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Ausgabe:

1886 Nr. 5

Spalte:

114-115

Autor/Hrsg.:

Teichmann, C.

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der christlichen Religion 1886

Rezensent:

Gottschick, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 5.

114

Rcftimmtheit entkleideten Unterrichts in den Gegenftän- _ . i>v iu »' e; n

den, die nicht zum Religionsunterricht gehören, ift aus Teichmann, Pfr. Relig.-Lehr. C, Lehrbuch der christlichen
dem ALR. nur durch eine gewagte Argumentation in- Religion. Für evangehfehe Lehrer- und Lehrerinnen-
direct abzuleiten oder eigentlich in dasfelbe hineinzulegen. Seminare, auch für die Pri men von Gymnafien und
In der zweiten Abhandlung redet der Verf. nicht Realgymnafien und zum Privatftudium. Mit 1 (chro-
wie in der vorigen als fachmännifche Autorität. Doch molith.} Welt-Miffionskarte. Frankfurt a/M., Rommel
fehlt auch hier nicht eine Reihe treffender, von rieh- ' ' '

tigern Sachverftändnifs zeugender Bemerkungen. Die zu l884- (IV, 285 S. gr. 8.) M. 3. 60.
Gunften der Confeffionsfchule gern gebrauchte Berufung j Dies Buch ift einerfeits für den Unterricht zunächft
auf die Erziehungsaufgabe der Schule wird auf ihr rieh- ■ an Lehrer- und Lehrerinnen-Seminarien, fodann in den
tiges Mafs zurückgeführt und die Thatfache anerkannt, Primen der Gymnafien und Realgymnafien beftimtnt,
dafs die Schule in erfter Linie Unterrichtsanftalt ift. Aber andererfeits foll es auch den angehenden Lehrern noch
auch von diefer Vorausfetzung aus tritt die Schwierig- Rath und Anweifung geben und weitere Kreife in dem
keit, theilweife Unausführbarkeit einer ,confeffionslofen' 1 Verftändnifs der chrifthehen Religion und der kirchlichen
Behandlung der Gegenftände einleuchtend hervor. I Angelegenheiten orientiren. Ref. hält es für unmöglich,

Die Schwäche des von Gneift vertretenen Stand- dafs ein Buch alle diefe fo verfchieden gearteten Aufpunkts
liegt zum grofsen Theil in der Unklarheit der gaben zugleich erfüllen könne, und ift durch den vor-
zu Grunde liegenden Begriffe. Wie vieldeutig fchillernd , liegenden Verfuch ihrer gleichzeitigen Löfung in diefer
der Begriff des ,Confeffionellen' ift, ift allbekannt. Das '■ Ueberzeung nur beftärkt worden. Vielleicht fchon die
Wort klingt in fataler Weife an Confeffionalismus an; Bcftimmung für Seminare, jedenfalls aber die Abficht

aber, wie Bierling richtig hervorhebt (S. 158), die con
feffionclle Schule mufs darum, weil fie dies ift, gar nicht
nothwendig dem Confeffionalismus dienen. Nicht weniger
unklar ift auf der anderen Seite, was unter dem geforderten
,rein wiffenfchaftlichen' Unterricht gedacht fein
mag, man fucht vergeblich nach einer fafsbaren Definition
. Wie beifpielsweife eine wiffenfehaftliche Behandlung
der deutfehen Gefchichte möglich fein foll, ohne
dafs diefelbe entweder vom proteftantifchen oder vom
ultramontanen Standpunkt aus angefehen wird, ift unerfindlich
. Eine blofse Aneinanderreihung nackter äufserer
Vorgänge, ohne zufammenhaltendes geiftiges Band, wäre
ficherlich das allerunwiffenfchaftlichfte Verfahren. Der
Gefchichtslehrer mufs feine Wahl zwifchen Ranke und
Janffen getroffen haben. Oder foll als der höhere, rein

wunden erfcheinen, der der materialiftifchen Gefchichts-

auch über die Seminarzeit hinaus und weiteren Kreifen
zu dienen, haben eine encyklopädifche Anlage im Gefolge
, die den pädagogifchen Rückfichten zuwiderläuft,
und bedingen ein Mafs von Einführung in die Bibelkritik
, das insbefondere auf der Stufe, auf welcher die
Einführung in das A. T. auf den höheren Schulen ftatt-
finden mufs, pädagogifch unzuläffig ift. Andererfeits führt
die Abficht, ein Schulbuch zu liefern, eine Kürze der
Darfteilung, eine blofse Mittheilung von Refultaten herbei
, die jenen weitergehenden Zwecken nicht förderlich
ift. Das Gefagte gilt nur von den beiden erften Theilen,
der Bibelkunde und der Kirchengefchichte, und insbefondere
von der erfteren. Diefelbe giebt eine ftofflich
geradezu erdrückende Ueberficht über den Inhalt der
Bücher des N. und A. T.'s, die eins nach dem andern be-

wiffenfchaftliche Standpunkt, durchweichen beide über- handelt werden. Uebrigens ift die kritifche Haltune, die

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der Verf. hier hervortreten läfst, eine befonders im N. T.

conftruetion nach Buckle und Hellwald gelten? Wie man fehr mafsvolle, und es ift anzuerkennen, wie derfelbe fich
aber wiffenfehaftlich foll Gefchichte treiben können, ohne bemüht, wo er die Gefchichtlichkeit biblifchen Stoffes
zu den confeffioncllen Problemen auf die eine oder an- beanftandet, die eigentlich bedeutfamen religiöfen Ge-
dere Weife Stellung zu nehmen, hat noch Niemand zu fichtspunkte, die fich in demfelben ausgeprägt haben,
fagen gewufst. Aehnliches gilt — abgefehen allenfalls 1 in's Licht zu ftellen. Wie mifslich die Mittheilung fer-
von der Mathematik — mehr oder weniger von allen Lehr- j tiger Refultate der Kritik im Unterricht ift, dafür dürfte
fächern. Für die Naturwiffenfchaften giebt es wie bekannt I der Verf. den Beweis infofern geliefert haben, als feine
einen Standpunkt, der fich felbft mit Emphafe als den , eigenen kritifchen Pofitionen und Negationen einen fehr
rein wiffenfchaftlichen darfteilt, und von dem aus der j eklektifchen Charakter an fich tragen. In der Kirchenganze
Gottesglaube mit Allem, was religiös und fittlich gefchichte fcheint er dem Ref. in der Mittheilung des
daran hängt, als ,confeffionelle' Einengung der Wiffen- ; Einzelftoffes bisweilen viel zu weit gegangen zu fein,
fchaft a limini abgewiefen wird. Soll das der geforderte Gottfchalk, Scotus Erigena, Ofiandcr, Stankarus — das
,rcin wiffenfehaftliche' Standpunkt fein? oder welcher find doch Dinge, die für keinen der Kreife, welchen das

ionft? _ Das unterfcheidende Wefen der Confeffionen j Buch dienen will, eine Bedeutung haben. Dagegen dürfte

befteht eben nicht in einem Gerüfte von fo oder anders ! für fie alle es werthvoll fein, dafs von der geiftigen Eigen-
gearteten Dogmen. Katholicismus und Proteftantismus art der Perioden der Kirchengefchichte ein anfehaulicheres
find zwei grofse Weltanfchauungen, welche weit über ; Bild gegeben würde, als es der Verf. gethan hat. Z. B.
das dogmatifche Gebiet im engeren Sinne hinauswirken. ; der enthufiaftifche und weltflüchtige Charakter des ur-
Iffe,deutfche Wiffenfchaft", ,deutfchc Literatur', für welche < fprünglichen nachapoftolifchen Chriftenthums, die Helle-
Gne'ift das Gebiet der Schule in Anfpruch nimmt (S. 31), | nifirung des Chriftenthums, die in der katholifchen
ift proteftantifche Wiffenfchaft, proteftantifche Literatur. Kirche zugleich mit -der Einlebung in die Welt be-
Es ift auch falfch, von der Kirche, wie Gneift thut (S. 30), ginnt, die Keime des mittelalterlichen Katholicismus in
ZU reden als von'der .Corporation des Clerus', welche ihr Auguftin, die Concentration der verfchiedenen Momente
I ebenselement in einem unwandelbar feftftehenden des mittelalterlichen Chriftenthums in einer Perfönlich-
Dogmenfyftem befitze. Das ift echt confeffionell geredet, j keit, wie der h. Bernhard, die Abhängigkeit der Reformnämlich
katholifch confeffionell, aber auf die evangehfehe ] verfuche gegen Ende des MA. von dem katholifchen

Kirche trifft es nicht zu und kann darum auch nicht zu
richtigen praktifchen Folgerungen führen.

Eine pofitive Löfung der Frage bietet Bierling nicht
und verfucht er nicht zu bieten. Aber dafs die Pormel

Lebensideal, das find Dinge, von denen man hier keine
deutliche Anfchauung gewinnt. — Dagegen ift der Abrifs
der Glaubens- und Sittenlehre, in welchem fich der Verf.
wefentlich an Ritfchl's Unterricht in der chriftlichen Re-

von dem confeffioncllen Religionsunterricht und dem rein j hgion angefchloffen hat, wohl geeignet, ein lebendiges

wiffenfchaftlichen Unterricht in den Wiffenfchaften dazu Verftändnifs der chriftlichen Heilswahrheit zu begründen,

nicht ausreicht, ift erwiefen. Sie trägt dieKeimeeinesDua- Ref. möchte aber einige Einzelheiten, die ihm aufgefallen

lismus in fich, welcher für die Schule und für dasgeiftige find, notiren. Der eigenen Anficht des Verf.'s entfpricht

Leben des Volks höchft verhängnisvoll werden konnte, es nicht, wenn das Chriftenthum oder die Offenbarung

'Mainz K. Köhler. I Gottes in Chrifto oder die chriftliche Gotteserkenntnifs