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Ausgabe:

1886 Nr. 6

Spalte:

126-129

Titel/Untertitel:

Codices manuscripti Palatini Graeci Bibliothecae Vaticanae 1886

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

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125 Theologifche Literaturzeitung. 1886 Nr. 6. 126

Anfänge des Minoritenordens und der Bufsbruderfchaften,
berückfichtigt worden. An der urfprünglichen Anlage
habe ich nicht geändert, auch der Verfuchung, umfangreichere
Erweiterungen anzubringen, widerftehen zu muffen
geglaubt. Dennoch ift jetzt diefe Vorlefung, nachdem
fchon die zweite Auflage einige neue Ausführungen erhalten
hatte, ungefähr auf den Umfang von zwei Vor-
lefungen angewachfen. Die erfte enthält die Vorgefchichte
und den Urfprung des Mönchthums nebft einer Ueber-
ficht über die morgenländifche Geftalt desfelben, die
zweite umfafst die Gefchichte des abendländifchen Mönchthums
.

Die Feftrede über Martin Luther, welche im Auftrage
unferer Univerfität am Jubiläumstage gehalten worden
ift, ift ebenfalls vergriffen und wird zu meiner
Ueberrafchung noch immer begehrt. Es erfchien mir
geftattet, die beiden Vorlefungen, die fleh in gewiffer
Weife ergänzen, nun zufammen ausgehen zu laffen.

Giefsen. Adolf Harnack.

Und das eben ift es, was ich ausfprechen wollte: dafs
diefes Buch im ausgezeichneten Sinne fleh zum Lefe-
buch für jeden Gebildeten eignet.

Schon das Verhältnifs, in welchem die verfchiedenen
Stofiartcn behandelt find, trägt das Seinige dazu bei.
Die Gefchichte der Einrichtungen der Kirche ift im allgemeinen
viel kürzer gehalten, als die Gefchichte des
fortfehreitenden Lebens, der Begebenheiten, der Per-
fonen. Die Gefchichte der Lehre knüpft überall an das
Gemeinverftändliche an; die Wurzeln im reinMenfchlichen,
und Allgemeinchriftlichen werden aufgezeigt. Begebenheiten
, Thaten und Schickfale werden anfehaulich gemacht
durch Seitenblicke auf die Gegenwart oder doch
folche Dinge, welche in der Gegenwart jedermann bekannt
find. Die Anekdote belebt die Erzählung. Manches
, was zur Gefchichte der Kirche nur als Voraus-
fetzung gehört, wird in gröfserem Umfange, als fonft
gewöhnlich, hereingezogen, um durch das Gegenbild den
eigentlichen Gegenftand in das volle Licht zu fetzen,
und damit den weltgefchichtlichen Charakter des letzteren
zur Anfchauung zu bringen. Die Vertheilung der
Stoffe, die Reihenfolge der Abfchnitte vermeidet alle
Schranken des Syftems; fie ift frei und ungezwungen,
und die einzelnen Stücke flehen nebeneinander wie ein
Kranz von befonderen, in fich abgefchloffenen Bildern.
Im einzelnen Bilde ift auch die Entwicklung nach der
Zeitfolge nicht ftrenges Gefetz der Darftellung; die Er-
eignifse, Neuerungen, Kämpfe werden frei verwendet, um
zu zeigen, um was es fich fachlich gehandelt hat. Kri-
tifche Fragen, literarifche Controverfen find nur an einzelnen
Orten eingeflochten. Es ift vielleicht ein Vortheil für
den Verfaffer, dafs er in diefem und jenem Gebiete noch
den älteren Streitfragen näher fleht, als den Verhandlungen
der Gegenwart; er ift dadurch im Stande, das
Bild der Auffaffungen eines halben Jahrhunderts zu geben,
und jedenfalls nicht am Augenblicklichen zu haften und
die grofsen Fragen darüber zurückzuftellen.

Der zweite Theil, die nachconftantinifche Zeit, ift im
ganzen viel kürzer behandelt als der erfte. Auch dies
mag für die Beftimmung des Buches günftig fein; die
erften Jahrhundertc bleiben doch immer der Abfchnitt,
der für jedermann die gröfste Anziehungskraft hat. In
diefer erften Zeit ift die Bearbeitung fo mancher Abfchnitte
wie eine Abftimmung, welche jedem Fachge-

noffen wichtig fein wird. Freies und klares Urtheil be- Kürze defArbeitszeit, fehwerheh noch""etwas daran
gegnet uns über das Apoftelconcil, über die zweite zufetzen finden wird. Dafs dem fo ift, davon hat fich
Gefangenfchaft des Paulus, unbefangene Erwägung über jeder überzeugen können, welchem es in den letztver
Petrus in Rom, treffende Charaktenftik der Simonfage. gangenen Jahren vergönnt war, im Dienfte der Wiffen
Jedermann wird dem Verfaffer gerne in der Johanneifchen fchaft in Rom zu weilen. Ein Uebelftand beftand (und
Frage zuhören. Dje Wurojg«n^J>^Wtechwidto begeht zurn Theil auch noch jetzt) nur darin, dafs es

1. Rossi, G. B. de, La Biblioteca della Sede Aposlolica cd i

catalogi dei suoi manoscritti. I gabinetti di oggetti
di scienze naturali, arti ed archeologia annessi alla
Biblioteca Vaticana. Roma, Tipografia della Pace di
Filippo Cuggiani, 1884. (68 S. Lex.-8.) L. 3. —

2. Codices manuscripti Palatini Graeci Bibliolhecae Vaticanae

descripti praeside J. B. Cardinali Pitra Episcopo Por-
tuensi S. R. E. Bibliothecario. Recensuit et digessit
Henricus Stevenson Senior eiusdem bibliothecac
scriptor. (Vortitel: Bibliotheca Apostolica Vaticana
codieibus manuscriptis recensita iubente Leone XIII
Pont. Max. edita.) Romae, ex typographeo Vaticano,
MDCCCLXXXV. (XXXVII, 336 S. 4.)

Die Zeiten, wo man fich über erfchwerte Zugänglichkeit
der Vaticanifchen Ilandfchriftenfchätze beklagen
mufste, find vorüber — hoffentlich für immer. Mag die
Benutzung des Archivs auch jetzt noch von Befchrän-
kungen nicht ganz frei fein: die Verwaltung der eigentlichen
Bibliothek hat fich unter Leo XIII. zu einer fo
liberalen geftaltet, dafs man, abgefehen etwa von der

aus-

Blickc Baur's, bei allem Vorbehalt im einzelnen, ift fall
felbft wie ein hiftorifcher Act zu achten. Aber alles überwiegt
doch das Gefchick der gemeinfafslichen und anregenden
Verarbeitung, für welche noch auf den Abfchnitt
über Celfus verwiefen fein mag.

Tübingen. C. Weizfäcker.

Harnack, Prof. Dr. Adolf, Das Mönchthum, feine Ideale
und feine Gefchichte. 3. verb. Aufl. Martin Luther in

feiner Bedeutung für die Gefchichte der Wiffenfchaft
und der Bildung. 2. Aufl. Zwei kirchenhiftorifche Vorlefungen
. Giefsen, Ricker, 1886. (88 S. gr. 8.)
Da diefe beiden Vorträge in diefer Zeitfchrift bisher
überhaupt noch nicht erwähnt worden find, fo ift es dem
Verf. wohl geftattet, bei Gelegenheit der neuen Auflage
auf diefelben hinzuweifen und zugleich für die freundliche
Thcilnahme zu danken, welche fie gefunden haben.
Die Vorlefung über das Mönchthum habe ich an nicht
wenigen Stellen zu verbeffern und zu bereichern verflicht
, auch find die einfchlagenden neueren Monographien,
namentlich die Unterfuchung Carl Müller's über die

aufserordentlich fchwierig, ja oft geradezu unmöglich war,
fich aufscrhalb Roms über die handfehriftlichen Beftände
genügend zu informiren. Denn nur über einzelne Theile
der Bibliothek gab es gedruckte Kataloge, und die Mehrzahl
dcrfelben war entweder ganz ungenügend oder doch
unvollftändig und veraltet. Es erregte daher allenthalben
freudige Theilnahme, als vor etwa drei Jahren die Kunde
fich verbreitete, dafs der päpftliche Stuhl die Ausarbeitung
und Drucklegung von Katalogen über fämmtliche
Handfchriften der Bibliothek befchloffen habe; mit alleiniger
Ausnahme der orientalifchen Handfchriften, fofern
diefe in dem bekannten, unter den Aufpicien Benedict's
XIV. von den Affemani veröffentlichten dreibändigen
Werke bereits mit hinreichender Genauigkeit befchrie-
ben find.

1. Gewiffermafsen als Vorläufer des grofsen Unternehmens
erfchien vor etwa anderthalb Jahren die oben
an erfter Stelle genannte Schrift de Roffi's. In kurzen
Zügen orientirt uns der berühmte Archäolog, welcher
fich hier als nicht minder ausgezeichneten Kenner der
Vaticanifchen Bibliothek erweift (von dem kurzen Abfchnitt
über die mit der Bibliothek verbundenen anderweitigen
Sammlungen fehen wir hier ab), 1) über die