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Ausgabe:

1886

Spalte:

149-154

Autor/Hrsg.:

Baur, August

Titel/Untertitel:

Zwinglis Theologie, ihr Werden und ihr System. I. Bd 1886

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

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149

jüdifchen Grammatiker zur vorangegangenen arabifchen
Sprachwiffenfchaft.

Tübingen. , E. Kautzfeh.

Baur, Dr. Aug., Zwingiis Theologie, ihr Werden und ihr
Syftem. i. Bd. Halle, Niemeyer, 1885. (VIII, 543 S.
gr. 8.) M. 12. —

Der Verfaffer befchränkt fich in diefem erften Bande
nach einem einleitenden Abfchnitt: ,Die Entwicklung
Zwingli's von feinen humaniftifchen Anfängen bis zum
Beginn feines literarifch-reformatorifchen Wirkens' im
Wefentlichen auf die Darlegung des Inhalts und der
Entftehungsgefchichte von Zwingli's theologifchen Schriften
, um auf diefem Wege zunächft ,den pofitiven Stoff,
wie er in diefen Werken vorliegt, in möglichfter Voll-
ftändigkeit und fachgemäfser Zufammenftellung zu geben',
während die fyftematifche Zufammenfaffung desfelben 1
der fpäteren Fortfetzung des Werkes vorbehalten bleibt
(S. 2). Und auch von diefem erften gefchichtlich refe-
rirenden Theil erhalten wir in dem vorliegenden Bande
blofs die erfte Hälfte; er führt die Befprechung der
Schriften Zwingli's nur fo weit fort, als fie die Abgrenzung
von der mittelalterlichen Kirche und den Gegenfatz gegen
die katholifche Lehre zum Inhalt haben, ohne noch die
Auseinanderfetzung mit den Wiedertäufern und mit Luther,
die fämmtlichen Schriften nach 1528 und die exegetifchen
Arbeiten in diefelbe hineinzuziehen. Diefes Verfahren
hat feine Vorzüge, aber auch feine grofsen Nachtheile.
Es ftellt einerfeits diefe neue Bearbeitung der Theologie j
Zwingli's von vornherein gegenüber den früheren Arbeiten
von Zeller, Sigwart u. A. auf eine ungleich breitere
und feftere, weil objectiv gefchichtliche Grundlage; die
fämmtlichen Schriften Zwingli's werden, foweit fie für
feine Theologie inBetracht kommen, in chronologifcher Aneinanderreihung
nach ihren Entftehungsverhältnifsen unter-
fucht, in ihrem Gedankengang reproducirt und nach ihrer
Bedeutung für das reformatorifche Gefammtwerk und die
theologifche Eigenart Zwingli's charakterifirt, und daraus
ergiebt fich fowohl für den Verf. felbft eine Sicherltel-
lung vor einfeitiger Betonung einzelner Lehrmomente,
als auch für die Lefer ein Einblick in den Gedanken- !
gang und die innere Structur diefer Schriften, wie fie
bis dahin noch in keinem fei es biographifchen oder
fyftematifchen Werk über Zwingli erreicht worden find.
Aber anderfeits erhält durch diefe Behandlungsweife das
Werk wenigftens in feiner vorliegenden Geftalt auch |
einen Charakter des Fragmcntarifchen und in feiner Ge- I
fammtanlage eine hiftorifch referirende Haltung, die beide '
dem eigentlichen Zweck desfelben Eintrag thun müffen.
Es gereicht ihm ja allerdings zum Vortheil und ift zugleich
ein beachtenswerthes Zeugnifs für die Planmäfsig-
keit des Zwingli'fchen Reformationsverfahrens, dafs die
den Verf. leitende chronologifche Reihenfolge der Schriften
ungefucht und von felbft zugleich als die ftufen-
mäfsig fortfehreitende Fintwicklung feiner theologifchen
Grundgedanken fich darüellt und demgemäfs in den
erften Schriften von 1522 und 1523 die Begründung, in
den folgenden die weitere Durchführung, in denjenigen
von 1525—1528 endlich ,der dogmatifche Ab-
fchlufs der evangelifchen Lehre im Gegenfatz gegen die
römifche' aufgewiefen werden kann. Aber eine /Theologie
Zwingli's' wird doch auf diefem Wege einer blofsen
Analyfe noch nicht gewonnen, und der Anfpruch auf
diefelbe bleibt vollends unerreicht, wenn, wie hier, gerade
ihre eigenthümlichften Aeufserungen, wie die Sacra-
mentslehre und die Schriften über die Erbfünde und die
Vorfehung von der Unterfuchung noch ausgefchloffen find
und auch bei den in Behandlung gezogenen Schriften
die ftoffliche Reproduction das eigene Urtheil des Verf.'s
über die mafsgebenden Grundgedanken faft ganz zurückdrängt
. Zugleich führt das vom Verf. gewählte Verfahren
zu einer Reihe von Wiederholungen, die jenem

Eindruck des Unfertigen vielfach auch denjenigen einer
unnöthigen Breite und Weitfchweifigkeit an die Seite
ftellt und die ein ftärkeres Hervortreten der eigenen
Subjectivität zur Eingliederung und Beleuchtung des
Verwandten doppelt wünfehbar gemacht hätte : fo wird
die Lehre vom Worte Gottes, vom Sündenfall, von der
Verföhnung, vom Verhältnifs des Glaubens zu den Werken
, von der Kirche in ähnlicher Gedankenverbindung
mehrfach reproducirt, eine Hauptftelle über das Wefen
des Glaubens, die nach dem Urtheil des Verf.'s felbft
(S. 496) für den reformatorifchen Standpunkt Zwingli's
von grundlegender Bedeutung ift, erft ganz am Ende im
Zufammenhang mit dem Subsidhim de eiicliaristia, der fie
angehört, befprochen, und es bleibt vorläufig dem Lefer
überlaffen, derartige verwandte Gedankenreihen zu gegenteiliger
Ergänzung miteinander zu verbinden und die zer-
ftreuten und durchweg treffenden Erläuterungen, welche
der Verfaffer dazu giebt, in ihrer Bedeutung für den
fyftematifchen Zufammenhang zu verwerthen. Ich führe
als Beifpiel neben der eben erwähnten Stelle noch S. 468 f.
482 an, wo der Lefer wiederum erft am Ende des
Buches dasjenige ausgefprochen und auf feinen einheitlichen
Begriff zurückgeführt findet, was als die Lehre
Zwingli's von der Autorität der heiligen Schrift fchon
für die ganze vorangegangene Darlegung feiner Theologie
die Vorausfetzung gebildet hatte. Ein weiterer Nachtheil
endlich, der mit dem gewählten Gang zufammen-
hängt, ift die Nichtberückfichtigung der Correfpondenz
Zwingli's, die doch auch nach dem Beginn feiner fchrift-
ftellerifchen Thätigkeit für die Kenntnifs feiner Theologie
nicht unwefentliche Beiträge in fich fchliefst. Jedenfalls
hat der Verf. durch diefe Anlage feines Werkes für die
weitere Fortfetzung desfelben die Aufgabe übernommen,
nicht nur das noch Fehlende zu ergänzen, fondern auch
das bereits gegebene, aber zerftreut mitgetheilte Material
noch einmal in feinem fachlichen Zufammenhang über-
fichtlich zu ordnen und namentlich auch durch ein ausführliches
Sachregifter feiner Benutzung zu Hülfe zu
kommen.

Um fo ungetheilter darf dagegen die Anerkennung
deffen fein, was durch die Analyfe der einzelnen Schriften
felbft fowohl für das Verftändnifs ihrer Entftehung,
wie für dasjenige ihres Inhalts geboten ift. Mit Recht
find die Auslegung der Schlufsreden und des Cotnvien-
tarius de vera et falsa religione als die reformatorifchen
Hauptfchriften in den Mittelpunkt geftellt und einer be-
fonders eingehenden Behandlung unterzogen. Namentlich
die erftere wird in ihrer grundlegenden Bedeutung
für den Aufbau einer neuen Glaubenswiffenfchaft treffend
gewürdigt (S. 285), und der ihr gewidmete Abfchnitt
wird es hoffentlich für die Zukunft unmöglich machen,
dafs in dem dermalen verbreitetften unterer kirchen-
hiftorifchen Handbücher noch länger .diefem gröfsten
Werk des Zürcher Reformators' bei der Aufzählung feiner
Schriften der Platz verfagt, in feinem Reformationswerk
die Reinigung der Lehre als etwas der Befferung
des Cultus und der Verfaffung erft Nachfolgendes bezeichnet
und in der erfteren der Rechtfertigung durch
den Glauben eine blofs fecundäre Bedeutung zugefpro-
chen wird (vgl. Kurtz, Lehrbuch der Kirchengefchichte.
9. A. II. 1. 38). Immerhin legen gerade diefe Schriften
auf's Neue die Frage nahe, ob es wohlgethan war, ein
derartiges Aufrollen des Gedankenganges, wie es uns
hier geboten wird, zur Hauptfache zu machen. Gerade
von ihnen bezeugt Zwingli wiederholt, wie fie ihm im
Drang eines unmittelbaren Bedürfnifses und unter den
Hemmungen einer nach den verfchiedenften Richtungen
in Anfpruch genommenen Thätigkeit entftanden find.
Seinen Comntcntarhis, in deffen Namen fchon die Ab-
weifung des Anfpruchs auf eine methodifch wiffenfehaft-
liche Lehrfchrift ausgefprochen liegt, mufste er in folcher
Eile ausarbeiten, dafs er nicht einmal zum Ueberlefen
des Gefchriebenen die Zeit fand, und am Schluffe des-