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Ausgabe:

1886

Spalte:

110-111

Autor/Hrsg.:

Bersier, Eugène

Titel/Untertitel:

Coligny vor den Religionskriegen 1886

Rezensent:

Schott, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 5.

110

machen das Studium des Lechler'fchen Werkes zu einem I von mir angeführten Citate (211—221.240-253.256—258),
lehr angenehmen. welche theilweife auch Kawerau überrafcht haben, noch

Göttingen. W. Bornemann.

einmal genau zu wägen. Die fcholaftifche Lehre im
15. Jahrh., die päpfllichen Bullen, Luther und untere
Symbole zeigen, dafs man im Jubelablafs als dem vollen
Erlafs von Schuld und Strafe die gröfste Mani-
feftation der der Kirche im Bufsfacrament gegebenen
Gewalt erblickt hat. Der proteusartige Name Ablafs
führt, wie ich gezeigt habe, nur irre. Am bellen fpricht
man im Sinne jener Zeit nur von dem Bufsfacrament
als bedingtem und unbedingtem. Ich werde Gelegenheit
haben, durch neue Quellen meinen Standpunkt zu beteiligen
. Auch mit der Herleitung des Bedenklichen am
Ablafs aus der attritio allein kann ich mich nicht einverstanden
erklären. Der Herr Verf. weilt felblt nach
(p. 12), dafs gemäfs der fcholaftifchen Lehre die Kraft
des Sacramentes die attritio zur wahren Reue macht.
Dann ift alfo doch das Letzte der Glaube an die Prä-

Dieckhoff, Konfitt.-R. Prof. Dr. A. W., Der Ablassstreit.

Dogmengefchichtlich dargeltellt. Gotha, F. A. Perthes,
1886. (VIII, 260 S. gr. 8.) M. 6. —

Zu den durch das Janffen'fche Gefchichtswerk hervorgerufenen
Specialftudicn in der Reformationsgefchichte
gehören auch die erneuten Unterfuchungen über das
Wefen des Ablaffes. Zuerfl baute Kawerau in feinem
Streit mit Janffen diefes Feld von Neuem an. Dann er-
fchien eine ausführliche Arbeit des unterzeichneten Ref.
(Luthers 95 Thefen u. ihre dogmenhilt. Vorausf. Göttingen
1884). Ihr reiht fich in beachtenswerther Weife
das vorliegende Buch als Programm der Roftocker Fa-
cultät für das Lutherjahr an. Der Herr Verf. erkennt 1 ponderanz des Gnadenfactors. Und es ift jedenfalls eine
das Ungenügende der Köftlin'fchen und Kolde'fchen Einfeitigkeit diefes Buches, wenn zur Erklärung des
Auffaffung, wonach nämlich das Verwerfliche am Ablafs j ganzen Phänomens die Lehre von der Macht des Prie-
nicht fowohl in der Theorie als in der Confundirung des [ fterthums nicht genügend hinzugezogen wird. Sie allein
Erlaffes der Sündenltrafen mit den Kirchenftrafen durch i fetzt uns in den Stand, die ftaunenerregende Wirkung
Ablafshändler und Volk gelegen habe. Er verlegt mit j der Thefen zu verliehen und dem Geift der mittelalter-
Recht das Schwergewicht der Sache auf die dogmen- , liehen Kirche gerecht zu werden. Denn eine Lehre von
gefchichtliche Erörterung und fragt, ob in der officiellen der Reue gleich Devotion unter eine Autorität, wenn
kirchlichen Lehre felbft der Grund des Verderbens liegt, j auch eine ufurpirte, rettet noch den idealen Gehalt der-
Zutreffend fieht er in der falfchen Lehre von der Bufse | felben. Für eine Kirchengemeinfchaft aber, wo die Bufse
refp. ihrer Caricatur im Begriff der von Paltz felbft als zur blofsen Galgenfurcht herabgefunken ift, hat eine
Galgenreue bezeichneten attritio den Hauptanklagepunkt Achtung nicht mehr Platz, wie fie doch Luther noch
gegen das ganze Inilitut. Durch'das Urtheil des kritifch J gehabt hat. Von diefem Irrthum in der Definition des
irbeitenden Herrn Verf.'s werden meine Refultate auch 1 Ablaffes hängt der Mangel einer organifchen Gliederung

über die religiös-fittliche Verwerflichkeit des Ablaffes
beftätigt. Im Befonderen mufs ich die Enthüllung des
Irrthums Janffen's über die Beichtbriefe (p. 26—35) als
vollltändig gelungen bezeichnen. Denn eben weil der
Beichtbrief nicht blofs die pfarramtliche Seelforge unterbrach
, fondern auch den felbftgewählten Beichtvater zur
unbedingten Abfolution und zur Sufpendirung der Kir-
chenbufse verpflichtete, wäre die Reue fchon beim Ankauf
chriftliche Pflicht gewefen. — Das Buch zerfällt in
drei ungleiche Theile. Der dritte bildet fchon quantitativ
(p. 72—258) den Haupttheil und umfafst den auf die
Thefen folgenden Schriftenftreit bis zur Intervention von
Miltitz. Er bietet im Wefentlichen nichts bisher Unbekanntes
, fchildert aber klar und umfaffend die innere
Entwicklung Luther's bis zur Leipziger Disputation.
Voraufgeht eine Einleitung (p. 1— 39), welche die dogmen-
hiftorifchen Vorausfetzungen und die Motive der Thefen

der Thefen ab. Im Einzelnen hätte ich hier Manches
zu beanflanden.

Möchten die kath. Gelehrten an diefem jedenfalls
neue Baufteine für eine prot. Reformationsgefchichte
liefernden Werke Veranlaffung nehmen, endlich aus ihrer
Referve hinfichtlich einer fachgemäfsen Erwiderung auf
unfere Arbeiten hervorzutreten.

Breslau. Bratke.

Bersier, Pfr. Eugene, Coligny vor den Religionskriegen.

Vom Verfaffer autorifirte deutfehe Ueberfetzung. Mit
einem Vorwort von Konfül.-R. Dr. A. Ebrard. Bafel,
Riehm, 1885. (XX, 280 S. gr. 8.) M. 4. 80.

Eine neue Schrift über Coligny wird immer zahlreiche
proteflantifche Lefer finden; ift doch der Admiral
behandelt; der zweite Theil (p. 40—71) befpricht Inhalt ; von Frankreich eine jener feltenen Geftalten, auf welche

und Charakter der Thefen, den Werth des Ablaffes, das | man nur mit unverhohlenem Wohlgefallen blicken kann;
Verhältnifs der Thefen zur evang. Rechtfertigungslehre, wie er zu Lebzeiten aller Augen auf fich gezogen hat
endlich das Verhältnifs Luther's zur beftehenden Ord- | nicht durch den Glanz feiner Siege, denn er war in den
nung der Kirche und zur Papftgewalt. Ablafs- und l Schlachten meiftens unglücklich, nicht durch hohe ftaats-
Beichtwcfen, das Fundament der ganzen Unterfuchung, ! männifche Begabung, denn von Genialität ift in dem
werden auf nur 15 Seiten dargeftellt. Den Ablafs erörtert praktifchen Manne nichts zu finden, fondern durch die
der Herr Verf. fad nur nach den früheren Aeufserungen harmonifche Vereinigung von Tapferkeit und Bürger-
Luther's und nach Tetzel. Statt der zu erwartenden ge- tugend, von Patriotismus und Chriftenthum, von Selbft-
naucn Ivrürterung der kirchlichen Lehre vom Bufsfacra- lofigkeit und edlem Stolze, fo blickt auch die Nachwelt
ment bietet er einzU die Lehre des Gabriel Biel von ftets mit einer Art Verehrung auf den trefflichen Helden,
der Reue und Abfolution. Es gehört aber zu den an- den fein tragifches Ende überdies zu den gepriefenflen
erkannten Refultaten meiner Arbeit, dafs weder Tetzel Märtyrern unferes evangelifchen Glaubens (teilt. Einer
noch Biel der Mikrokosmos des vorreformatorifchen folchen Gefinnung ift das vorliegende Buch entfprungen,
Ablafswefens find. Dafs der Ablafs (ich fetze hinzu: zu dem fteinernen Standbilde, das fich nicht fern von
eben diefer im Unterfchied vom Plenarablafsj den Erlafs | der Stelle erheben foll, wo C. fein Leben gelaffen, foll es
nur der zeitlichen Strafe bezeichnete, dafs durch die ein literarifches Gegenftück fein und in möglichft treuen

Lehre von der attritio die facramentale Abfolution zu
Gunflen der rein jurisdictionellen nivellirt worden fei, ift
richtig, aber das Gefammtbild, das der Herr Verf. entwirft
' entfpricht m. E. der Sachlage nicht. S. 55 giebt

Zügen das Bild des Helden wiedergeben. Dies ift auch
dem Verfaffer gelungen; die Arbeit ift genau und zu-
verläffig, die vorhandenen Quellen find ausgiebig und
umfichtig benutzt, auch die deutfehen Werke find ver-

r felbft zu, dafs die Inftruction des Arcimboldus die werthet (,Gerechtigkeitshalberll S. X), auch einige wenige
Gabe des Plenarablaffes als die Gnadengabe der Ver- handfehriftliche Funde hinzugefügt. Nur der ertte, zwar
föhnung bezeichnet. Aber nur diefe? Ich bitte doch die 1 längere, aber weniger bekannte Theil des Lebens von