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Ausgabe: | 1886 |
Spalte: | 121-123 |
Autor/Hrsg.: | Olitzki, Marcus |
Titel/Untertitel: | Flavius Josephus und die Halacha. 1. Teil 1886 |
Rezensent: | Schürer, Emil |
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Theologische Literaturzeitung.
Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.
Ericheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. H inrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.
N°- 6.
20. März 1886.
11. Jahrgang.
Olitzki, Fl.Jofephus und die Ilalacha(Schürer).
Hafe, Kirchengefchichte auf der Grundlage
akademifcher Vorlefungen (Weizfäcker).
Harnack, Das Mönchthum. 3. Aufl. Martin
Luther. 2. Aufl. (A. Harnack).
Rossi, La Biblioteca della Sede Apostolica (v.
Gebhardt).
Stevenson, Codices mss. I'alatini Graeci Bib-
liothecae Vaticanae (Derf.).
Douais, Guidonis Practica inquisitionis (K.
Müller).
Zahn, Die ultramontane PrefTe in Schwaben
(K. Müller).
Baffermann, Handbuch der geiftlichen Be-
redfamkeit (Gottfchick).
Kurzgefafste Mittheilungen.
Berichtigung von Budde.
Olitzki, Dr. Marcus, Flavius Josephus und die Halacha. I haft und gering war' (S. 25, womit freilich feltfam con
Erfter Theil: Einleitung, die Opfer. Berlin, 1885
(58 S. 8.)
Jofephus giebt in feiner grofsen Gefchichte des jüdi-
fchen Volkes, im dritten und vierten Buche, auch eine
kurze Darfteilung der mofaifchen Gefetzgebung. Obwohl
diefelbe nur kurz und fummarifch ift, fo ift fie doch deshalb
von grofsem Intereffe, weil Jofephus nicht einfach
die pentatcuchifchen Beftimmungen reproducirt, fondern
vielfach die Gefetze, namentlich die Cultusgefetze, fo darfteilt
, wie fie von der fpäteren rabbinifchen Tradition
verftanden und zur Zeit des Jofephus thatfächlich gehandhabt
wurden. So ift feine Darftellung eine Haupt-
quclle für die Kenntnifs des jüdifchen Rechtes, namentlich
aber des jüdifchen Cultus im Zeitalter Jefu Chrifti.
Die andere, noch viel wichtigere und ergiebigere Quelle
ift die rabbinifche Gefetzestradition felbft, die fogenannte
,I lalacha', wie fie in der Mifchna und den anderen Werken
der rabbinifchen Literatur (Tofefta, Talmud, Midrafchim)
niedergelegt ift. Es liegt auf der Hand, dafs eine Ver-
gleichung beider Quellen fowohl für die Beurtheilung
des Jofephus als für die Beurtheilung der ,Halacha' von
grofser Wichtigkeit ift. Wo beide mit einander über-
einftimmen, dürfen wir ficher fein, die wirkliche Praxis
im Zeitalter Jefu Chrifti conftatirt zu haben. Wo fie jedoch
auseinander gehen, wird erft eine methodifche Unter-
fuchung fcftzuftellen haben, ob in der Darftellung des
Jofephus Ungenauigkeiten oder tendenziöfe Entftellungen
vorliegen, oder ob zur Zeit des Jofephus wirklich die
Praxis noch eine andere war, als es die rabbinifche
Halacha' verlangt, die wir doch erft in derjenigen Ausbildung
kennen, welche fie im Anfang des zweiten Jahrhunderts
nach Chrifto erlangt hat.
Der Verfuch einer folchen Vergleichung und Unter-
fuchung ift zum erftenmale in der hier anzuzeigenden
Schrift von Olitzki gemacht. Der Verfaffer hat für
feine Arbeit ein fehr gutes Vorbild an der ein ähnliches
Thema behandelnden Schrift von Bernh. Ritter gehabt
1 Philo und die Halacha, Leipzig 1879), welche die rabbinifche
I Ialacha mit den einfehlägigen Angaben bei Philo
vergleicht, der dem Range nach als die dritte Quelle über
das fragliche Thema zu betrachten ift. .Olitzki behandelt
jedoch zunächft nur einen Theil feines Thema s: Die
Opfergefetze (S. 34-58). Vorangefchi^
leitung, welche
kungen (S. 5
traditionellen Gefetze (S. 12—27),
Behandlung der Gefetze (S. 27 —33^ unterfuent. In
beiden Beziehungen urtheilt der Verf. ziemlich ungunltig
über Jofephus. Er gefleht ihm weder eine genaue Kenntnifs
, noch eine parteilofe Darfteilung der jüdifchen Gefetze
zu. ,Man kann von Jofephus' theoretischer Kennt-
traftirt S. 26, Anm. 34: ,Genaue Kenntnifs der Priefter-
und Opfergefetze fuchte fich gewifs Jofephus, der felbft
Priefter war, anzueignen'). Auch tendenziös gefärbt foll
die Darfteilung an manchen Punkten fein in dem apolo-
getifchen Intereffe, die jüdifchen Gefetze vor Griechen
und Römern in günftigem Lichte erfcheinen zu laffen.
In beiden Beziehungen wird ja der Verf. bis zu einem
gewiffen Grade Recht haben. Jofephus ift weder im
Punkte der Genauigkeit, noch im Punkte der Tendenz-
lofigkeit ein Mufter-Schriftfteller. Mir fcheint aber, dafs
gerade bei Darfteilung der Gefetzgebung feine Angaben
doch etwas fchwerer wiegen, als Olitzki anerkennt. O.
polemifirt hauptfächlich gegen die Meinung Geiger's,
dafs die Halacha nach der Zerftörung des Tempels und
dem Sturze der Priefterherrfchaft wefentliche Umbildungen
erfahren habe. Nach O. ift die Halacha, d. h. das
geltende Recht, immer diefelbe gewefen. Wo daher Jofephus
von ihr abweicht, ift er von vornherein im Unrecht
. So wenig ich nun auch die Phantafien Geiger's
vertreten möchte, fo fcheint mir doch O. in der Beftrei-
tung des Geiger'fchen Gedankens zu weit zu gehen. Dafs
die Halacha zuweilen an einzelnen Punkten geändert
wurde, ift fchon nach den rabbinifchen Quellen zweifellos
(f. meine Gefchichte des jüdifchen Volkes II, 274).
Wir haben daher kein Recht, bei Differenzen zwifchen
Jofephus und den rabbinifchen Autoritäten durchweg die
Darftellung der letzteren für die der Wirklichkeit ent-
fprechende zu halten, am wenigften bei den Specialitäten
des Cultus, den doch Jofephus noch gefehen und mitgemacht
hat, während ihn die Autoritäten der Mifchna
(einzelne Ausnahmen abgerechnet) nicht mehr aus eigener
Anfchauung kennen. Es ift fehr wohl möglich, ja wahr-
fcheinlich, dafs in manchen diefer Fälle Jofephus die
wirkliche Praxis befchreibt, während die Autoritäten der
Mifchna nur ihre eigene fpätere Theorie geben. So
dankenswerth alfo die Mittheilung des Materiales ift, das
Olitzki zufammengeftellt hat, fo fehr wird feine Beurtheilung
desfelben da und dort der Berichtigung bedürfen.
Es fei geftattet, dies nur an einem einzelnen Bei-
fpiele noch zu zeigen. Nach Jofephus Antt. IV, 8, 22
gab es drei verfchiedene Zehnten : 1) Den Zehnt für die
Leviten, 2) den fogenannten zweiten Zehnt, der vom
Eigenthümer felbft zu Opfermahlen in Jerufalem verwendet
werden mufste, nach Deut. 14, 22—26, und endlich
3) den Armenzehnt, nach Deut. 14, 28—29; 26, 12.
Die beiden erfteren waren jährlich zu entrichten, der
letztere kam in jedem dritten Jahre noch dazu. So Jofephus
. Olitzki nimmt aber mit den jüdifchen Gelehrten
der talmudifchen und nachtalmudifchen Zeit an, dafs
der zweite und dritte Zehnt mit einander abwechfelten, fo
dafs je zwei Jahre lang der eine und im dritten Jahre
der andere darzubringen war. Und er betrachtet des-
nifs der traditionellen Gefetze fagen, dafs fie fehr mangel- halb die Darftellung des Jofephus als eine irrige (S. 15
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