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Ausgabe:

1886

Spalte:

628-629

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf

Titel/Untertitel:

Prof. Völter‘s „Streitschrift“ 1886

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man ihr auf die Dauer den Eintritt verwehren dürfen
und können?

Am Meiften kann ich mich fchliefslich mit dem dritten,
praktifchen Theil einverftanden erklären. In dem Abschnitt
, der von den ,Predigtfloffen' handelt, führt der
Verf. den einleuchtenden Beweis, wie fehr fich eine um-
faffendere Benutzurg des A. T.'s in der Predigt nach ver-
fchiedenen Seiten hin lohnt; über ,Textwahl' giebt er
fehr Beherzigenswerthes und Brauchbares, auch die Behandlung
altteft. Texte' bringt gefunde Grundfätze, und
die .erläuternden Beifpiele' endlich erwecken, da von
den .Präfigurationen' doch ein fehr fparfamer Gebrauch
gemacht und mehr das Religiös - Pfychologifche und
Ethifche in den Vordergrund gerückt wird, geradezu
Luft und Muth zum Eintreten auf altteftamentliche Texte.
Jedenfalls erhebt fich das hier Gebotene weit über die
fonft übliche, von B. ganz richtig in ihrem Unwerth
taxirte (S. 296) Mittheilung von ,Dispositionen'.

Gelöft hat meines Erachtens der Verf. die von ihm
angeregte Frage nicht; aber er hat ein reiches Material
zu ihrer Löfung zufammengetragen und eine hoffentlich
nicht vergebliche Anregung zu weiteren Verfuchen gegeben
, für welche ihm die praktifche Theologie, zu deren
akademifchen Vertretern er jetzt gehört, dankbar zu fein
Urfache hat.

Heidelberg. Baffermann.

Kurzgefasste Mittheilungen.
Oosterzee, weil. Prof. J. J. van, Die Theologie des Neuen

Testaments. Ein Handbuch für akademifche Vorle-

fungen und zum Selbftftudium. 2. verm. Aufl. Bremen,

Heinfius, 1886. (XII, 279 S. gr. 8.) M. 3. 50.

Die erfte deutfche Ausgabe diefes Buches erfchien 1869. Von
dem holländischen Originale erfchien 1872 eine .zweite vermehrte' Auflage
, ohne dafs ihr bisher eine entfprechende deutfche Ausgabe gefolgt
wäre. Inzwifchen ift der Verfaffer 1882 geftorben. Da jetzt eine zweite
deutfche Auflage nöthig geworden ift, fo verftand es fich von felbft, dafs
in diefelbe alle Verbefferungen und Ergänzungen der zweiten holländifchen
Auflage aufgenommen wurden. Aufserdem fügte der Herausgeber, Paftor
Coerper in Elberfeld, auch noch eigene Anmerkungen hinzu, um die
Literaturangaben bis auf die Gegenwart herabzuführen. Alle diefe Ergänzungen
, welche die deutfche Ausgabe erfahren hat, find aber nicht
von erheblicher Art, fo dafs der Charakter des Buches im Wefentlichen
unverändert geblieben ift.

Cler, Samuel, La notion de la loi dans S. Paul. Etüde de
Theologie biblique (These). Alencon, 1886. (62 S.
gr. 8.)

In fünf Capiteln behandelt der Verf. feinen Gegenstand. Er ana-
lyfirt erftens den Begriff des Gefetzes bei Paulus [a) Norm überhaupt,
b) natürliches Gewiffen der Heiden, c) jüdifches Gefetz] und Stellt feft,
dafs die Hinzufügung oder Abwefenheit des Artikels bei vöfiog für den
Begriff desfelben gleichgültig ift; zweitens unterfucht er die Bedeutung des
Gefetzes für das Individuum; drittens beftimmt er die Stellung des Gefetzes
in der Gefchichte der Menfchheit nach Paulus; viertens fragt er,
welche Bedeutung Paulus dem Gefetz im Evangelium beilegt. Hierauf
folgt die Schlufserörterung: ,Considerations sur l'e'nsemble de la lAeorie'.
In ihr wird u. a. die Frage erörtert, ob die Vorstellungen des Apoftels
vom Gefetz einheitliche gewefen feien. Der Verf. fetzt fich dabei mit
Pfleiderer, Mendgoz und Ritfehl auseinander, wie er denn überhaupt
die einfchlagende Literatur forgfältig berücksichtigt hat.

Lipsius, Geh. Kirchenr. Prof. Dr. R. A., Die Pilatus-Acten.
kritifch unterfucht. Neue verm. Ausg. Kiel, C. F.
Haeseler, 1886. (IV, 45 S. Lex. 8.) M. 2.—

Diefe neue Ausgabe der kritifchen Untersuchung der Pilatusacten ift
durch ein vorgebundenes Blatt bereichert, auf welchem der Verfaffer zahlreiche
gröfsere und kleinere Berichtigungen fowie Verweifungen gegeben
hat. Die Ergebnifse der Unterfuchung find dadurch nicht modificirt; fie
haben fich dem Verf. auf's neue erprobt.

Usener, Herrn., Acta S. Marinae et S. Christophori. Bonnae,

Formis C. Georgii Univ. Typogr., 1886. (80 S. gr. 8.)

Der berühmte Philologe, dem wir fchon fo viele fch ätzbare Beiträge
zur alt christlichen Literaturgefchichte, insbefondere zur Märtyrergefchichte,
verdanken, hat hier wiederum zwei Legenden, die man bisher nur unvollkommen
kannte, in griechifcher Sprache veröffentlicht. Beide Hammen
; aus dem Cod. Paris, biblioth. nalion. gr. 1470 (ann. 9909. Die Acten
der h. Marina find ein Seitenftück zu den Acten der h. Pelagia und haben
I daher ein befonderes Interefle. Die Acten des h. Chriftophorus ent-
. täufchen, wie der Herausgeber felbft bemerkt, den Lefer, find aber fprach-
1 lieh nicht ohne Werth. Die Vorzüglichkeit der Edition bedarf der Hervorhebung
nicht. Es fei geftattet, hier auf eine weitere Publication des
Verfaffers hinzuweifen. Ufener hat neulich eine Weihnachtspredigt des
Patriarchen von Jerufalem, Sophronios, vom 25. Dec. 634, die bisher nur
in lateinifcher Ueberfetzung und unvollftändig bekannt war, aus einer
I Münchener und einer Parifer llandfchrift veröffentlicht. Diefe Predigt
1 wird dem Hiftoriker ebenfo werthvoll fein wie dem Theologen. Diefelbe
ift gehalten, während die Araber bereits die Landschaft um Jerufalem
durchstreiften , Bethlehem befetzt hatten und es der Gemeinde von Jeru-
: falem verwehrten, nach gewohnter Weife das Geburtsfeft Chrifti an der
Geburtsftätte zu begehen. Auf diefe Lage nimmt die Predigt Rückficht.
! In theologifcher Hinficht ift fie überaus lehrreich, weil ein treffliches
Specimen der damaligen Dogmatik. Ich hebe einen Satz heraus, der
zeigen wird, dafs die freonotijatg das unveränderliche Ziel der byzan-
! tinifchen Dogmatik gewefen ift: xiq obx ei' xi xaneivbv danaodpierog
ereoU nlovxqaot fteöxtjta; Sia xovxo yap uvirQwnivrjV Ttxw/eiav
ivövexaij 'tva &eovg ijptäg uneQyäarjxai yäpixi. xal xavxa /xeXwöwv
6 'teonaxusp daßlä ixeoexiQe npo>prjXcxaTg t-AXa/möpievog yäpiot
xal xov «'s; avxov xey&rjaopievov Xoioxov npoopäiv xa ÖwQrjiiaxa
j xal treixoe oa<pwg xaxopfruiptaxa' ,liyai eina' treoi ioxe xal vi.ol
vxpiaxov nävxeg'. Heriq ev ripttv {eeu>(rw//sv üeiatc ptexaßokaig
xal piipirjaeaiv. Die Formulirung des letzten Satzes ift der Beachtung
befbnders werth.

Scaduto, Francesco, L'abolizione delle facoltä di teologia

in Italia [1873J. Studio storico-critico. Torino, Loe-
scher, 1886. (57 S. gr. 8.)

Auf Grund der Gefetze, der Kammerverhandlungen und der einfchla-
genden Literatur giebt der Verf. eine Darfteilung der Abfchaffung der
theologifchen Facultäten in Italien und beurtheilt den Erfolg derfelben.
Er berücksichtigt dabei zum Vergleiche auch andere Länder. Die Hauptmotive
der Abfchaffung waren ,1'inconipe/enza' und ß'inutilita'. Die Abfchaffung
der theologifchen Facultäten war eine nothwendige Confequenz
des Princips der Incompetenz {seil, des Staates in Bezug auf kirchliche
Dinge). Die ,Nutzlofigkeit' der theologifchen Facultäten war ,la causa
occasionale1.

Für die Feste und Freunde des Gustav-Adolf-Vereins.

Unter diefem Titel erfcheint feit 1884 zu dem Preife von 10 Pfennig
bei Hugo Klein in Barmen eine Reihe von Heften kirchengefchichtlichen
und befonders biographifchen Inhalts, die fowohl zur Benutzung für entfprechende
Vorträge, wie zur fonftigen Leetüre beftens empfohlen werden
können. Die letzten derfelben behandeln die Gefchichte der Bartholomäusnacht
, die Anfänge der Reformation in den Niederlanden, die evan-
gelifchen Salzburger, die Stellung und Aufgabe der Schule gegenüber dem
Guftav-Adolf-Verein, Katharina Zell, Thorns Schreckentage, Eberhard im
Bart und Johann Bugenhagen. Die Darfteilung ift durchweg edel und
feffelnd und auf felbftändiger Verarbeitung des Stoffes ruhend. Unter den
Verfaffern feien Dr. Schott. Hofprediger Rogge, Dr. Dechent, Dr. Rieh.
Weitbrecht erwähnt. Auch die im gleichen Verlage erfehienenen etwas
umfangreicherer Schriftchen Zur Erinnerung an die Aufhebung des Ediktes
von Nantes und Amalie von Lafaulx, beide von Rogge, dienen dem gleichen
Zwecke und werden, wenn fie auch dem, der die betreffende Literatur
kennt, nichts Neues bringen, doch als eine im guten Sinne populäre
Zufammenfaffung derfelben dankbare Lefer finden.

Prof. "öfters „Streitschrift".

Profeffor Völter hat foeben eine Schrift unter dem
Titel: ,Die Offenbarung Johannis keine urfprünglich
jüdifche Apokalypfe, eine Streitfchrift gegen die Herren
Harnack und Vifcher' erfcheinen laffen. Nach Ton
und Haltung hat fie mich an das Wort des Tacitus erinnert
: ,Sullam inopem, unde praeeipuam eins audaciam
j Sie bringt nichts gegen die Vifcher'fche Hypothefe vor,
was der Beachtung würdig wäre, und zeigt ein grofses
Unvermögen des Verfaffers, einer ftreng kritifchen
Unterfuchung zu folgen, dagegen fpricht fie von ,Re-
clame', ,Schwindel auf der Potenz', fagt, dafs die
neue Hypothefe ,faft einem Aprilfeherz gleichfehe',
dafs Vifcher's Arbeit eine .Mifsgeburt' fei, kurz ergeht
fich in Invectiven. Ich hätte daher keine Veranlaffung,
auf das Pamphlet einzugehen — zumal da Vifcher's
Schrift in diefer Zeitung von fachkundiger Seite be-
fprochen werden wird —, wenn nicht Völter, um eine
Gelegenheit zu finden, fich an mir zu rächen, trotz meiner
unzweideutigen Darlegung in dem .Nachwort' zu jener
Schrift, mich durchweg als den Mitverfaffer derfelben