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Ausgabe:

1886

Spalte:

588-592

Autor/Hrsg.:

Hasenclever, Adf.

Titel/Untertitel:

Der altchristliche Gräberschmuck. Ein Beitrag zur christlichen Archäologie 1886

Rezensent:

Ficker, Johannes

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588

ein ganzer Menfeh, nicht etwa ein feelenlofer Körper,
nur den geringften Antheil am Erlöfungswerk (p. 29 ff.
vgl. p. 11), ift nur ein accidens (p. 30), dient alfo
dem Geift nur als Vehikel. Zur Belohnung aber wird
auch die ougi, der Menfeh Jefus, in den Himmel erhoben
. Nach diefer Darftellung erfcheint Hermas zwar
als Vertreter des Adoptianismus (p. 35), aber diefer
Adoptianismus tritt nicht in eigentlichen Gegenfatz zur
pneumatifchen Chriftologie, wie das von Anderen, auch
von Harnack, behauptet wird: denn der Hauptaccent
liegt auf der Erlöfung durch ein himmlifches Geiftwefen,
und zwar fo fehr, dafs Hermas, trotzdem er die Menfch-
heit Chrifti energifch betont, thatfächlich nicht zu weit
vom Doketismus entfernt ift (p. 35. 36).j) Der Unterfchied
der beiden Auffaffungen befteht alfo darin, dafs für
Harnack (vgl. Dogmengefchichte p. 137) das eigentliche
Subftantielle am Jefus Chriftus des Hermas feine aägB,
ift, wobei er das Gewicht des Umftandes, dafs Hermas
den in den Menfchen Jefus eingepflanzten Geift Gottes
als den präexiftenten Sohn Gottes fafst, durchaus nicht
verkennen will, Link aber in der adoptianifchen Chriftologie
des Hermas nur ein untergeordnetes, zu dem pneumatifchen
hinzutretendes Element fehen möchte. Beide
Auffaffungen ftützen fich auf sitn. V: denn von diefem
Gleichnifs — das hat auch Link gefehen — mufs man
ausgehen, wenn man fich über die dem Hermas cigen-
thümliche Chriftologie orientiren will. Die dort erzählte
Parabel hat er felbft erfunden, und fo ungelenk er fich
in ihrer Behandlung und Erklärung beweift, fo ficher ift
fie fein perfönliches Eigenthum. Link ftützt fich nun
vornehmlich auf die Stelle in der Auslegung des Gleich-
nifses sim. V, 6, 1—4, die fich mit der Beantwortung der
Erage befchäftigt, warum im Gleichnifs der Sohn Gottes
als Sklave erfcheine? ,üer Sohn Gottes befindet fich
nicht im Sklavenftande, fondern im Zuftande grofser
Macht und Herrlichkeit'. Im Folgenden wird dann ge-
fchildert, worin diefer Zuftand betteht, nämlich eben in
dem Erlöfungswerk, welches der Sohn Gottes vollbringt.
In dem Verftändnifs der oben citirten Worte, die man
gewöhnlich fo überfetzt, dafs man in der zweiten Hälfte
einen Hinweis auf den erhöhten Chriftus fieht, weifs fich
Referent mit Link einig. Aber zu deutlich ift doch, dafs
diefer ganze Paffus nur dazu dient, um den fehr begreiflichen
Einwurf zu widerlegen, dafs dem Sohne Gottes
durch die Annahme der aap! eigentlich etwas Unwürdiges
zugemuthet werde. Im Uebrigen aber ift fowohl
im Gleichnifs (Cap. 2) wie in der Auslegung überall der
<)ov?.og betont, die oägS, welche dem Geifte rechtfehaffen
und heilig diente (wobei fie freilich die Kraft zum Rechtthun
und zu ihren überfchüffigen Werken dem Geifte
verdankt) und welche zur Belohnung in den Himmel erhoben
wird. Der heilige Geift ift zwar in allen Menfchen
wirkfam, und alle hätten es nach ihrer Naturanlage dahin
bringen können, wohin es jener dovXög brachte: aber
nur der von Gott erwählte Jefus hat es thatfächlich
dahin gebracht, dafs ihn Gott für feine Leiftungen erhöhte
. Wie sim. V, 7, 1 ff. beweift, kommt es dem Hermas
darauf an, diefen mit Geift aus der Höhe erfüllten
Menfchen Jefus als Vorbild hinzuftellcn: und infofern
vermifcht fich ihm thatfächlich der ethifche Lehrzweck
feines Gleichnifses mit dem chriftologifchen. Die Bedeutung
der Erlöfung von den Sünden durch Jefus
Chriftus hat er ja überhaupt nicht verftanden; für das
praktifche Leben des Getauften ift fie bedeutungslos;
entweder er hält das Gefetz, dann ift ihm auch ohne fie
geholfen; oder er hält es nicht, dann ift ihm auch mit
ihr noch nicht geholfen (vgl. Link, p. 60).

Die Frage nach der Bedeutung des asfiv6tarog
(evdo^og, ayioc) ayytXoq erörtert Link in einer von der
bisherigen abweichenden Weife. Derfelbe ift nicht iden-

j) Inzwilchen hal fich Weizlacker im Gölt. Gel. Anz. vom 15. Oct.
1S86 ähnlich geäufsert.

tifch mit dem heiligen Geift, aber auch nicht mit dem
Erzengel Michael von sim. VIII (p. 36 ff.). Der letztere
ift vielmehr unter die mehrfach erwähnten fechs Engel
zu rechnen, welche als die zuerft gefchaffenen von den
übrigen an Rang ftreng unterfchieden werden (Thegri
über die Thiere, der Bufsengel, der Engel der Gerechtigkeit
, der der Strafe, der des prophetifchen Geiftes und
eben Michael, der Engel des Gefetzes p. 38); unter dem
atiivoxarog uyyeXng aber möchte L. den erhöhten Jefus
verftehen. Nach Hermas werden alle Menfchen, welche
ein fündlofes Leben geführt haben, in die Zahl der
Engel aufgenommen. Ein Gleiches ift auch Jefus widerfahren
, der ja feiner Natur nach fich von den anderen
j Menfchen nicht unterfcheidet: er aber ift zur Belohnung
I zum Engelfürften und damit über die himmlifchen Heer-
fchaaren erhoben worden (p. 48).

Diefe letzte Combination ift, wie das Meifte, was L.
über die Angelologie des Hermas vorbringt, neu und
fehr anfprechend. Dafs Hermas an der Stelle, wo er
von der Erhöhung Jefu fpricht (sim. V, 6, 6. 7), feine
Erhebung zum Fürften der Engel mit Nichts andeutet,
I ift freilich ein Bedenken, das auch L. durch feine Bemerkungen
nicht zu befeitigen vermocht hat. Ift feine
Deutung richtig, fo kann man auch von hier aus gegen
feine Faffung des Adoptianismus des Hermas Fiinfpruch
erheben.

Aus der Darfteilung des Erlöfungswerkes Chrifti ift
j hervorzuheben, dafs nach Link das erfte der drei Werke,
aus denen fich die crlöfende Thätigkeit zufammenfetzt
[ (die Anordnung der Engelhut zum Schutze des Volkes
I Gottes), von dem heiligen Geift vor feiner Menfchwer-
j dung (gegen Harnack), das zweite und dritte (Befreiung
des Volkes Gottes von den Sünden und Verweifung der
Ctiriften auf die Pfade des Lebens durch Mittheilung des
göttlichen Gefetzes) nach derfclben vollbracht wurde,
ohne dafs man in dem dritten die Thätigkeit des erhöhten
Chriftus zu erkennen braucht (gegen Hilgenfeld).
Trotzdem Link felbft betont, dafs man wegen der
1 Spärlichkeit des vorliegenden Stoffes bei der Präcifirung
der chriftologifchen Anfchauungen des Hermas fehr vor-
fichtig verfahren müffe, hat er felbft doch mehr als einmal
dem Drange, zuviel zu fyftematifiren, nachgegeben.
Darunter gehört z. B. der Verfuch, das Volk Gottes,
welches Gott ,gefchaffen' und feinem Sohne übergeben
hat, auf das erfte Menfchenpaar zu deuten, aber auch
| manche Beftimmungen bei der Darfteilung der Angelologie
.

Zu erwähnen ift noch, dafs Link in der Parabel von
sim. V Bekanntfchaft mit den Abcndmahlsgcbeten der
Didache vermuthet; ferner, dafs er in einer Note gegen

I die Theilungshypothefe Champagny-Hilgcnfeld eintritt
und ihre Unhaltbarkeit ausführlich nachzuweifen ver-

I fpricht. Gut wäre es gewefen, wenn Link überall, wo
er aufserhalb der Deutung der Parabel von den präexiftenten
Sohn Gottes fpricht, ftatt diefes Ausdruckes die

j Bezeichnung ,heiliger Geift' gewählt hätte, damit nicht
immer wieder der Schein entlieht, als handle es fich bei
Hermas um die zweite Perfon der Trinität.

Giefscn. Guftav Krüger.

Hasenclever, Paft. Dr. Adf., Der altchristliche Gräberschmuck
. Ein Beitrag zur chriftlichen Archäologie.
Braunfchweig, Schwetfchke & Sohn, 1886. (264 S.
gr. 8.) M. 5. —

Der bisher nur durch kleinere Arbeiten auf dem
Gebiete der chriftlichen Archäologie bekannte Vcrfaffer
hat fich in der vorliegenden, der Theologifchen Facultät
in Heidelberg zum funfhundertjährigen Jubiläum der Uni-
verfität gewidmeten Monographie über den altchriftlichen
Gräberfchmuck eine wichtige Aufgabe gehellt. Bei der
gerade auf diefem Felde vorhandenen grofsen Verfchie-