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Ausgabe:

1886 Nr. 21

Spalte:

488-490

Autor/Hrsg.:

Horst, L.

Titel/Untertitel:

Der MetropolitenElias von Nisibis Buch vom Beweis der Wahrheit des Glaubens. Uebersetzt und eingeleitet. Doctordissertation 1886

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 21.

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baren Kirchen und Paläften, da ftrömten die Waffer des
Po in vielarmigen Canälen durch die Stadt. Was von
alledem heut noch geblieben, ift leer und erftorben.
Aber man fülle im Gedanken diefe Strafsen und Plätze
mit Leben, man bevölkere die Kirchen und Häufer, man
führe dahin den Glanz des Hofes, das Gepränge der
Kirche, das bunte Treiben der Proceffionen und Fefte
zurück — und man wird ein ungefähres Bild erhalten
von Ravenna, wie es blühte vom V. bis ins VII. Jahrh.
Dann erft wird man die Kirchen und Grabmäler, die
Mofaiken und Sculpturen, die uns heute in ihrer Umgebung
fo fremdartig anmuthen, an der rechten Stätte
finden, von wo aus fie uns wie die Fingerzeige der Vor-
fehung auf ein grofses und wichtiges Blatt der Gefchichte
hinweifen.

In diefem Abfchnitt führt der Verf. alle nicht mehr
vorhandenen Kirchengebäude auf, von denen Agnellus
und die alten Quellen berichten, in dem zweiten geht er
auf das Architektonifche der noch exiftirenden Denkmäler
ein. Als vorzüglichfle Beifpiele des Bafilikenftils,
den die altchriftliche Kunft aus dem Alterthum herübergenommen
und während ihrer ganzen Dauer bewahrte
und vollendete, führt er die beiden Kirchen S. Apollinare
in Classe und S. Apollinare nuovo an, von denen die
erftere feit dem Brande der Bafilika 5. Paolo fuori le mura
in Rom (i. J. 1823) als der vollendetfte und reinfte Typus
diefer erften kirchlichen Baukunft gilt. Bei den Eigen-
thümlichkeiten der Architektur diefer Kirchen und dem
Abweichen von den Formen an anderen Plätzen, namentlich
in Rom, macht er befonders auf die verdienftvolle
Studie Rahn's aufmerkfam, deren Ergebnifsen er fich unbedingt
anfchliefst. — Der neue byzantinifche Typus des
altchriftlichen Kirchengebäudes tritt dann in Ravenna
mit dem Centraibau von S. Vitale in die Erfcheinung.
Wir können uns hierbei der Anficht des Verf.'s, der
5. Lorenzo in Mailand ein Jahrhundert dem ravennati-
fchen Kuppelbau voranftellt, nicht anfchliefsen und fehen
in 51 Vitale vielmehr einen Vorläufer als eine Nachbildung
des Mailänder Centraibaues. In diefem Sinne, entgegen
den Anflehten Hübfch's, Schnaafe's u. A., denen
der Verf. gefolgt ift, hat fich mit guten Gründen neuerdings
auch Reber (Kunftgefchichte des Mittelalters. Leipzig
1885) ausgefprochen. — Von den übrigen ravennati-
fchen Bauwerken ift nur der Refte des Theodorich-
Palaftes und des Grabmals desfelben Fürften Erwähnung
gethan.

In dem dritten Capitel ,Les Mosaiques' hebt er den
Unterfchied zvvifchen der Wandmalerei in den Katakomben
und der Mofaikmalerei in den Bafiliken hervor. Das
Symbolifche verfchwindet, der hiftorifche Charakter der
Compofitionen tritt hervor. Unter dem Einflufs des
byzantinifchen Hofes bildet fich eine Art officieller Kunft
heraus, die, wie fie fich immer prunkhafter und reicher
geftaltet, immer gefeffelter und fteifer wird. — ,Das Studium
der Mofaiken ift für die Gefchichte der chriftlichen
Kunft', fagt der Verf. S. 42, ,von grofser Wichtigkeit,
ohne fie würden wir von der chriftlichen Malerei der
ei lten zehn Jahrhunderte fo gut wie nichts kennen, ohne
fie wären uns die Anfänge der byzantinifchen Kunft ein
Geheimnifs'. In diefer Allgemeinheit ift der Satz gewifs
nicht richtig, denn wir verweifen nur auf die Malerei in
den Katakomben, ohne die uns ein Verftändnifs der
Mofaikmalerei fehr fchwer werden würde. Allerdings
verdienen die Mofaiken Ravenna's eine ganz befondere
Aufmerkfamkeit, und wir müffen ihm vollkommen zu-
ftimmen, wenn er in diefer Beziehung behauptet: JVul
part on ne rencontre une serie, ni aussi riche, nt aussi con-
tinue, de monutnents de cette espece . . — Wie Richter,
dem er aufser Bayet {Recherckes pour servir ä l'histoire
de la peinture et de la sculpture chretiennes en Orient,
1879) in diefem Theil meiftens folgt, verknüpft er die
drei grofsen Epochen der Mofaikmalerei wie der Kunft
Ravenna's überhaupt mit den drei Namen: Galla Placidia,

Theodorich und Juftinian, deren Denkmäler er dann der
Reihe nach befpricht.

In dem vierten Abfchnitte behandelt er die Sculptur.
Wie fonft überall, beweifen auch die in Ravenna erhaltenen
Sculpturmonumente ein Zurücktreten diefer Kunft-
übung vor der Architektur und Malerei. In den Kirchen
fieht man fie nur im Dienfte der Baukunft, ihre felbft-
ftändigen Werke find allein die Basreliefs der Sarkophage.
Von diefen findet man eine ftattliche Anzahl im dortigen
Mufeum fowohl, wie in der Stadt auf den Strafsen und
Plätzen zerftreut. Garrucci giebt ihre Zahl auf 57 an.
Die meiften davon find mit einfachen Ornamenten ge-
fchmückt, die hervorragenden find hinlänglich bekannt.
— Diefem letzten Theil der Diehl'fchen Studie mangelt
es übrigens an einer gewiffen Klarheit, die man fonft an
feiner Arbeit nicht vermifst. Eis hat faft den Anfchein,
als hätte er fich nicht die nöthige Mufse genommen, die
ravennatifchen Sarkophagmonumente eingehend zu ftudi-
ren. — Zum Schlufs führt der Verf. noch die i. J. 1854
gefundene, jetzt im Mufeum der Stadt befindliche Gold-
fchmiedearbeit auf, die angeblich der Rüftung Odoaker's
oder Theodorich's angehört haben foll. Es find dies drei
Goldplatten, eifelirt und mit Granaten ausgelegt, von fehr
feiner Arbeit und eleganter Ausfchmückung. Sie find
vielleicht byzantinifchen Urfprungs und flammen wahr-
fcheinlich aus dem V. Jahrhundert.

Die 34 Abbildungen, die dem Werke beigegeben,
find bis auf einige wenige eigens zu diefem Zweck her-
geftellte Zeichnungen; fie entfprechen aber vielfach den
Anforderungen, die man an wiffenfehaftliche Illuftrationen
(teilen darf, nicht.

Berlin. Otto Pohl.

Horst, Pfarrvik. Lic. Dr. L., Der Metropoliten Elias von
Nisibis Buch vom Beweis der Wahrheit des Glaubens.

Ueberfetzt und eingeleitet. Doctordiffertation. Colmar
, Barth, 1886. (XXVIII, 127 S. gr. 8.) M. 3. 20.

Es ift mit Freuden zu begrüfsen, dafs auch die
deutfehen Orientalinnen fich der Aufgabe anzunehmen
beginnen, welche im Auslande bereits feit längerer Zeit
mit Erfolg in Angriff genommen worden ift, theologifch
intereffante Werke durch Ueberfetzungen auch weiteren
Kreifen zugänglich zu machen. Unter diefem Gefichts-
punkt hat man dem Verfaffer der uns vorliegenden
Arbeit ganz befonders dankbar zu fein. Das Buch, dem
er feine Kraft gewidmet hat, ,gehört zu der reichen
polemifchen und apologetifchen Literatur, welche fich
in fyrifcher und arabifcher Sprache, beim ftetigen Streit
der Jacobiten, Neftorianer und Melkiten unter einander,
und aller drei Secten gemeinfam gegen die Juden und
Mohammedaner, im Morgenland entfaltete'. Horft fchreibt
es, wie es fcheint mit durchfchlagendcn Gründen, dem
Metropoliten Elias von Nifibis zu, der im Jahre 1049
ftarb und ein fruchtbarer und vielfeitiger Schriftfteller
gewefen ift. Die Schrift flammt alfo aus einer Zeit, von
der felbft unfere umfangreichften Kirchengefchichten faft
Nichts zu fagen wiffen und auch die Artikel der Ency-
klopädien nur nothdürftige Auskunft geben. Um fo
intereffanter, dafs wir Gelegenheit erhalten, uns über
den Geht der damals betriebenen Theologie aus den
Quellen zu orientiren. Freilich, der Eindruck, welchen
wir erhalten, ift kein erfreulicher. Dogmatifcher Intel-
lectualismus und Formalismus, wie Horft mit Recht die
Hauptzüge im Chriftcnthum diefcs Buches bezeichnet,
hängen der griechifchen Kirche an feit den grofsen
Streitigkeiten des vierten und fünften Jahrhunderts: die
Gegner überbieten fich in unfruchtbaren Zänkereien über
die abftrufeften Spitzfindigkeiten, und darin ift der Jaco-
bite nicht beffer als der Neftorianer oder der Anhänger
der chalcedonenfifchcn Orthodoxie, Melkite genannt,
weil das Concil feine Befchlüffe unter kaiferlichem Hoch-