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Ausgabe:

1886 Nr. 2

Spalte:

31-33

Autor/Hrsg.:

Orti y Lara, J. E.

Titel/Untertitel:

Wissenschaft und Offenbarung in ihrer Harmonie 1886

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 2.

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warten, dafs nicht blofs zahlreiche gebildete Nichttheo-
logen, fondern auch manche Theologen die fchönen Vorträge
F.'s gern lefen werden.

Lennep. Lic. Dr. Thon es.

Orti y Lara, Prof. Dr. J. E., Wissenschaft und Offenbarung
in ihrer Harmonie. Preisgekrönt von der königl. Akademie
der Moral- und Staats-Wiffenfchaften zu Madrid.
Autorif. Ueberfetzung von Prof. Dr. Ludw. Schütz.
Paderborn, F. Schöningh, 1884. (XIX, 348 S. gr. 8.)
M. 3. 60.

Vorbezeichnetes Buch hat von mehreren katholifchen
Theologen fehr anerkennende Beurtheilungen erfahren
(vgl. S. X), und zwar find bezüglich desfelben fowohl
materiell der reiche Inhalt und die Reinheit der Lehre,
als auch formell die Schönheit der Sprache, die über-
fichtliche Anordnung und die glänzende Verwerthung der
älteren und neueren einheimischen und fremdländifchen
Literatur Gegenftand des Lobes gewefen.

Was die Schönheit der Sprache betrifft, fo konnte
diefe in der Ueberfetzung natürlich nur unvollkommen
wiedergegeben werden; allein auch diefe lieft fich angenehm
. Ebenfo wird man zugeben müffen, dafs die bezügliche
Literatur in ausgedehntem Mafse verwerthet ift,
obgleich an mehreren Stellen durchleuchtet, dafs wir
Literaturangaben aus zweiter oder dritter Hand vor uns
haben. So wird z. B. das bekannte Wort Leffing's über
die Wahl zwifchcn der Wahrheit und dem immer regen
Triebe nach derfelben mit der Bemerkung eingeführt:
,hat jüngft ein deutfcher Rationalift gefagt', was eine
nähere Bekanntfchaft mit Leffing's doch hervorragender
Bedeutung bei dem Verf. nicht vorausfetzen läfst; auch
find viele andere deutfche Autoren demfelben nur durch
Vermittler, und zwar meift franzöfifche, bekannt. Die
bezüglichen Werke von Hettinger und Cardinal Wife-
man dagegen — letzterer wird nach der deutfchen
Ueberfetzung citirt — fcheint der Verf. felbft gelefen zu
haben und auch in der franzöfifchen und italienifchen
Literatur wohl bewandert zu fein.

Doch die Form der Darftellung und die Literatur-
verwerthung find die Hauptfache nicht, fondern der
Inhalt. Was nun diefen angeht, fo ift auch dem Unterzeichneten
ein Verftofs gegen die katholifche Lehre nirgend
aufgefallen; vielmehr ift der Verf. überall fichtlich
bemüht, bis in's Kleinfte hinein feine volle Uebereinftim-
mung mit der Lehre feiner Kirche an den Tag zu legen,
und es ift die constit. dogm. de fide, welche das Vati- i
canifche Concil gegeben , der er die Hauptcintheilung
feines Werkes entnimmt. Indem nämlich a. a. O. das 1
genannte Concil, wie der Verf. mittheilt, erklärt, dafs die !
Religion und die Wiffenfchaft von einander unterfchieden
feien hinfichtlich fowohl ihres Objects, als auch des Prin-
eips, aus dem fie hervorgehen, in Folge deffen nulla
intcr fidem et rationem verum dissensio vorhanden fein
könne, fo fucht eben diefes Orti y Lara näher nachzu-
weifen, indem er ebenfalls behauptet, dafs ein Wider-
fpruch zwifchen den Wahrheiten des wiffenfehaftlichen
und religiöfen Gebiets unmöglich fei, weil 1) beide Arten
von Wahrheiten denfelben Urfprung befäfsen, nämlich J
Gott, und 2) Glaube und Wiffenfchaft verfchiedene Ob- |
jecte hätten, fo dafs fie fich gegenfeitig nicht ftören
könnten. Ja nach dem Verf. kann die Wiffenfchaft, wie
er zur Beftätigung und Vervollftändigung des bezeichneten
doppelten Nachweifes in einem 3. Theile noch
zeigt, die Wahrheiten des Glaubens überhaupt nicht be- |
kämpfen, ohne (ich felbft zu verletzen, hinzufiechen und
abzufterben (S. 27 f.).

Es fällt auf, dafs im 1. Theil die Feftfetzung des
Concils, die Religion und die Wiffenfchaft feien auch
nach ihrem Princip verfchieden, fofern hier in Gott der
Urfprung beider nachgewiefen werden foll, in ihr Gegen-

theil verkehrt erfcheint; allein Gott ift, wie S. 74 ausführlicher
dargelegt wird, nur infofern als Princip für
beide dargeftellt, als die Principien der Vernunft und
Offenbarung .Strahlen einer und der nämlichen Sonne
der Wahrheit' find.

Betreffs der Ausführung der bezeichneten drei Theile
ift zu bemerken, dafs der Verf. im 1. Theile, da er die
Offenbarung als Mittheilung übernatürlicher Wahrheiten
auffafst, die vorausgefetzte Harmonie nur fo herftellen
kann, dafs er der Vernunft, als dem Organ des wiffenfehaftlichen
Erkennens, einfach zumuthet, fich den geoffenbarten
Dogmen zu unterwerfen, weshalb er auch
jenem Ausfpruche des Vaticanifchen Concils das höchfte
Lob ertheilt, zufolge deffen die Behauptung, dafs die
menfehliche Vernunft unabhängig fei, fo dafs ihr der
Glaube nicht geboten werden könne, in den Bann bringt
(S. 66).

Die Verfchiedenheit der Objecte, welche nach dem
zweiten Theile die Harmonie zwifchen Glauben und
Wiffenfchaft ermöglicht, wird hier in der Art befchrieben,
dafs das Object der Wiffenfchaft die natürliche, das des
Glaubens die übernatürliche Ordnung fei. Zu der natürlichen
Ordnung werden alle Dinge gerechnet, an welche
der Menfch mit feinen intuitiven und discurfiven Denken
hinanreicht, d. h. diejenigen, welche das geordnete Ganze
der Schöpfung bilden, insbefondere auch die in demfelben
prangende Ordnung felbft und deren fchöpferifche
Urfache (S. 79); zu der übernatürlichen Ordnung werden
gerechnet: Gott in fich felbft, feine Wefenheit, fein
j inneres Leben, die Pläne feiner Weisheit, die unermefs-
j liehen Schätze feiner Güte (S. 83), fowie alles, was den
i Menfchen göttlichen Lebens theilhaftig macht (S. 88 f.),
und in ihrer ganzen Fülle fei fie repräfentirt in der Vereinigung
des Sohnes Gottes mit der menfehlichen Natur
(S. 90 f.).

Es ift leicht erlichtlich, dafs die befchriebenen beiden
Reihen nicht in allen ihren Gliedern verfchieden find,
da z. B. Gott beiden angehört; aber auch aufser Gott
bezeichnet der Verfaffer noch als zu beiden Gebieten
gehörig: die Schöpfung des Univerfums, die Geiftigkcit
und Unfterblichkeit der menfehlichen Seele, die Freiheit
des Willens, das Naturgefetz, die Pflicht der Gottesverehrung
u. a. Auch erklärt er es für möglich, dafs gegenüber
denfelben Objecten die Vernunft zu anderen
Refultaten komme, als die Offenbarung zulaffe. Allein
er hält dafür, dafs etwaige Conflicte dadurch zu befei-
tigen feien, dafs einerfeits die Vernunft nicht vorzeitig
urtheile, fondern lieber wiederholt unterfuche, bis Ueber-
einftimmung hergeftellt fei, wie ja z. B. die Einheit des
Menfchcngefchlechts, die von der heil. Schrift gewähr-
leiftet, aber früher vielfach angefochten fei, nunmehr
auch von der Wiffenfchaft anerkannt werde (S. 111 f.).
Andererfeits gebe die Hermeneutik Regeln, nach denen
die heil. Schrift fo auszulegen fei, dafs fie niemals mit
den fichern und ausgemachten Refultaten der wiffenfehaftlichen
Forfchung in Widerfpruch trete (S. 159), was
an der verfchiedenen Erklärung des Wortes a'l"1 in
Genef. I exemplificirt wird. Erftere Regel wird jedoch
in eigenthümlicher Weife dadurch beleuchtet, dafs Prof.
Reufch, nach deffen Buche ,Bibel und Natur' die Zurückhaltung
des wiffenfehaftlichen Urthcils empfohlen wird,
fich die Anklage gefallen laffen mufs, er habe gegenüber
dem Dogma der päpftlichen Unfehlbarkeit feiner
eigenen Principien vergeffen (S. 120), und was die letztere
betrifft, fo ift es ja bekannt genug, zu welchen
Confequenzen die Lehre vom mehrfachen Schriftfinne
führen kann.

Im dritten Theile werden vorzüglich der Materialismus
und der Darwinismus bekämpft. In den bezüglichen
Erörterungen ift manches Gute, und dafs es befonders
der heil. Thomas ift, der ,englifche' Lehrer, welcher hier,
wie im ganzen Buche als der erfcheint, der dem Schüler
im wiffenfehaftlichen Kampfe der Gegenwart die Waffen