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Ausgabe:

1886

Spalte:

97-98

Autor/Hrsg.:

Belsheim, J.

Titel/Untertitel:

Das Evangelium des Marcus nach dem griechischen Codex Theodorae Imperatricis purpureus Petropolitanus 1886

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung

I lerausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 5. 6. März 1886. 11. Jahrgang.

Belsheim, Das Evangelium des Marcus nach
dem Cod. Theodorae (A. Harnack).

Massebieau, Examen des citations de l'A. T.
dans l'evangile Selon S. Matth. (Schürer).

Ufteri, Die Selbftbezeichnung Jefu als des
Menfchen Sohn (Schürer).

Bey f chlag, Das Leben Jefu. I. Th. u. 2. Th.
I. Lief. (Weizfäcker).

Lechler, Das apoftol. u. das nachapoft. Zeitalter
. 3. Aufl. (Bornemann).

Dieckhoff, Der Ablafsftreit (Bratke).

Berfier, Coligny vor den Religionskriegen
(Th. Schott).

Bierling, Die konfeffionelle Schule iu Preufsen
und ihr Recht (Köhler).

Teichmann, Lehrbuch der chriftlichen Religion
(Gottfchick).

Lucius, Die Kräftigung des Miffionsfinnes
(Baffennann).

Böhmert, Der Pfarrer von Rofswein (Rade).

Belsheim, J., Das Evangelium des Marcus nach dem griechischen
Codex Theodorae Imperatricis purpureus Petro-
politanus aus dem 9. Jahrhundert, zum erften Mal hrsg.
Mit einem Facfimile, nebft einer Vergleichung der
übrigen 3 Evangelien in demfelben Codex mit dem
Textus receptus. Chriftiania, [Dybwad], 1885. (51 S.
gr. 8.) M. 2. —

In der öffentlichen kaiferlichen Bibliothek zu St. Petersburg
befindet fich eine griechifche Handfchrift der
4 Ew. mit goldener Curfivfchrift auf Purpurpergament
gefchrieben. Diefelbe ift in dem von E. von Muralt
herausgegebenen ,Cataloguc des Mss. Grecs de la Biblioth.
Imp. publ.' (1864) als Nr. 53 bezeichnet und wurde i. J.
1829 vom Metropoliten Sylvelter im türkifchen Klofter
des Johannes in jumifch-Khane in Kleinafien durch Ver-
mittelung des ruffffchen Hauptmanns Korganow dem
Kaifer Nicolaus gefchenkt. Nach einer vom Metropoliten
Sylvefter erzählten Sage foll diefe Handfchrift von einer
griechifchen Kaiferin Theodora gefchrieben fein. E.
von Muralt hat fie ausführlich befchrieben (Bullet, scientif.
public par lacademie Imp. des sciences de St.-Petersbourg
IV Nr. 77 1838). Er hat das 9. Jahrh. als Datum für
die Handfchrift ermittelt. Ift alfo die Legende in Bezug
auf die Theodora zuvcrläffig, wenn auch nur in der
Gcftalt, dafs die Handfchrift der Kaiferin gehört hat, fo
ift nicht die Monophyfitin des 6. Jahrhunderts, auch
nicht die Gattin Leo's des Armeniers, fondern die Bilder
verehrende Kaiferin Theodora, die aus Paphlagonien,
nicht weit von dem Klofter St. Johann flammte, zu verliehen
. Die koftbare Ausftattung fpricht für kaiferlichen
Urfprung — der Text ift durchweg in Curfiv mit Gold-,
die Noten mit Silberfchrift in Uncialen gefchrieben —,
,die forgfältig gemalten Bilder der 4 Evangeliften und
eine Menge kleiner Bilder fcheinen für die berühmte
Begründerin des Bilderdienftes zu fprechen'. Auf die
Bedeutung der Randgloffen, deren Vorlage z Th. jedenfalls
viel älter ift als die Handfchrift, hat fchon Muralt
gebührend aufmerkfam gemacht. Vor allem ift die Notiz:
eyoaqm xai uvreßh,lJn buoicog e* TwvitQoovbouujv uuKintov
aruyyucrtor von Wichtigkeit. Auch die Angabe ift be-
merkenswerth, dafs das Mtth.-Ev. 8 Jahre nach der
Himmelfahrt von Matthäus hebräifch gefchrieben und von
Johannes — tvC UyöVOi - überfetzt worden fei. ünge-
niftifche Gelehrfamkeit hat fich bis zu dem Schreiber
der Noten fortgepflanzt; fo wird zum Lucasprolog das
Aegypter-Ev., das Ev. der 12 Apoffel, des Baf.l.des
Thomas, Matthias erwähnt. Der Urheber der Handfchrift
fagt, er habe die Perikope von der Ehebrecherin weg-
gelaffen, weil fie in den jetzigen Abfchriften nicht
flehe, u. f. w. , , , „

Der Text war bisher nicht edirt; Belsheim, der

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unermüdliche und textkundige Gelehrte, hat ihn i. d. JJ.
1879. 1880 verglichen und hier veröffentlicht. Leider
aber hat er um der Korten willen darauf verzichtet, die
vier Evangelien abzudrucken. Er hat fich auf das
Marcus-Ev. befchränkt und bei den übrigen nur die
Varianten zum textus receptus gegeben. Die Abweichungen
von diefem find bei dem Marcus-Ev. befonders zahlreich.
Belsheim hat die Urfache diefer Erfcheinung aufgedeckt:
,das Ev. des Marcus folgt in unferer Handfchrift beinahe
ganz der abendländifchen Textrecenfion, fehr oft
Cod. D, während die übrigen Ew. der byzantinifchen
folgen, ein Verhältnifs, welches dem Sachverftändigen
alsbald in die Augen fallen wird'.

Giefsen. Adolf Harnack.

Massebieau, Eugene, Examen des citations de l'Ancien
Testament dans l'evangile selon Saint Matthieu. Memoire

couronne par la Faculte de Theologie protestante de
Paris. Paris, Fischbacher, 1885. (105 p. gr. 8.)

Wie der Titel befagt, ift diefe Arbeit eine von der
proteftantifch-theologifchen Facultät zu Paris gekrönte
Preisfchrift. Als specimen eruditionis eines Studenten ift
fie jedenfalls eine fehr refpectable Leiftung, forgfältig im
Detail und methodifch in der Unterfuchung. Auch ift
fiejfchon deshalb von Werth, weil es die erfte eingehende
Monographie über den behandelten Gegenftand in fran-
zöfifcher Sprache ift. Leider find dem Verf. aber (wie
feine bibliographifche Ueberficht S. 4—5 zeigt) gerade
die forgfältigften und ausführlichften Behandlungen des
Gegenftandes innerhalb der deutfchen theologifchen Literatur
unbekannt geblieben (Credner, Beiträge zur Einleitung
in die biblifchen Schriften, 2. Bd. 1838, Anger,
Ratio qua loci Veteris Testamenti in evangelio Matthaei
laudantur, quid valeat ad illustrandum hujus evangelii ori-
ginem quaerilur, drei Leipziger Univerhtätsprogramme,
1861 —1862, Böhl, Die altteftamentlichen Citate im Neuen
Teftamente, Wien 1878). Dies ift deshalb zu bedauern,
weil er durch diefe Vorarbeiten doch auf manche Einzelheiten
aufmerkfam gemacht worden wäre, welche ihm
nun entgangen find, oder die doch nicht in fo erfchöpfen-
der Weife behandelt werden, wie man es von einer derartigen
Monographie erwarten mufs. So ift z. B., um nur
eines zu bemerken, bei Befprechung des Citates Matth.
19, 18 unerwähnt geblieben, dafs die Reihenfolge der Gebote
ov tpovdotig ov uoiyeioiug in der Parallelftelle bei
Luc. 18, 20.die umgekehrte ift, und dafs bei Marc. 10, 19
die Lesart der Handfchriften fchwankt. Die Differenz
geht bekanntlich auf eine Differenz des Septuagintatextes
(oder wenigftens einer Gruppe des Septuagintatextes, vgl.
auch Rom. 13, 9, Jak. 2, 11 und Philo) vom maforethi-
fchen Texte zurück, und hätte hier um fo nothwendiger

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