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Ausgabe:

1886 Nr. 2

Spalte:

599-601

Autor/Hrsg.:

Simson, Bernh.

Titel/Untertitel:

Die Entstehung der pseudo-isidorischen Fälschungen in Le Mans 1886

Rezensent:

Wasserschleben, F. V.

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599

Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 25.

von Euch, feine Abficht, Mönch zu werden, wirklich
ausgeführt hat; er begegnet uns hier als Archidiakonos
des Petraklofters, des Klofters des Johannes Prodromos,
des Täufers, zu KP. In dem h. Baras fieht der Hg. mit
Recht den Begründer diefes Klofters, einen Zeitgenoffen
des h. Patapios und Rabulas (vgl. S. 39b) unter Kaifer
Zenon und Anaftafios. Ueber Patapios und Rabulas
verweift Joh. feine Lefer S. 42a auf allgemein zugängliche
Biographien, aus denen er felber alfo auch den Stoff
für ^ 2—4 entlehnen konnte. Ueber Baras ftanden ihm
dagegen literarifche Hilfsmittel nicht zu Gebote. Wenn
wir S. 39a erfahren, es habe über Baras zwar ein alte,s
Buch gegeben, dasfelbe fei aber verloren gegangen, fo
wiffen wir, was wir von folchen Floskeln zu halten haben.
Sehr begreiflich alfo, dafs § 5 den Baras als Mufter eines
Afketen fchildert ohne jeden individuellen Zug. § 6 u. 7
aber bieten offenbar die Gründungslegende des Klofters.
Mit Recht hat der Hg. auf Einzelheiten aufmerkfam gemacht
, welche für die Topographie von KP von Bedeutung
find. Diefe Angaben finden fich auf S. 42 a und
44 f. Endlich verdanken wir Herrn Kerameus den Hinweis
auf eine Notiz in Nikodemos' Synaxarion, wonach
Joh. von Euch, der Begründer des in der orthodoxen
Kirche alljährlich gefeierten Feftes des Chryfoftomos,
Bafileios und Gregor ift, wodurch die Rede des Joh. (bei
de Lagarde Nr. 178) in ein befonders helles Licht gerückt
wird.

Soviel über den Werth der Schriften des Johannes
Mauropus. Von einer Mittheilung meiner textkritifchen
Marginalien fehe ich ab, weil ich über die Sprache des
11. Jahrhunderts keine eigenen Studien gemacht habe.

thode verwerthet haben' (S. 57). Der Verf. hebt ferner
eine Reihe von Uebereinftimmungen zwifchen den Acta
pontif. Cenom. fowie den Gesta Aldrici mit Pfeudoifidor
und Benedict, namentlich ftiliftifcher Natur hervor, fo-
dann die Benutzung derfelben kanoniftifchen und rö-
mifchrechtlichen Quellen in den genannten Werken, fowie
die in denfelben entfchieden hervortretende Gemein-
famkeit der Tendenzen und Zwecke (S. 58—107). Nach
der Anficht des Verf.'s find die Fälfchungen Benedict's
und Pfeudoifidor's, fowie die in den Werken über die
Gefchichte der Bifchöfe von Le Mans enthaltenen an
dem Sitze und zunächft im Intereffe eines Bisthums entworfen
(S. 107fr.). Wichtige innere und äufsere Gründe
fprächen gegen die Entftehung der pfeudoifidor. Fälfchungen
in Mainz, auf die Vorrede Benedict's, welche
auf nahe Beziehungen zu Mainz hinwiefen, fei bei der
Unglaubwürdigkeit des Fälfchers kein Gewicht zu legen,
diefe Beziehungen feien nur vorgefchützt, die pfeudo-
ifidorifchen Tendenzen pafsten aber auch entfchieden
beffer auf die Schickfale Aldrich's von Le Mans, als auf
diejenigen Ebo's von Rheims (S. 113fr.). Hiernach hat
es nach des Verf.'s Anficht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit
, ,dafs Le Mans das heimische Ithaka ift,
wo (Pfeudoifidor) diefer vielgewandte, aber von der Kritik
auch vielfach an fremde Kütten verfchlagene Odyf-
feus endlich landet' (S. 134).

Nach des Ref. Ueberzeugung ift ein ficheres Urtheil
über diefe Hypothefe erlt möglich, wenn die neue, noch
von Waitz besorgte, Ausgabe der Gesta Aldrici in den
Monumenta Germ. Scriptores Bd. 15 erfchienen fein wird.
Hr. Prof. Simfon hat, wie er mir brieflich mittheilte, die

Auch als fachlich bemerkenswerth werden genaue Kenner ' Correcturbogen diefer Ausgabe eingefehen und daraus
jener Zeit gewifs noch mancherlei hervorzuheben wiffen, entnommen, dafs Waitz die Gesta Aldrici und die Acta

was diefe anfpruchslofe Anzeige nicht berührt hat. Die-
felbe hat ihren Zweck erreicht, wenn fie auf die be-
fprochenen Schriften als hiftorifch wichtige Quelle hinweift
. Und wer aus diefen Urkunden eine concretc Vorstellung
von dem Autor und ein anschaulicheres Bild

pdiitif. Cenom. verschiedenen Verfaffern zuweist und die
Entftehung der letzteren in die fpätere Zeit des 9. Jahr-
hunders fetzt. Ift diefe letztere Anficht richtig, fo ift die
Simfon'fche Hypothefe unhaltbar. .Abgefehen hiervon
bemerke ich über diefe Folgendes: Der Verf, welcher

feiner Zeit gewonnen hat, wird de Lagarde's entfagungs- j vorzugsweife den Untersuchungen von Hinfchius folgt,

voller Arbeit danken. j läfst die von mir wiederholt1) hervorgehobene Nothwen-

r(„f . ,„„ s TTir t/- 1 i„i,,„„„ Kr ; digkeit der Unterfcheidung zwifchen zwei verfchiedenen

Straisburg 1. HU. Karl onannes JNeumann. c 1 r j -r , fi- . T% . . , ■ .

Sammlungen pfeudoihdorifcher Decretalen, der alteren,

welche in Mainz fabricirt ift und nur Dekretalen bis
Damafus enthält, und der fpäteren, welche Vorrede, Con-
cilien und weitere F'alfchungen enthält und in Weft-
franken zufammengeftellt ift, ohne Berücksichtigung, obgleich
diefer Punkt für die Tragweite feiner eigenen Anficht
von Bedeutung war. Nach meiner Auffaffung find

Simson, Prof. Dr. Beruh., Die Entstehung der pseudo-isido-
rischen Fälschungen in Le Mans. Ein Beitrag zur Lö-
fung der pfeudo-ifidorifchen Frage. Leipzig, Duncker
& Humblot, 1886. (V, 138 S. gr. 8.) M. 3. 20.

Der Hr. Verf. hat bereits in einem Auffatz: Pfeudo- j die von mir für die Priorität der kürzeren Form bei

ifidor und die Gefchichte der Bifchöfe von Le Mans (in ; gebrachten Gründe nicht fo bedeutungslos, dafs fie eine

der Zeitfchr. für Kirchenr. Bd. 21. S. 151 ff.) eine Reihe J Widerlegung nicht verdienten; was aber, namentlich von

von Beziehungen hervorgehoben, welche zwifchen der j Hinfchius {Comment. p. 53ff.) dagegen vorgebracht wor-

Gefchichte der Bifchöfe von Le Mans {Acta pontif. Ceno- den ift, fällt, meine ich, den von mir angegebenen in

manens. und Gesta Aldrici), Pfeudoifidor und Benedict's
Capitularienfammlung obwalten. In obiger Schrift ftellt
er die Ergebnifse weiterer eingehender Unterfuchungen
über jene von Kanoniften und Historikern bisher nur
oberflächlich behandelte Frage zufammen. Hiernach erachtet
er die Entftehung der falfchen Dekretalen in Le
Mans für wahrfcheinlich, glaubt aber nicht, damit eine

neren Gründen gegenüber nicht in's Gewicht (f. auch
Herzog's Real-Encyklop. a. a. ü. S. 366. Anm.1)). Ebenso
verhält es fich mit der andern Frage, dem Mainzer
Urfprung der älteren F"orm. Mit Hinlchius hält der
Verf. die Hypothefe des Mainzer Urfprungs für befei-
tigt. Ich habe in dem angeführten Auffatz i. d. Zeitschrift
f. Kirchenr. (Bd. 4, S. 298) die Gründe zufammen-

befonders fcharffinnige Hypothefe aufzuhellen, fondern 1 gestellt, welche auf Mainz als Entftehungsort der ur
wünfeht vielmehr, ,die einfachste Annahme, welche j fprünglichen Form hinweifen, ich finde nicht, dafs diefe
vielleicht nur darum verfchmäht worden ift, weil fie ; Grunde widerlegt worden find. Die bekannte Stelle im
fo nahe liegt, in ihr verkanntes Recht einzufetzen' ' Briefe des Anicetus pafst durchaus auf den Sitz des
'S. 5). Zunächft fucht der Verf. in einer Zufammen- Bonifacius, des Apostels der Deutfchen; der Hauptein
Stellung einiger Abfchnitte der Acta pontif. Cenom., namentlich
der Stelle über die Chorbifchöfe und der De-
cretale Gregor's IV. mit Benedict und Pfeudoifidor die
Verwandtfchaft zwifchen diefen Werken nachzuweifen,
er findet ,grofse Analogie der Tendenzen und häufige

Uebereinflimmung im Wortlaut nicht weil ein Theil den ,} In dem Auffatz: Die pfeudoifidor. Frage i. d. Zeitfchr. f. Kir-
andern ausgelchrieben hatte, fondern weil beide leib- chenrecht Bd. 4 (1864) S. 273fr und in dem Art. Pfeudoifidor in der

Händig dasfelbe Quellenmaterial auf die nämliche Me- Herzog'fchen Real-Kncyklopädie für Theologie u. Kirche. 2. Aufl. Dd. 12.

wand gegen Mainz, die feindfeligen Bestimmungen gegen
die Chorbifchöfe, ift irrelevant, weil derartige Behim-
mungen fich in der urfprünglichen Form nicht finden.
Es fcheint mir ferner nicht gerechtfertigt, dem Benedict,