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Ausgabe:

1887 Nr. 8

Spalte:

181-183

Autor/Hrsg.:

Stähelin, Rudolf

Titel/Untertitel:

Zwingli als Prediger 1887

Rezensent:

Baur, August

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Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 8.

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Cordatus, fondern auch Melanchthon und Jonas in ihren
Briefen an Luther, vgl. Corp. Ref. II, 356; Kawerau,
Jonasbr. I, 177. — Nr. 1135. Wie Wr. in Note 2 die
falfche Lesart ,wider die fanffte Fleifch' zu rechtfertigen
(acht, ift doch angefichts des Titels der Münzer'fchen
Schrift ,Wider das Gaiftlofse Sanfft lebende fleyfch zu
Wittenberg' eine überaus gekünftelte. — Nr. 1235 fcheint
mir nicht auf Herzog Johann Ernft von Sachfen zu gehen,
•ondern vielmehr auf Hans v. Löfer, vgl. de Wette IV,
436. Nur darf man nicht mit Wr. ,E. G.' durch ,Euer
Gnaden' auflöfen, fondern mit ,Euer Geftrengen'; Darnach
wird fich auch die Note 2 zurückgewiefene Lesart bei
Rebenftok dennoch rechtfertigen. — Nr. 1241. Dafs
Eltern ihren Sohn, der ein Priefler war, im Papflthum non
singulariter nennen durften, heifst nicht, dafs fie ihn nicht
mehr mit feinem Eigen- (Familien- oder Vor-) Namen
nennen durften, fondern dafs fie ihn nicht mehr im
Singularis, nämlich mit ,Du' anreden durften, fondern
den Plural/s, nämlich das nach damaliger Sitte gegen
Höherftehende gebrauchte ,Ihr' anwenden mufsten. —
Nr. 1721, Note 7, mufs es heifsen: Ein Rede ein halbe
Rede (beidemal ft. Ende), darumb foll man fie verhören
bede.

Zum Schlufs fei noch bemerkt, dafs ein fehr genaues
Namenregifter die Brauchbarkeit des Werkes wefentlich
erhöht.

Oberrad. Enders.

Stähelin. Prof. Dr. Rudolf, Zwingli als Prediger. Bafel,
Detloff, 1887. (32 S. 8.) M. — .80.

Es mag auffallend erfcheinen, dafs, nachdem die
Predigerthätigkeit Luthers theils in eigenen Schriften, theils
in umfaffenderen Werken eine ausführliche Darfteilung
gefunden hat und auch Calvin als Prediger durch die
kundige Hand von Alfred Kraufs trefflich gewürdigt
w orden ift (Zeitfchrift für prakt. Theologie. 6. Jahrgang
1884 S. 225—258), Zwingli bisher diefelbe Ehre noch 1
nicht in gleichem Mafse zu Theil geworden ift, obwohl
unbeftreitbar die vonj. M. Ufteri in feiner Feftfchrift zum
Jubiläum des Züricher Reformators und von Alexander
Schweizer in feiner für denfelben Zweck gehaltenen Fett-
rede in Anfpruch genommene Ebenbürtigkeit Zwingli's
neben Luther mehr und mehr an Boden der Anerkennung
gew innt. Es hängt aber diefes, nach dem oberflächlichen
Schein zu urtheilen, unentfchuldbare Verfäumnifs bei
Zwingli mit der befonderen Schwierigkeit zufamrnen,
den Stoff für eine folche Darftellung zu fchaffen. Denn
während wir von Luther und Calvin Predigten in folch
reicher Fülle befitzen, dafs ein hinreichendes Material
zur Darftellung und Beurtheilung ihrer Predigtweife vorliegt
, haben wir in diefer Hinficht von Zwingli aufser
kleinen Fragmenten nur Weniges und auch das Wenige
nicht in feiner urfprünglichen Form, fondern durchweg
für den Druck zu der Geftalt von Abhandlungen überarbeitet
und erweitert, in einem Fall, bei der zweiten
Berner Predigt, zu demfelben Zweck fogar verkürzt. Und
doch wiffen wir nicht nur, dafs Zwingli fehr viel und
häufig gepredigt, fondern auch dafs er feine Wirkfam-
keit als Prediger als das Wichtigfte, als den Mittelpunkt
feines Berufslebens angefehen und ausgeübt hat. Nichts
deftoweniger gehört eine Charakteristik Zwingli's als
Prediger nicht zum Unmöglichen. Denn es fehlt uns
weder an einer Reihe von Zeugnifsen und Bekenntnifsen,
die Zwingli felber in feinen Schriften bei gegebenen Gelegenheiten
über feine Predigtthätigkeit ablegt, noch an
Berichten von Zeitgenoffen, Freunden und Feinden, über
die Art und den Erfolg diefer hervorragenden Seite feines
Wirkens. Aufserdem hat fleh ja Zwingli felber fowohl
in einzelnen befonderen hervorragendenSchriften und dann
auch in feinen Commentaren zum Alten und Neuen
Testament fo genau und ausführlich mit der Theorie des
Hirten- und Predigeramtes befchäftigt, dafs wir in den

Stand gefetzt find, daraus nicht nur die Forderungen
kennen zu lernen, die er nach Inhalt, Zweck und Form
an eine richtige christliche Predigt gestellt hat, fondern
auch Schlüffe darauf zu ziehen, in welchem Sinn und
Geilt er felber feines Predigtamtes gewaltet hat. Ueber-
dem ift es doch durchaus zuläffig, die Abhandlungen
Zwingli's, die fleh uns als überarbeitete und erweiterte
Predigten darbieten, auf ihren Predigtcharakter fchärfer »
anzufehen und zu unterfuchen. Obgleich nur in wenigen
Fragmenten von Predigten, die uns hauptfächlich durch
Bullinger überliefert find, unmittelbares Material vorliegt,
fo ift alfo doch mittelbarer Stoff in hinreichendem Mafse
vorhanden, um eine Schilderung Zwingli's als Prediger
verfuchen zu können. Nur liegt bei der Natur des in
Zwingli's vereinzelten Aeufserungen und in feinen befonderen
Schriften über das Hirten- und Predigeramt gegebenen
Stoffes für den Darfteller die Gefahr nahe, dafs
er unwillkürlich von der Schilderung Zwingli's als Prediger
, die ihm zunächst obliegt, Ausfchreitungen fleh erlaubt
auf das Gebiet der allgemeinen Anflehten Zwingli's
über das Hirten- und Predigtamt, und zwar in einer
Weife, dafs hinter der Darfteilung diefer Theorie über
Beruf und Stellung des Geistlichen die gefchichtliche
Schilderung der eigentlichen Predigtweife Zwingli's (tark
zurücktritt. Es wird nicht zu leugnen fein, dafs der Herr
Verf. diefer Verfuchung nicht ganz entgangen ift. Wir
finden aber für diefes Verfahren eine Entschuldigung in
der genannten Sachlage, obwohl wir es für wünfehens-
werth gefunden hätten, wenn der Herr Verf. an einer
oder mehreren der, wenn auch nur in erweitertem und
überarbeitetem Zustand, auf uns gekommenen Predigten
durch Analyfe derfelben Zwingli's Predigtverfahren genauer
erläutert und exemplificirt hätte. Denn fo fehr
fcheint uns doch durch die Erweiterung und Umarbeitung
der urfprüngliche Predigtcharakter der zu Abhandlungen
umgestalteten Predigten nicht alterirt zu fein, dafs
eine folche genaue Aufzeigung der Predigtweife Zwingli's
an einzelnen Beifpielen nicht statthaft wäre.

Es ift aber diefer Punkt der einzige, den wir etwa
an der Arbeit des Herrn Verf.'s auszufetzen hätten; dabei
müffen wir zugeben, dafs die von uns gewünfehte Exemplifikation
die Schrift des Herrn Verf.'s, die einem Vortrag
ihre Entstehung verdankt und nun, nachdem fie in der
,Theologifchen Zeitfchrift aus der Schweiz' (1887 Heft 1,
S. 12—-42) zuerst erfchienen war, als eigene Brofchüre
vorliegt, in einer über das Mafs eines Vortrags hinausgehenden
Weife ausgedehnt hätte. — Das Material ift
von dem Herrn Verf. mit der ihm eigenen fleifsigen Umficht
gefammelt und in durchaus überfichtlicher Ordnung
und in gefälliger, klarer und warmer Weife dargeftellt.
Das Urtheil ift durchweg fachlich abgewogen nach Maafs-
gabe der befonderen Verhältnifse, in denen Zwingli zu
leben und zu wirken hatte (man vergleiche in diefer
Hinficht das, was in Abfchnitt III über den patriotifchen
und politifchen Charakter der Predigtweife Zwingli's ge-
fagt ift); die Heranziehung der Predigttheorie Johann
Ulrich Surgant's, der in neuerer Zeit auch bei Kraufs
(Lehrbuch der Homiletik S. 83 f.) genauere Berückflchti-
gung gefunden hat, an die reformatorifche Theorie und
Praxis Zwingli's fehr belehrend; die Vergleichung mit
Luther's Predigtweife, in welcher der Zweck perfönlicher
Chriftenbildung überwiegt, während es Zwingli auf fociale
Umgestaltung durch die Predigt abgefehen hat, durchaus
zutreffend, insbefondere auch darin, dafs in Hinficht der
Einwirkung der Predigt auf die Verfittlichung des Staatszweckes
Zwingli mit gröfserem Recht ein Verdienst zuerkannt
wird als felbft Luther. Gerade auch hierin zeigt
fich die Wahrheit des Wortes, dafs Zwingli unter allen
Reformatoren der modernste ift.

Der Herr Verf. verheifst uns in dem kurzen Vorwort
eine Schilderung ,der äufseren von Zwingli getroffenen
Einrichtungen, fowie der von ihm geleiteten, unter dem
Namen Prophezei bekannten exegetifch-homiletifchen