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Ausgabe:

1886 Nr. 25

Spalte:

592-593

Autor/Hrsg.:

Scipio, Konr.

Titel/Untertitel:

Des Aurelius Augustinus Metaphysik, im Rahmen seiner Lehre vom Uebel dargestellt 1886

Rezensent:

Harnack, Adolf

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59l Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 25. 592

der Verfaffer fchon früher (S. 108 ff.) die bekannte Stelle
aus dem Pädagogus des alexandrinifchen Clemens über
die Zeichen auf Ringen befprochen und als die Hauptquelle
chriftlicher Symbolik Ideenaffociation hingeftellt
hatte. In der Malerei ifl die unmittelbare Herübernahme
antiken Bildfchmuckes in manchen mythologifchen Scenen,
auch in der Figur des Orpheus, ferner in verfchiedenen
Perfonificationen erfichtlich; auch die Pflanzen- und Thierornamentik
ift identifch mit der heidnifchen. Dabei aber
waren die Bilder verfchiedener Thiere den Chriften aus
der Bibel fo vertraut, dafs bald fymbolifche Deutungen
allgemeiner werden und fich aufserhalb der Katakomben- I
kunfl weiter entwickeln. Urfprünglich ifl die Taube, !
wenn nicht decorativ, ein Sinnbild des Friedens (S. 192 f.),
das Lamm bei dem guten Hirten die gerettete Menfchen-
feele. Bei anderen Thieren ift für die frühere Zeit fo j
gut wie keine fymbolifche Bedeutung erfichtlich, desgleichen
nicht bei den Gegenftänden, mit Ausnahme des
Ankers, an den fich fehr zeitig ein tieferer Sinn knüpfte.
Auch in den biblifchen Scenen ifl ein viel gröfserer Ein-
flufs der Antike, als man bis jetzt angenommen hat, wirk-
fam gewefen. Für den guten Hirten lagen in den fehr
häufigen Hirtenfcenen der Antike die Muster vor; zu der
Auferweckung des Lazarus, zur Gefchichte des Jonas bot
heidnifche Kunft die Formen und hat fomit zu ihrer
Auswahl beigetragen, ebenfo wie zur Darftellung Noah's !
in der Arche, Opferung Ifaak's, befonders der Scene des 1
Sündenfalls (S. 217 ff.). Der zum Himmel fahrende |
Elias ift eine christliche Ueberfetzung des Helios. Die
Anbetung der Magier erinnert an die den Knaben Jak-
chos tragende Demeter und an Votivfteine mit ähnlichen
Darbringungen. So befremdlich hier Vieles ift, fo können
wir uns mit der Erklärung von den Bildern mit den 1
Mahlzeiten als direct herübergenommen aus der Antike
nur einverftanden erklären: es find entweder Darftellungcn
des Todtenmahles oder häusliche Scenen aus dem Leben j
des Verstorbenen, eine Flrinnerung an das Familienglück
(S. 226). Dagegen find die vier Darftcllungen in den
Sacramentscapellen von dem antiken Vorbilde fortgegangen
zur Verbildlichung des Speifungswunders. Als
eine Abkürzung davon erfcheinen die Speifeelemente,
fchliefslich der Fifch allein. Damit ergiebt fich auch die
Deutung diefes Symboles. Wie man das Speifungs-
wunder zum Abendmahle in Beziehung brachte, fo ift
der Fifch als das Element die Speife, die Chriftus in
feinem Leibe darbietet (S. 233 ff.). Von da geht die
weitere Entwickelung aus. Nach kurzer Befprechung
ikonographifcher Darftellungen in den Malereien kommt
die Sculptur der Sarkophage an die Reihe; exemplificirt
wird die Methode der Auslegung an dem grofsen Sarko- 1
phage von S. Paul. Katakombenbilder und antike Sarko- |
phage find die beiden Quellen für die chriftlichen Sarkophaghandwerker
gewefen.

Einige Verfehen find mir aufgefallen. Hiob's Figur
läfst fich auch noch anderwärts nachweifen, als auf dem
Sarkophage des Junius Baffus. Le Blant in feiner
Jstude sur les sarcopliages de la ville d'Arles p. 63 f. giebt
die Beifpiele. S. 252 fehlt bei Aufzählung der auf Sarkophagen
fich findenden Sujets Jefus mit den Jüngern in
Gethfemane, der Judaskufs, Jefus vor Thomas und die
Himmelfahrt. Zu S. 258 berichtige ich, dafs der Stab
auf den Sarkophagen auch von Petrus bei der Verleugnung
getragen wird, ca. 5 — 6 Mal.

Ich kann nur wiederholen, dafs die Methode und die
durch befonnene Unterfuchung gewonnenen Refultate
des Verfaffers im wefentlichen durchaus Zuftimmung verdienen
. Wir find bis jetzt viel zu wenig auf die antiken
Mufter zurückgegangen. Die Antike hat die Form gegeben
und formale Rückfichten find ficher bei der Auswahl
der Scenen mit wirkfam gewefen. Auch die Herübernahme
mythologifcher Scenen und der meiften bis
jetzt fymbolifch verstandenen Zeichen als Decorations-
(tücke fleht feft. Aber doch reicht diefe Quelle nicht

aus. Wie die Chriften dazu gekommen find, gerade
Scenen wie die Rettung des Daniel, das Quellwunder
des Mofes und die Bewahrung der drei Junglinge im
Feuerofen auszuwählen, ift nach dem Verfaffer kaum feft-
zuftellen, für andere Wunderfcenen ift nur der formale
Einflufs der Antike geltend gemacht, für andere find um-
ftändliche Deutungen verfucht (S. 225). Und wie ungezwungen
ergeben (ich alle diefe Darftellungen, wenn man
bedenkt, wie die Auferftehungshoffnung und die garan-
tirende Wundermacht Gottes, wie fie fich im Alten und
Neuen Teftamente gezeigt hat, das Characterifticum der
altchriftlichen Zeit ift. So ift es in den a'ten Sterbegebeten
erwiefen, wie fie fich in's Brevier gerettet haben,
fo in den alten Sterbeliturgien, deren Einflufs auf die
altchriftliche Kunft Le Blant in feiner Vorrede zu der
Studie über die Sarkophage von Arles endgiltig feftge-
ftellt hat, wenn auch ihre Formulirung, wie fie uns jetzt
vorliegt, das Product fpäterer Zeit ift. So bezeugen es
die beiden grofsen, unter Cyprian's Namen gehenden
Gebete {ed. Härtel III p. 144 ff.), auf die ich wiederholt
fchon hingewiefen habe, und aus Predigten und Hymnen
fpäterer Zeit läfst fich diefelbe Grundstimmung heraushören
. Man hüte fich auch, ein gedankenlofes Copiren,
wie es fich für fpäter annehmen läfst, auch am Anfange
der altchriftlichen Kunftentwicklung zu behaupten. Trotz
den formalen Aehnlichkeiten, welche die Antike bot,
hatten die chriftlichen Künftler bei biblifchen Scenen
doch das Meifte felber zu fchaffen. Es heifstdie Lebendigkeit
der chriftlichen Auferltehungshoffnung mit ihrem
Glauben an den wundermächtigen Herrn in den erften
Jahrhunderten unterfchätzen, wenn man den formalen
Einflufs der heidnifchen Kunft überfpannt. Vielmehr
wollen wir beide Q teilen in gleicher Stärke unferer chriftlichen
Archäologie zuführen.

Leipzig. Johannes Ficker.

Scipio, Pred. Dr. Konr., Des Aurelius Augustinus Metaphysik
, im Rahmen feiner Lehre vom Uebel darge-
ftellt. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1886. (V, 113 S.
gr. 8.) M. 2. 40.

Der Titel vorstehender Monographie ift glücklicherweife
nicht richtig; denn der Verfaffer hat die Meta-
phyflk Auguftin's keineswegs ,im Rahmen der Lehre vom
Uebel' dargestellt — eine Aufgabe, die einfach unlösbar
ift — er hat vielmehr innerhalb der Metaphysik des
Augustin die Auffaffung vom Uebel betrachtet. Das
Schwergewicht fällt auf die Darlegung der Metaphysik,
abgefehen vom Uebel; f. den Abfchnitt III (S. 31—80):
,die Welt als Kosmos'. Diefe Darlegung überrafcht
nicht durch Neuheiten, zeigt aber in dem Verf. einen
Philofophen von weitem Blick, der, wenn ich nicht irre,
Eucken Manches zu verdanken hat. Die Entwickelung
der Begriffe species, modus, ordo bei Auguftin hebe ich
j als befonders gelungen hervor. Minder klar ist mir die
| ethifche Erörterung: ,die Perfönlichkeit und der Kosmos'
J (S. 96—109) gewefen. Der Verf. überrafcht in der Vorrede
den Lefer durch die Befürchtung der ,Verurteilung
feitens einer fich mehr und mehr ausdehnenden
theologifchen Richtung.' Es ift dem Ref. unverftänd-
lich, wie der Verf. zu diefer Furcht angefichts feiner
trefflichen und anfpruchslofen Unterfuchung gekommen
ift. Einer unklaren Stelle in derfelben findet fich aller-
! dings als Note die Bemerkung beigegeben: ,Diefe hier
I dargestellte Einheit von Metaphyfik und Ethik ist felbft
der Weltgrund an fich, felbft eine metaphyfifche Einheit
, die wir nur auf dem Wege echter Mystik in Perfönlichkeit
verwandeln können. In diefem Princip fchei-
] det fich Auguftin fcharf von jeder nur ethilirenden
, Theologie, wie fie jetzt befonders von Albrecht
! Ritfehl vertreten wird'. Aber diefen Satz — er ift
einzig in feiner Art in dem Büchlein — wird fehwerlich