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Ausgabe:

1886

Spalte:

609-611

Autor/Hrsg.:

Pfleiderer, Edm.

Titel/Untertitel:

Die Philosophie des Heraklit von Ephesus im Lichte der Mysterienidee 1886

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von 1). Ad. Harnack, Prof. zu Marburg und D. E. Schürer, Prof zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N° 26. 25. December 1886. 11. Jahrgang.

1'fleiilerer Die Rhilofophie des Heraklit von Kayfer, Die Canones Jacob's von Edeffa (A. 1 Corsi, La situazione attuale della S. Sede nel

Ephefus (Schürer). j Harnack). i diritto internazionale (Geigel).

,,, t .. . t er n i . • Bindemann, Die Bedeutung des Alten Tefla-

Blicke auf die Gefchichte der lateinifchen Bibel Arnhard v L.turg.e zum lauffeU der Aeth.o- ( ft ^ hriftli h p»dj , (Baffermann).

pifchen Kirche (A. Harnack). „ , . , ., B v

r v ' Kurzgefarste Mittneilungen.

Chrift, Spanifche Glaubenshelden (Kawerau). Prof. Völter's Streitfchrift (A. Harnack).

im Mittelalter im Anfchlufs an Words-
worth's Old-Latin Biblical Texts (Ranke).

Pf leiderer, Prof. Dr. Edm., Die Philosophie des Heraklit Ehrungen möchte ich mir vor Allem die Bemerkung
_ ' t. , , - . ,, tv, . „ erlauben, dals nur die Präge überhaupt nicht von

von Ephesus im Lichte der Myfter.emdee. Nebft fo]cher Wichtigkcit zu fein fcheint wie Pfleiderer offen-

einem Anhang über heraklitifche P.influffe im alt- bar anzunehmen geneigt ift. Im Allgemeinen ift ja

die Thatfache zweifellos, dafs der Verfaffer der Weisheit
Salomo's ein Mann von griechifcher Bildung war,
der auch von griechifcher Philofophie beeinflufst war.
Dafs man in den Kreif'n, welchen er angehörte,
auch Heraklit kannte, , n fich wahrfcheinlich, bei

teftamentlichen Kohelet und befonders im Buche der
Weisheit, fowie in der erften chriftlichen Literatur.
Berlin, G. Reimer, 1886. (IX, 384 S. gr. 8.) M. 8. -

Eine Monographie über Heraklit von Ephefus liegt
an fich aufserhalb des directen Intereffenkreifes der theo- Philo fogar gewifs, da ihn mehrmals ausdrück-
logifchen Literaturzeitung; auch würde es mir nicht zu- lieh nennt. Andererfeits ut aber ebenfo gewifs, dafs
liehen, über diefelbe ein Urtheil abzugeben. Was aber manche heraklitifche Lehren von der fpäteren Philo-
an diefem Buche den theologifchen Lefer direct inter- fophie, namentlich den Stoikern aufgenommen worden
effirt, ift der Anhang über ,heraklitifche Einflüffe find, und durch deren Vermittelung eine noch wei-
im altteftamentlich.cn Kohelet und namentlich tere Verbreitung gefunden haben, als durch directes
in der Weisheit Salomo's' (S. 255—352, nebft ; Studium Heraklit's. Aus alledem folgt: 1) dafs eine
Nachträgen S. 356—382). Indem ich daher von dem directe Bekanntfchaft des Verfaffers der Sap. Salom.
Hauptinhalt des Buches hier abfehe, befchränke ich mich mit Heraklit möglich ift, 2) dafs eine indirecte Beein-
darauf, die Lefer der Lit.-Ztg. auf diefen Anhang auf- fluffung durch Heraklit nicht nur möglich, fondern in
merkfam zu machen. In Betreff Kohelet's ift die Ver- gewifser Hinficht felbftverftandlich ift, infofern der Ver-
muthung, dafs er bereits von griechifcher Philofophie be- : faffer durcli Vermittelung des Stoicismus jedenfalls ir-
einflufst fei, auch schon von Anderen ausgefprochen wor- gendwie mit Heraklit zufammenhängt. Eben wegen
den(TyItr, Ecclcsiastes, London 1874, Plumptre, Eccle- j diefes Sachverhaltes ift die Frage, ob er den Heraklit
siastes, Cambridge 1882; vgl. das Referat von Kleinert, direct durch eigenes Studium kennt, eine fehr fubtile. Zu-
Stud. und Krit. 1883, S. 761 ff.). Pfleiderer glaubt fpe- gleich ift fie aber eine ziemlich untergeordnete. Denn,
ciell heraklitischc Pfinflüffe nachweifen zu können. Er ! mag fie nun zu bejahen oder zu verneinen lein, auf kei-
giebt aber felbft zu, dafs diefer Nachweis bei Kohelet nen Lall find die heraklitifchen Einflüffe von erheblicher
nicht fo ftringent zu führen fei, wie bei der Weisheit Art. — Mir fcheint nun durch Pfleiderer's eingehende
Salomo's. Wie fleht es nun in letzterer Beziehung? Unterfuchung ein wirklicher Beweis für die directe Be-
Nach einigen Präliminarien allgemeinerer Art (S. 289—301) kanntfehaft der Sap. Salom. mit Heraklit nicht erbracht,
fucht Pfl. in der Weisheit Salomo's einerfeits beftimmte j Keiner der Punkte, bei welchen Pfleiderer eine polemifche
polemifche Bezugnahmen auf Heraklit nachzuweifen ' Beziehung auf Heraklit findet, ift dem berühmten Ephefier
S. 301—317), andererfeits eine pofitive Anlehnung j ausfchliefslich eigen, fo dafs man zu der Annahme einer
an : ihn (S. 318—327). In polemifchem Sinne findet er | fpeciellen Berückfichtigung desfelben gezwungen wäre,
berückflehtigt: Heraklit's Vergötterung; des Feuers (13, 2); 1 Aber auch die pofitiven Beziehungen find fo allgemeiner
feine efoterifche Exclufivität, vermöge deren er die | Art, dafs man ein directes Studium Heraklit's daraus
Weisheit nicht neidlos mittheilt, fondern verbirgt (6, ; nicht erfchliefsen kann. Infofern überhaupt an den von

Pfleiderer namhaft gemachten Punkten eine Beeinfluffung
durch die griechifche Philofophie anzunehmen ift, fcheint
mir der Stoicismus und nebenbei der Pythagoreismus
(beides weitverbreitete Zeitrichtungen) zur Erklärung vollständig
ausreichend. Als Refultat der ausführlichen Unterfuchung
Pfleiderer's wird alfo nicht mehr als die blofse
Möglichkeit der von ihm verfochtenen Thefe übrig
bleiben.

Zur Ergänzung feiner Beweisführung zieht Pfleiderer
auch die pfeudo-heraklitifchen Briefe herbei, indem
er den Nachweis verflicht, dafs der vierte und
fiebentc, ja auch der fünfte und fechfte diefer
Briefe von dem Verfaffer der Sapientia Salo-
monis felbft verfafst fei (S. 327—348, 356—365).
Darin würde dann freilich eine Beftätigung feines Inter-
effes für Heraklit zu finden fein. Die Verwandtfchaft
des Gedankenkreifes diefer Briefe mit dem der Sap.

21—24; 7, 13. 14); feine falfche Beurtheilung des Todes
(1, 12. 16); endlich feine freundliche Stellung zu den un-
littlichen Myftericn (14, 22—31). In pofitiver Weife fei
dagegen ein Grundgedanke Heraklit's verwerthet in den
Ausführungen des 16. Capitels über die Wunder beim
Auszuge Ifrael's aus Aegypten. Die eigenthümliche Art,
wie hier betont werde, dafs diefelben Dinge den Aegyp-
tern fchädlich, den Juden nützlich gewefen feien, ja dafs
ein [und dasfelbe Manna beim Genufs die verfchieden-
artigften Bedürfnifse befriedigt habe, fei eine pofitive
Aufnahme der heraklitifchen Lehre, dafs Gott, obwohl er
ewig derfelbe fei, doch die verfchiedenartigften P'ormen
und Wirkungsweifen annehme. Namentlich Cap. 16, 21
foll diefer Gedanke deutlich wiederklingen. Endlich in
Cap. 19, 6 und 18 findet Pfleiderer die heraklitifche
Lehre von der in allem Wechfel fich gleichbleibenden
Harmonie des Weltganzen. — Gegenüber diefen Aus-

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