr durchfichtig: ,Simon in Rom'
ift alfo nichts anderes als ,Paulus in Rom', und Petrus
ift nach Rom verfetzt, weil Simon-Paulus dafelbft ift. So
ift unabhängig von den Clementinen fchliefslich der letzte
Kern aller gnoftifchen und katholifchen Traditionen

über die Beftrebungen der Waldenfer ift zum Theil ein
vernichtendes. Es lautet (S. 132 f.): .Weder haben die
Waldenfer eine eigene Gemeindebildung an die Stelle
der alten zu fetzen unternommen — vielmehr war ja
ihr Ideal gerade das Wegfallen aller Gemeindegliederung —
noch haben fie fich etwa nur an die Verlorenen, von
der Kirche verschmähten und verwahrlosten Kreife gewandt
;... Weder in der Beftimmung des Sittlichen
Lebensideals, noch in der Auffaffung des religiöfen
Heils, noch in der Betrachtung der kirchlichen Heilsmittel
ift etwas geändert. Der Mechanismus ihres Vater-
unferbetens ift um kein Haar geringer, als derjenige der
kirchlichen Kreife; auch was wir von ihrer Verehrung
und Benützung der heiligen Schrift erfahren, macht im
Grunde denfelben Eindruck einer mechanifchen Ein-
prägung'.

Von den zwei Capiteln, in die die Schrift zerfallt,

auf die ebionitifche Legende, refp. auf judaiftifche Apoftel- 1 befchäftigt Sich das erfte (S. 3—68) mit den Anfängen
gefchichten zurückgeführt. S. 366—390 werden nach- der Waldenfer und der Separation der lombardifchen
träglich noch mehrere fpätere Compilationen, S. 391— i Armen (1173—1218). Was nun die an erfter Stelle bc

423 römifche Localfagen und Localerinnerungen be-
fprochen.

Ich breche hier ab. In einem zweiten Artikel werde

handelte Bekehrung des Waldes anlangt, fo will es dem
Referenten Rheinen, als ob M. dem in dem Chronicon
anonymi canonici Laudunensis enthaltenen Bericht einen

ich, ausgehend von dem erften Capitel diefes Werkes | zu grofsen Werth beimeffe (S. 4). Einer Vereinigung
,Die älteren Traditionen über die Apoftel Petrus und ] desfelben mit den von Stefanus de Borbone gebotenen

Paulus' (S. 1—69), verfuchen, die Haltbarkeit der Auf-
Stellungen von Lipfius an den für die Entstehung und
Entwickelung der Petruslegende entscheidenden Punkten
zu prüfen. Schliefslich kommt Alles auf die beiden
Fragen an: wer ift Simon Magus gewefen? hat es eine
von den Paulus- und Simon-Traditionen unabhängige
Tradition über den römifchen Aufenthalt des Petrus gegeben
?

Marburg. A. Harnack.

Nachrichten, wie Sie Seite 6 vorgefchlagen wird, Stehen
doch zu grofse Hindernifse entgegen. Das Chronicon
anon. canon. Laudun. Stellt die Bekehrung des Waldes
als eine plötzliche, durch die Legende vom heiligen
Alexius bewirkte Erweckung dar, Stefanus aber als eine
Sich ruhig und allmählich vollziehende, durch ein immer
tieferes Eindringen in die heilige Schrift vermittelte
Sinnesänderung.

Wenn Sich M. im weiteren Verlauf der Unterfuchung
gegen die gewöhnliche Deutung des Namens ,Waldenfer',
refp. ,Arme von Lyon', ,Lombardifche Arme' erklärt

Müller, Prof. Dr. Karl, Die Waldenser und ihre einzelnen

Gruppen bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts. [Aus: I (S. uff.), welche unter denfelben ,kurzweg die einzelnen
.Theol. Studien und Kritiken'.] Gotha, F. A. Perthes, ' GVafS^ od% dif. Gemeinden, die aus der Arbeit der
x886 OMf ,7, s o-r 8 1 M 1- apoftohfchen Prediger hervorgegangen Sind', verlieht,

roöo. (^11, 1/2 o. br. o.) m. 3. 1 und wenn er dann weiter SeinerSeits behauptet: ,vom 12.

Dafs K. Müller feine beiden, in den ,Theolog. ; bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts und theilweife noch
Studien und Krit.' (Jahrg. 1886, 4. Heft, Jahrg. 1887, j länger verstehen alle aufserdeutfchen Quellen, die eine
I. Heft) erfchienenen Abhandlungen über die Waldenfer ; genauere Kenntnifs verrathen, unter Waldenfern, Arund
ihre einzelnen Gruppen bis zum Anfang des 14. Jahr- men u. f. w. die apoftohfchen Reifeprediger', fo müffen
hunderts in vorliegender Schrift von Neuem herausgiebt wir ihm fowohl auf Grundlage der von ihm an diefer

und damit weiteren Kreifen zugänglich macht, wird von
allen Forfchern auf dem Gebiete der mittelalterlichen
Kirchengefchichte mit um fo gröfserem Dank begrüfst
werden, als die Frage nach dem Charakter der Waldenfi-
fchen Secte eine immer brennendere geworden ift.

Wie alle Arbeiten unferes Verfaffers, fo zeichnet
Sich auch diefe durch Sicheres Anfaffen des fchwierigen

Stelle beigebrachten Quellenbelege, als auch in Anbetracht
der S. 28 ff. über die Abfender und Adrcffaten
des Sendfehreibens von 1218 angestellten Unterfuchung
unbedingt zuftimmen. Denn unter den im letztgenannten
Schriftstück erwähnten ,electi Waldesii socii' können nicht
die die Gemeinde bildenden Gläubigen, fondern nur die
Reifeprediger gemeint fein.

Problems, durch Präcilion der Forfchung, Sowie durch | Diefes Sendfehreiben der lombardifchen Armen an
ein befonnenes, Sich vor allem falfchen GeneraliSiren und ihre Brüder und Freunde in Deutschland hat unfer Ver-
vor halsbrechenden Hypothefen hütendes Urtheil aus. faffer in ein neues Licht gehellt und aus demfelben
Es war allerdings Zeit geworden, dafs Sich eine Solche ! manche fehr beachtenswerthe Confequenzen für das
Kraft an die Löfung unterer Frage machte, die in dem- ; Verhältnifs der franzöfifchen zu der lombardifchen Gruppe
felben Mafse, wie Sie von Dieckhoff, Haupt und gezogen. Zu den gesicherten Refultaten des gefammten,
Preger gefördert worden ift, durch Herzog und mehr i mit diefem Sendfehreiben Sich beschäftigenden vierten
noch durch Keller an Credit unter den Gelehrten ver- ] Abfchnitts (S. 21—68) rechnen wir, dafs dasfelbe nicht
loren hat. Aus der grofsen Zahl neuer Quellen, die | in das Jahr 1230 — wie Preger angenommen hat —
Müller für die Gefchichte und Lehre der Waldenfer zu ; fondern in das Jahr 1218 oder in die allernächste Folge-
Rathe ziehen konnte, erklärt es Sich, dafs er nur feiten ; zeit zu fetzen ift (S. 25), ferner dafs Franzofen und
in der Lage ift, Sich unbedingt zu den Refultaten auch I Lombarden urfprünglich eine Einheit gebildet, welche
derjenigen unter feinen Vorgängern zu bekennen, deren ! Sich mit der Zeit in Folge von inneren Streitigkeiten
Arbeiten er felbft als bahnbrechende Leistungen anfleht. ! gelöft hat und die nun durch die Verhandlungen des
Und wenn er im Gegenfatz zu diefen zu einem Schlufs- j Jahres 1218, von denen das Sendfehreiben meldet, wieder-
refultat in Betreff der Waldenfer gelangt, welches diefer j hergestellt werden follte (S. 32 ff.). Ebenfo wird es Sich
Lieblingsgeftalt proteftantifcher Kirchenhiftoriker wenig j nicht beanstanden laffen, dafs die Lombarden zu ihrer,
fchmeichelhaft ift, fo müffen -es diefelben, wenn auch i von den Franzofen abweichenden Auffaffung in Betreff
fchweren Herzens, als ein in den Quellen begründetes, der Lehre von der Wandlung des Leibes Chrifti im
auf dem Wege Streng hiftorifcher Forfchung gewonnenes I Abendmahl erft kurz vor dem Jahr 1218 gekommen
aeeeptiren. Allerdings das Urtheil unferes Verfaffers I Sind und früher den Standpunkt der PYanzofen getheilt