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Ausgabe:

1886 Nr. 6

Spalte:

129-131

Autor/Hrsg.:

Dounais, C. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Bernardus Guidonis, O. F. P., Practica inquisitionis heretice pravitatis 1886

Rezensent:

Mueller, Karl

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129

Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 6. 130

(denn aus folchen fetzen fich jene 9 Nummern zufam- I als plötzlich die Kunde kam, dafs Douais, deffen Armen
) vollftändig verzeichnet refp. unterfucht worden 1 beiten über die Inquifition ich in diefer Zeitung 1883
find, nicht aber auch die fo viel felteneren Handfchriften ! Nr. 3 charakterifirt habe, ihm zuvorgekommen fei. Da
der Apoftelgefchichte und der Briefe. Eine weitere auf- i die Nachricht von dem Auftrag, den Molinier erhalten
fallende Erfcheinung begegnet uns darin, dafs die bisher hatte, durch alle hiftorifchen u. ä. Zeitfchriften gegangen
übliche Datirung jener neun Handfchriften nur in einem war, fo ift ein Zweifel über den dolofen Charakter diefes
einzigen Falle {Cod. 189 = Ew. 150) mit dem neuen Ka- ' Zuvorkommens gar nicht möglich. Douais hat dabei
taloge zufammentrifft. Die flärkflen Differenzen betreffen freilich nur in einem ähnlichen Verfahren fortgefetzt,
die Codd. 5 = Ew. 146, 136 = Ew. 148, 220 = Ew. 151. ; was er fchon früher gethan, da er Molinier's u. anderer
Sie flammen, in der angegebenen Reihenfolge, nach dem ; Arbeiten über die Quellen der Inquifition in unbarm-
neuen Kataloge aus dem 10., II. und Anfang des 10. Jahr- herziger Weife ausgefchrieben hatte und dann gegen fie
hunderts, nach der bisher üblichen Datirung dagegen ! zu Felde gezogen war. So bringt er es denn diesmal fogar
aus dem 12., 13. und 11. Jahrhundert. Auf weffen Auto- fertig, fich in der Vorrede darüber zu wundern, dafs das
rität die ältere Datirung fich ftützt, vermag Ref. nicht j Werk bisher noch keinen Herausgeber gefunden habe,
mit Sicherheit anzugeben (Birch und Scholz?). Zu Gunflen und fich den Anfchein zu geben, als ob erfl er auf die-
des neuen Katalogs fpricht der Umftand. dafs die darin fen Einfall gekommen wäre! Bereits kündigt er hier auch
gebotenen Daten im Einverftändnifs mit einem der beften die Herausgabe aller der lnquifitionsgefchäftsbücher an,
Kenner der gricchifchen Paläographie, dem fo früh ver- 1 welche gleichfalls Molinier zuerft mühfam durchgearbeitet
ftorbenen Charles Graux, aufgeftellt worden find (vgl. I und befchrieben hatte. Das heifst mit fremdem Kalbe
Praef. p. XXXIV's.). — Beiläufig fei noch erwähnt, dafs pflügen und ernten, wo andere gefät haben! — Unter

das von Zahn, Acta Joannis p. IX ss. zufammengeftellte
Verzeichnifs von Handfchriften der nach Prochorus genannten
ncoinöoi des Apoftels Johannes durch die Codd.
Palatini um" drei Nummern vermehrt wird {Cod. 35 saec.
X., Cod. 37 saec. XL, Cod.} 204 saec. XL), darunter eine
{Cod. 35) mit dem initium: 'Eylvero (.leid yoovov tivu ftecu

diefen Umftänden war denn vor Allem Eile nothwendig.
Und fo hat Douais nur die beiden Hff. in Touloufe (wo
er felbft Profeffor der Theologie ift) zugezogen oder
vielmehr nur eine der beiden, die Delisle als die werth-
vollfte bezeichnet hat, und die andere nur theilweife
benutzt. So hat er auch nicht blofs jeden Commentar

in avu/.iM!),> ai xth ! vermieden — ein folcher war auch m. E. nicht nothwen-

Die dem Katalog vorausgefchickte Praefatio giebt dig — fondern auch jede gründliche Einleitung, die den

eine gute Ueberficht über die Entftehung und die fpäteren Lefer in den Stand fetzen würde, über die vielen Fra-

Gefchicke der Palatina. Am Schlufs findet man 1) eine gen, die fich rafch beim Studium des Werkes aufdrän

vergleichende Zufammenftellung der jetzigen mit der
älteren (Sylburg'fchen)-Nummerirung, 2) ein Verzeichnifs
der datirten Handfchriften, 3) ein chronologifch geordnetes
Verzeichnifs der undatirten Handfchriften, 4) ein
Verzeichnifs der Schreiber, 5) ein Verzeichnifs der früheren
Eigenthümer, 6) ein Verzeichnifs der nicht in der
Vaticana befindlichen Codd. Palatini, 7) einen ausführ-

gen, fich zu unterrichten. Und er hat es namentlich
unterlaffen, die bei einer derartigen Edition unbedingt
nothwendigen Angaben darüber zu machen, wie fich die
in dem Werke befindlichen Formeln, Pormulare, Berichte
u. f. w. zu denjenigen verhalten, die wir fonft kennen
. Es galt eben, um jeden Preis rafch fertig zu werden.
Im Üebrigen ift natürlich der Werth der neu er-

lichen Index nominum rerumqne (S. 331 ift zu den neu- 1 fchloffenen Quelle ein ganz eminenter. Sie enthält ein

teftamentlichcn Handfchriften Cod. 20 hinzuzufügen) und
davon gefondert, ein Verzeichnifs der Heiligenlegenden.

Die Ausftattung des Werkes ift eine vorzügliche, der
Druck correct. Möchte es gelingen, das in fo kundige
Hände gelegte grofse Unternehmen ohne Unterbrechung
zu Ende zu führen!

förmliches Handbuch für die Beamten der Inquifition
mit einer aufserordentlichen Fülle von Formularen, welche
für die allerverfchiedenartigften Fälle der inquifitorifchen
Praxis beftimmt find und in die ganze Verfchlungenheit
der letzteren hineinfehen laffen. Unmittelbarer als von
jeder fyftematifchen Darftellung des Inquifitionsverfah-
Berlifi O v Gebhardt. rens läfst flch aus liefen Formularen der Gefchäftsgang,

die Praxis, die Vollmachten der Inquifition entnehmen,
abgefehen davon, dafs auch eine grofse Anzahl von
hiftorifchen Einzelthatfachen darin enthalten ift. Aber

Bernardus Guidonis, ü. F. P., Practica inquisitionis here-
tice pravitatis. Document publie pour la premicre
fois par le chanoine C. Douais. Paris, Alphonse
Picard, 1886. (XII, 370 p. 4.)
Ueber die ]}ractica inquisitionis des Bernardus Guidonis
hatte man in den letzten Jahren von mehreren
Seiten Auffchlüffe erhalten, welche zeigten, wie viel man
von einer vollftändigen Veröffentlichung derfelben zu
erwarten hätte. Zuerft m. W. hatte Schulte auf fie hin

auch eine freilich nicht ftreng-fyftematifche Darftellung
jener Punkte wird in umfaffendfter Weife gegeben.

Ich habe das Werk bisher nur in einzelnen Partien
gründlicher angefehen. Aber ich bin auch da erftaunt,
wie viel Neues fich daraus gewinnen läfst. Man fehe
z. B. die Darftellungen der Lehre und Sitte der Secten
an, die der Inquifition von Touloufe zu thun geben.
Einzelnes hat hier fchon Delisle veröffentlicht, fo den
Abfchnitt über die fog. Beguinen. Aber auch z. B.

gewiefen (WSB. 59, 473), dann hat Leopold Delisle von über die Waldenfer bekommen wir Nachrichten, die
ihren Hff. Nachrichten gegeben und einzelne ihrer Stücke ganz neue Auffchlüffe über deren Verfaffung enthalten,
mitgetheilt in feiner ausgezeichneten Arbeit Notice sur Freilich ginge man fehl, wenn man meinte, dafs alles
/es niss. de Bernard Gui (in den Notices et extraits des nur auf der originalen Beobachtung des Inquifitors be-
mss. de la Bibl. nat. etc. Bd. 37, 2). Weiterhin ruhte. Theilweife ift dies natürlich der Fall. Aber Ber-
hatte namentlich C. Molinier in feiner Arbeit Ein- 1 nardus Guidonis erweift fich auch hier als der grofse
quisition dans le midi de la Erance 1881 (f. diefe Zei- j Compilator, als den wir ihn fonft kennen. Ich habe

z. B. in dem Bericht über die Waldenfer die Benutzung
nicht blofs von Quellen franzöfifcher Herkunft nachweifen
können, z. B. des Stefanus de Borbone, der
Doctrina de modo procedendi contra hacreticos (felbft eine
Art Practica inquisitionis der Inquifitionen von Touloufe
und Carcaffonne — bei Martine et Durand, thes. nov. aneed.
V, 1795 ff.) und der Artikel, die fich an die Disputatio
inter Catholkum et Patarinum haereticum bei Martine
et Durand ebdaf. 1754 fr. angefchloffcn finden); fon-

tung 1883 Nr. 3) S. 197—236 eine Ueberficht über den
Inhalt gegeben und auf einige hervorragend wcrthvolle
Partien desfelben hingewiefen. Als beftem Kenner der
Quellen der füdfranzöfifchen Inquifition im 13. u. 14.
Jahrh. war ihm hierauf von der Societe de f/iistoire de
Erance der Auftrag geworden, die Herausgabe der Practica
zu unternehmen. In gründlicher Weife hatte er
fich an diefe Arbeit gemacht, die Hff. abgefchrieben und
das für eine Edition erforderliche Material gefammelt,