Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1886

Spalte:

490-491

Autor/Hrsg.:

Kayser, Joh.

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Geschichte und Erklärung der alten Kirchenhymnen. 2. Bd., worin die Sequenzen des Römischen Missale besonders berücksichtigt sind 1886

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

489

49°

druck fafste. Für unferen Verfaffer ift es charakteriftifch,
wenn er fich einmal an feine Gegner mit den Worten
wendet: ,wenn zwifchen Euch und uns der Verftand
richten foll etc.' (p. 70) und feine Betrachtung dann mit
den Worten fchliefst: ,was wir angeführt haben, genügt
für diejenigen, welche vernünftig find, der Wahrheit
nachffreben und geradfinnig find' (p. 82). Seine oft recht
heftigen Ausfälle gegen die unvernünftigen' Gegner
wollen durchaus nicht paffen zu den vielen Phrafen von
Friedfertigkeit und Feindesliebe, die er im Munde führt
und durch Sprüche Jefu und der Apoftel vielfach zu belegen
fucht. Etwaigen Vorwürfen gegenüber, die ihm
in diefer Hinficht gemacht werden könnten, fucht er
dann gelegentlich fein Gewiffen mit dem alten Spruche
zu beruhigen: ,wer feinen Gegnern zu freundlich entgegenkommt
, der bedeckt fich mit Schande' (p. 22):
daher man ihm dann freilich feine Ausfälle gegen die
Anflehten der Ketzer, ,bei deren Anhören einen ein
Schauer überläuft' (p. 47) nicht weiter verübeln darf.

Die Schrift zerfällt in vier Teile, von denen der erfte
die Widerlegung der Mohammedaner und Juden, der
zweite die der Jacobiten und Melkiten enthält, während
der dritte die Vorzüge der Orientalen, d. h. der Nefto-
rianer, preift, und der vierte hauptfächlich die Zumuthung
zurückweift, mit den Gegnern Abendmahlsgemeinfchaft
zu halten. Der Angeredete ift ein Bruder des Verfaffers,
felblt in dem verderblichen melkitifchen Irrthum befangen
. Am Härteften greift Elias die Jacobiten an, in
denen er die ärgften Feinde des Glaubens fieht: der
Hauptanftofs ilt ihm neben der Vermifchung der Naturen
in Chriftus ihre Bezeichnung der Maria als trewonog,
welches Thema immer von neuem zur Discuffion gebracht
wird. Am Beften fahren — und das ift inter-
effant — die Muhammedaner, denen der Verfaffer ihre
Toleranz in Glaubensfachen nachrühmt und die er feiten
erwähnt, ohne ein ,Gott behüte fie' hinzuzufügen. Ihnen
gegenüber befchränkt er fich auch, ohne in die Offenfive
überzugehen, auf eine Apologie des Trinitätsglaubens,
wobei es ihm freilich im Eifer, die Einheitlichkeit Gottes
in der Trinität den Moslems gegenüber zu erweifen,
paffirt, dafs er fich von dem orthodox-nieänifchen Glauben
, an dem er ftreng feftzuhalten bekennt, weit verirrt:
,Gott ift eine Subftanz; diefe Subftanz befteht aus drei
Aquarüm (ngnaiona), welche find die Effenz, die Weisheit
, das Leben (Vater, Sohn und Geift)' (Horft p. XIV).
Aber von diefen Aquänim wird nun wiederholt erklärt,
fi« feien keine Perfonen, fondern Attribute des Schöpfers,
an denen keiner aufser ihm Theil hat (p. I ff). Vielleicht
hat eine alte Tradition der Neftorianer ihm diefe
Faltung eingegeben (Horft), vielleicht hat er fich auch
gar Nichts dabei gedacht.

In einer trefflichen Einleitung, welche er der Ueber-
fetzung vorauffchickt, hat Horft über Inhalt der Schrift
und Perfönlichkeit des Verfaffers, fowie über Text und j
Handfchrift gehandelt, in eingehender Charakteriftik die J
Schrift beurtheilt. Er betont hier richtig, dafs die eigentlich
dogmatifchen Ausführungen des Verfaffers unendlich
breit und darum langweilig find, obwohl fie zuweilen
logifch durchaus correct erfcheinen (vgl. vor Allem p.
58 ff.). Recht hübfeh ift die in etwas homiletifchem Ton
gehaltene Darlegung der Entftehung und erften Anfänge J
des Chriftenthums (p. 57). Dem erften Capitel des
zweiten Theiles, welches den Nachweis führen foll, dafs j
Melkiten und Jacobiten jüngere Secten find, ift ein kurzer
Ueberblick über die Kirchengefchichte eingefügt, welcher |
immerhin intereffant genannt zu werden verdient (p. 24fr). |
Elias hat hier die Chronik eines feiner Gegner, des melkitifchen
Patriarchen Eutychius (f um die Mitte des
10. Jahrhunderts), deffen Ausführungen er oft auf das
Bitterfte angreift, nach beften Kräften ausgefchrieben
und nur das von dort Entnommene nicht immer genau
und lückenlos erzählt. Indeffen entfpricht fein Bild im
Grofsen und Ganzen der hiftorifchen Wahrheit: denn

nicht viel anders, als er es befchreibt, ift es zu Ephefus
und Chalcedon wirklich zugegangen. Zu dem dritten
Theil, welcher die kirchlichen Sitten der Neftorianer
(Wahl der Oberen, Gebet, Abendmahl und Falten) be-
fpricht, mufs man die apoftolifchen Conftitutionen zur
Örientirung heranziehen. Die Vorzüge der ,Orientalen,
werden hier mit grofser Selbftüberhebung gefchildert,
während im vierten Theil die ,Römer' und ihre Sitten
fehr abfehätzig beurtheilt werden. Auf Grund einer
Reihe von Vorwürfen und Befchuldigungen, die man
mit Horft zum Theil als läppifch und kindifch bezeichnen
mufs, obwohl fie charakteriftifch find für diefe Sorte
Chriftenthum, zeigt Elias fchliefslich die Unmöglichkeit
auf, mit den Gegnern das Abendmahl zu nehmen. Das
wäre das gröfste Unrecht: folche ,Anficht ift unfinnig
und verkehrt; die Gröfse des Abfalls und die Entfetz-
lichkeit der Unbedachtfamkeit deffen, der dafür eintritt,
find offenbar' (p. 101).

Der Herausgeber will, wenn anders es die Kotten
geftatten, den arabifchen Text feiner Ueberfetzung bald
folgen laffen. Diefe felbft lieft fich vortrefflich, p. X
Z. 14 mufs es heifsen: ,vier' Theile ftatt ,drei'; p. 123
find die Anmerkungen verftellt.

Giefsen. Guftav Krüger.

Kayser, Dompropft Dr. Joh., Beiträge zur Geschichte und
Erklärung der alten Kirchenhymnen. 2. Bd., worin die
Sequenzen des Römifchen Miffale befonders berück-
fichtigt find. Paderborn, F. Schöningh, 1886. (XIII,
329 S. gr. 8.) M. 4. —

Der erfte Band des vorliegenden Werkes erfchien
1881, als zweite Auflage der feit 1866 herausgegebenen
drei Hefte, welche hervorragende Hymnen, namentlich
die in das römifche Brevier aufgenommenen, bis zum
Ende des 6. Jahrhunderts behandeln. Der gegenwärtige
zweite Band verbreitet fich in drei Büchern zu je drei
Capiteln vorzugsweife über die Sequenzen des römifchen
Miffale. Nach einer fehr inftruetiven Abhandlung über
die Sequenzen im Allgemeinen, welche das erfte Capitel
bietet, werden in dem zweiten und dritten Capitel des
erften Buches die Ofterfequenz Victimae paschali und die
Pfingftfequenz Veni sanete Spiritus, in den drei Capiteln
des zweiten Buches die Sequenzen Lauda Sion, Stabat
mater und Dies irae einer eingehenden und überaus
forgfältigen Behandlung unterzogen. Jede diefer Sequenzen
wird auf den Verfaffer, den Text, die Form, die
Erklärung, die Verwendung, die Ueberfetzungen genau
unterfucht. Das dritte Buch führt uns drei namhafte
Hymnendichter aus dem letzten Drittel des erften chrift-
lichen Jahrtaufends vor: Beda venerabilis, Paulus Diaco-
nus und Theodulf von Orleans; die Oekonomie der Behandlung
des Stoffes wird eine andere; auf die Lebens-
fki zzen der genannten Hymnendichter folgen Notizen
über ihre Schriften und der Abdruck ihrer Hymnen,
denen weder Ueberfetzung noch Erklärung hinzugefügt
wird. Ein Anhang endlich macht uns mit drei noch
nicht veröffentlichten Sequenzen aus dem alten Breslauer
Miffale bekannt.

Es find freilich nur fünf Sequenzen, die uns die
beiden erften Bücher vorführen; non tntdta, sed multum.
Der Lefer folgt den Darlegungen des Herrn Verfaffers
mit dem lebhafteften Intereffe; Klarheit der Darfteilung
wetteifert mit Gründlichkeit der Forfchung. Die vorhandene
Literatur ift auf das gewiffenhaftefte benutzt;
Bibliotheken, vorzugsweife in Breslau, haben eine Reihe
bisher noch nicht benutzter Manufcripte dargereicht, und
diefe werden in umfaffender Weife im Intereffe der
Sache ausgebeutet. Es mag fein, dafs in den beiden
erften Büchern die /Erklärung' der Sequenzen gedrungener
hätte fein können, dafs ein gewiffer Contraft auffällt
zwifchen dem in den Noten niedergelegten gelehr-