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Ausgabe: | 1886 |
Spalte: | 602-604 |
Autor/Hrsg.: | Drummond, Henry |
Titel/Untertitel: | Das Naturgesetz in der Geisteswelt. Aus dem Englischen nach der 17. Aufl 1886 |
Rezensent: | Hartung, Bruno |
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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Ar. 25.
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fo grofs aucli deli'en Fertigkeit 1111 Fälfchen war, allen
Glauben zu verweigern, namentlich hinfichtlich der von
ihm behaupteten Benutzung des Mainzer Archivs; der-
felbc hat nicht allein die Briefe des Bonifacius, fondern
auch die Statuta desfelben (letztere fehr häufig) benutzt,
ferner die Befchlüffe der Mainzer Synode v. J. 813, der
Wormfer Synode v. J. 829, die Lex Bajuvariorum (fehr
viel), Quellen, welche theüs direct auf Mainz hinweifen,
theils dem Oftreiche unzweifelhaft zugänglicher waren.
Anlangend dagegen die fpätere Form der falfchen De-
cretalen, welche auch nach meiner Meinung im Weft-
reiche entftanden ift, fo hat der Verf. unzweideutige ver-
wandtfchaftliche Beziehungen zwifchen diefen Fälfchun-
gen und den Werken über die Gefch. d. Bifchöfe v. Le
Mans nachgewiefen, wenngleich ich diefelben doch nicht
foweit ausdehnen kann, Le Mans als Werkftatt der Fäl-
fchungen anzunehmen. Auf ftiliftifche Uebereinftim-
mungen z. B. in Betreff des Gebrauchs von ,praeßxus'
für ,supradictus des Adverbs ,enuc/eatim' für ,enucleate'
u. dergl. möchte ich kein fehr grofses Gewicht legen,
diefelben können auch ihre Erklärung finden im Unterricht
in derfelben Klofterfchule, durch welchen ein eigen-
thümlicher Sprachgebrauch der Lehrer einer Reihe von
Schülern anerzogen werden konnte; fo findet lieh der-
felbe Gebrauch von ßraeßxus' auch in üecretalen der
älteren Form (S. 6/. 68). Wenn der Verf. S. 105 fagt:
,Schon Hinfchius (S. CCLX; hat bewiefen, dafs ein Frachten
nach dem Range des Primats für Reims oder Mainz
bei Pfeudoifidor nirgends zu erkennen fei, auch nicht in
der Stelle Bs. Pelag. Jf. S. 724, wo für eine Provinz 10
bis 11 Suffraganbifchöfe verlangt werden', fo bemerke
ich dagegen, dafs diefe Stelle bei Ps. Pelag. II weder
für noch gegen Mainz oder Rheims fpricht, da lie nicht
auf dortige Verhältnifse Bezug nimmt, fondern aus der
Coli. Hibcmens. XX. 2. 3. 5 verarbeitet ift, von welcher
Sammlung fchon früh Handfchriften nach dem Conti-
nent gelangt find.
Wenn Ref. hiernach nur in fehr befchränkter Weife
fich mit dem Verf. einverftanden erklären kann, fo erkennt
er doch dankbar das Verdienft desfelben an, durch
feine Schrift eine befondere Anregung gegeben zu haben
, die pfeudoifidorifche Frage unter einem Gerichts-
punkt eingehend zu prüfen, welcher bisher faft ganz unbeachtet
geblieben war.
Giefsen. Wafferfchieben.
Höhle. Oberlehr. Herrn., Die Wiederaufrichtung der französisch
-reformirten Kirche im 18. Jahrhundert durch An-
toine Court, t. TL Bautzen. [Rühl], 1886. (34 S. 4.)
M. 1.-
Zu den intereffanteften Perioden der Gefchichte des
franzöfifchen Proteftantismus gehört unftreitig die Wiederbelebung
desfelben nach der furchtbaren Zerftörung,
welche die Aufhebung des Edictes von Nantes mit ihren
verhängnifsvoUen Folgen, ferner der Camifardenkrieg
1702—1704 über denfelben gebracht hatte; ebenfo wichtig
und intereffant ift die Organifirung der einzelnen Gemeinden
, die Zufammenfchliefsung derfelben zu einer
Kirche. Das Hauptvcrdienft diefer wunderbaren That,
welcher in dem ganzen Gebiet der Kirchengefchichte
weniges gleich fteht, gebührt Antonie Court, 1695-1760,
einem einfachen Bauernfohn aus den Vivarais, welcher,
befeelt von dem reinften Glaubenseifer, begabt mit einem
wunderbaren Organifationstalent, beinahe noch als Knabe
den ungleichen Kampf mit der verfolgenden Staatsgewalt,
mit der Gleichgültigkeit feiner Glaubensgenoffen aufnahm
und mit Muth und Beharrlichkeit alle die unendlichen
Schwierigkeiten bewältigte, welche die Nachwirkungen
der Cevennerkriege mit ihren Propheten und
Prophetinnen, und die Verkennung der Lage der Proteftan-
ten in Frankreich von Seiten bedeutender geflüchteter
Glaubensbru 1er femeul Thun entgegenftellten. Im Allgemeinen
find diefe Ereignifse und Perfönlichkeiten viel
zu wenig bekannt, und es ift ftets ein Verdienft, weitere
Kreife darauf aufmerkfam zu machen; auch die vorliegende
Schrift darf dies Recht beanfpruchen. In klarer
gedrängter Ueberficht behandelt fie den Zuftand der
franzöfffch-reformirten Kirche nach der Aufhebung des
Edictes von Nantes, und geht dann zur Schilderung der
Thätigkeit von Court über, welche fie bis zum Jahre 1729
verfolgt; in jenem Jahre verliefs Court Frankreich, um
nach Laufanne überzufiedeln, um dort in anderer, aber
! ebenfo erfolgreicher Weife feine Wirkfamkeit für feine
Kirche fortzufetzen. Diefer zweite, weniger dramatifche
I Theil des Lebens von Court ift einer fpäteren Fortfetzung
vorbehalten Der Verfaffer hat die vorhandene Literatur
treu und forgfältig benutzt, die Schilderung ift klar und
einfach und man gewinnt einen guten Einblick in Zeit
und Verhältnifse. Der Zauber, welchen die aufserordent-
liche Perfönlichkeit von Court auf Jeden ausübt, welcher
(ich mit ihm genauer befchäftigt, hat auch hier feinen
Einflufs nicht verfehlt; der warme Ton der Zuftimmung
fteht der Schrift wohl an. Als hauptfächlichftem Führer
folgt der Verfaffer dem vortrefflichen Werk von Edm.
Hugues A. Court. Histoire de la restauration du protestan-
tisme en France au XVIII. siede, r. 2. Paris 1872. Noch
möchte ich darauf aufmerkfam machen, dafs das Datum
der Geburt von Court jetzt auf 27. März 1695 feftgeftellt
ift; f. Bulletin de la socio ti- du l histoire de Protestantistne
francais 1885 p. 321 (vgl. S. 9). Veffon wurde 22. April
1723 (nicht 1722, S. 23) hingerichtet.
Stuttgart. Theodor Schott.
Schön holzer, Pfr. Gfr., Die religiöse Reformbewegung in
der reformirten Schweiz. Vortrag, geh. an der Jahres-
verfammlung des Rel.-lib. Vereins des Kantons St.
Gallen den 16. Novbr. 1885 in der Aula der Kantons-
fchule. 2. Aufl. St. Gallen, Huber & Co., 1886.
(48 S. 8.) M. — 50.
Wer felber in einer kirchlichen Bewegung mithandelnd
geftanden hat, dem ift es ein eigenes Gefühl, über
eine von gegnerifcherSeite kommende Schrift zu referiren.
Glücklicher Weife liegen mir die dargeftellten Begebenheiten
fo weit zurück, dafs ich mich ungetheilt an dem
zwar fehr parteigcmäfs reformerifch gehaltenen, aber
durchaus anftändig gefchriebenen Worte erfreuen konnte.
Es ift nur ein kleiner Ausfchnitt aus der Kirchengefchichte,
der uns dargeboten wird, aber ein inhaltlich doch fehr
wichtiger, und mancher Deutfche würde gut thun, fich
hier zu orientiren. Ich mag nicht auf die Tendenz eingehen
. Aber ich mufs geliehen, dafs in der Vorführung
der Thatfachen das Schriftchen allen billigen Anforderungen
entfpricht, und wenn ich mich auch nochmals
von den am Schluffe als Thefen hingeftellten Confe-
quenzen fern halte, fo mufs ich doch das Ganze als
eine werthvolle Ueberficht über eine höchft bedeutfame
und weit wirkende Bewegung innerhalb der proteftanti-
: fchen Kirche bezeichnen.
Strafsburg i/E. Alfred Krauls.
1. Cathrein. Vict, S. J., Die Sittenlehre des Darwinismus.
Eine Kritik der Ethik Herbert Spencers. Freiburg
i. Br., Herder, 1885. (X, 146 S. gr. 8.) M. 2. —
2. Drummond, Prof. Henry, Das Naturgesetz in der
Geisteswelt. Aus dem Englifchen nach der 17. Aufl.
[50. Taufend]. Leipzig, Hinrichs, 1886. (XXIlI, 345 S.
gr. 8.) M. 6. -
Es ift ein Zeugnifs für die trotz alle- und alledem
allgemein anerkannte Priorität der Ethik und ihrer Fra-
gen vor den theoretifchen Wiffenfchaften, dafs die letz-