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Ausgabe:

1886 Nr. 20

Spalte:

463-467

Autor/Hrsg.:

Jülicher, A.

Titel/Untertitel:

Die Gleichnisreden Jesu. 1. Hälfte. Allgemeiner Thl 1886

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 20.

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rpby J]Cnü für -/.(aa/j.KJÜaig; 3 Joh. 2 i©S3 nnbs

(Del. »VI ^En).

Die Stellen, an welchen ich die Ueberfetzung Sal-
kinfon's derjenigen von Delitzfch vorziehe oder auch
beide beanftanden möchte, find: Matth. 5, 3 rp"in i«D?
(Del. ohne Art.); 5, 13 OEnab (Del. ohne b); 5, lS."W»"biS

rnsa (Del. 'an tttisirbab); 5', 19 ntflasj-ba (Del. -rox in)';

5, 22 meint Del. mit batn Inn» ohne Zweifel: du Narr
du! Ohne Kenntnifs des Grundtextes wird man jedoch
nur die Ausfage ,du bift der Narr' darin finden können.
— 5, 31 O"1» nV»? "'S (Del. '»'i HJ» TD''»); 5, 36b?in Übr^S

(Del. qnbya T&P3); Luk. 15, 29 qitnba'at) "»rro* »b (Del'.

tin^a-n«); Gab 2, 6 kann ^fl^tti itt ^!T> bei Del. doch
nur heifsen: ,mögen fie fein, wer fie wollen', aber dies
entfpricht doch nicht dem (moini ;rma tf(jctv: (Salk. noch
freier ja ^X jS CEi? DX); 2, 9 '11 a^ärrbx (Del. D^iab);
Tit. 3, 11 na^'X^'bab ' 13 (Del. 'lo'e:-nx a^O'-ina; jedenfalls
wäre wohi für '-ina zu fetzen 'tSn»'nnaj; I Petr. 5,
10 D3IPX xnj?, Del. nach ungenügender Bezeugung ^SOpJ;
ebenfo folgt Salk. 2 Joh. 8 einem weit beffer bezeugten
Text; Offenb. io, 9 Salk. xmi, Del. "TCP*, welches
nach den vorhergehenden Imperativen den Eindruck
eines Einalfatzes macht; 10, 11 haben beide Ueberfetzun-
gen gegen alle gute Zeugen TOX'* ftatt des Plurals.

Wenn fich Referent, zumal'in den Briefen, mit einer
ziemlich befchränkten Auswahl von Belegen hat begnügen
müffen, fo dürften die letzteren doch zur Begründung
des nachfolgenden Urtheils völlig ausreichen. Die Ueberfetzung
von Salkinfon hat im Streben nach claffifchem
Hebräifch eine ziemliche Anzahl von Wendungen und
Ausdrücken verwerthet, die einen mit dem alten Tefta-
ment vertrauten Lefer anmuthen können. Dagegen ift
eine treue Wiedergabe deffen, was wirklich im Neuen
Teftament fleht, vielfach zu vermiffen und in Bezug auf
Correctheit und Sprachrichtigkeit hält fie mit der Arbeit
von Delitzfch fo wenig einen Vergleich aus, dafs man
fich verwundern mufs, wie eine Bibelgefellfchaft fo geringe
Anforderungen an eine Ueberfetzung des Neuen
Teftamentes flehen konnte. Und dafs man mit eben
diefer Ueberfetzung einem längft bewährten und weitverbreiteten
Werke Concurrenz macht — zum offenbaren
Schaden für den Miflionszweck — das vermag Referent
noch weniger zu begreifen.

Tübingen. E. Kautzfeh.

Jülicher, Pred. Dr. A., Die Gleichnisreden Jesu. 1. Hälfte.
Allgemeiner Thl. Ereiburg i/Br., Mohr, 1886. (291 S.
gr. 8.) M. 6. —

Der bisher nur durch kleinere Arbeiten bekannte
Verfaffer erweift fich durch diefe Monographie über die
Gleichnifsreden Jefu als einen Meifter auf dem Gebiet
der neuteftamentlichen Exegefe. Umfaffende Gelehrfam-
keit, kritifche Methode, felbftändiges, treffendes Urtheil
flehen ihm in einem Mafse zu Gebote, wie es bei unferem
heutigen Exegetengefchlechte nicht allzuhäufig anzutreffen
ift. So ragt denn auch feine Arbeit weit über den
Durchfchnitt der exegetifchen Maffenproduction hervor.

Die Wahrheit, die er uns einfehärft, ift kurz gefagt
die, dafs erft Weifs in feinen Commentaren zu Marcus
und Matthäus eine auf gefunden hermeneutifchen Grund-
fätzen ruhende Auslegung der Gleichnifse Jefu gegeben
hat, dafs auch feiner Auslegung noch ,einzelne Refte
irrationaler Ueberlieferung' anhaften, und dafs jedenfalls
eine auf jenen Grundfätzen ruhende Monographie
über die Gleichnifse erft noch zu fchreiben ift. Das ift
tief befchämend, aber leider wahr. Denn von den drei
Wegen, welche die Gleichnifsauslegung betreten kann:
1) dafs man Alles allegorifirt, 2) dafs man die Hauptfachen
allegorifirt und 3) dafs man nichts allegorifirt, find
bisher, abgefehen von Weifs, nur die beiden erften betreten
worden, und doch ift der dritte ohne Zweifel der
richtige.

Der ftattliche Band, der bis jetzt vorliegt, behandelt
nur die allgemeinen Fragen. Die Auslegung der einzelnen
Gleichnifse foll erft in einer zweiten Hälfte (noch
Ende diefes Jahres) folgen.

Der erfte Abfchnitt (S. 1-24: ,Die Echtheit der
Gleichnifsreden Jefu') wendet fich einerfeits gegen
die Männer der Tradition, welche meinen, dafs alle
Gleichnifse genau fo, wie fie uns in den kanonifchen
Evangelien vorliegen, von Jefu gefprochen worden feien,
andererfeits gegen die kritiklofe Skepfis, namentlich des
Holländers Loman, welche nicht fähig ift, fichere und
unfichere Ueberlieferung zu unterfcheiden, und darum
alles in Baufch und Bogen verwirft. Es wird gezeigt,
dafs die Gleichnifse bis zu ihrer Fixirung in jetziger
Geftalt mannigfache Modificationen erfahren haben, wie
fchon die Doppel-Relation desfelben Gleichnifses bei
Matth. 25, 14—30 und Luc. 19, 11—27, und ferner bei
Matth. 22, 2—14 und Luc. 14, 16—24 beweift (S. 9), dafs
aber im Durchfchnitt an der Echtheit des Kernes der
Gleichnifse nicht zu zweifeln ift.

Der umfangreiche zweite Abfchnitt (S. 24—121) unter-
fucht ,Das Wefen der Gleichnifsreden Jefu'. Dem
gricchifchen uctQaßufal entfpricht hebräifch btütt. So
weitfehichtig diefer Begriff auch ift, fo ift ihm'doch
jedenfalls wefentlich das Moment des Vergleichens (S. 36),
und zwar find Mefchalim immer vollftändige Sätze, nie
blofse Redetheile (S. 38). ,Demnach wäre blBü eine
Redeform, die durch Ncbeneinanderftellung von Gleichem,
durch Vergleichung zu Stande kommt oder darauf beruht
' (S. 37). Mit diefer allgemeinen Begriffsbeftimmung
ift freilich noch nicht viel gewonnen. Es frägt fich,
von welcher Art die Mefchalim Jefu find? Die Evan-
geliften betrachten fie als vergleichende Reden, welche
dunkel find und der Deutung bedürfen (S. 43), welche
hinter geläufigen Worten fern und hocheliegende Ge-
genftände verdecken, und zwar Gegenftände, die bei
der Vergleichung mit ihren Hüllen fich als denfelben
ähnlich ausweiten (S. 48), mit einem Wort als Allegorien
(S. 50). Von diefer Art war allerdings vorwiegend
der Mafchal der Schriftgelehrten im Zeitalter
Jefu (S. 39 ff.). Aber haben die Evangeliften Recht,
indem fie die Mefchalim Jefu ebenfo anfehen? Jülicher
antwortet darauf entfehieden mit ,ncin' (S. 42, 50), und
begründet dies, indem er das Wefen der Allegorie
näher unterfucht und damit die Parabeln Jefu vergleicht
(S. 50—72). Die Vorftufe der Allegorie ift die Metapher.
Eine Metapher bildet man, indem man einen Begriff
nicht in Geftalt des für ihn curfirenden Wortes vorführt,
fondern in Geftalt eines anderen, nur einen verwandten
Begriff darfteilenden Wortes (S. 51 f.). Von der Metapher
ift zu unterfcheiden die .Vergleichung', welche
nicht einen Begriff durch einen anderen erfetzt, fondern
einen Begriff mit einem andern vergleicht (S. 52 ff.).
.Seid klug wie die Schlangen und ohne Falfch wie die
Tauben' find Vergleichungen, .Seid Schlangen und feid
Tauben' wären Metaphern (S. 54). Eine zu einem Satzganzen
erweiterte Metapher ift eine Allegorie, eine
zu einem Satzganzen erweiterte Vergleichung ift ein
.Gleichnifs' (S. 59). Die Allegorie befteht alfo aus
lauter Metaphern, freilich nicht aus beliebigen, fondern
aus folchen, die unter fich zufammenhängen, demfelben
Gebiet entnommen find (S. 59). Was find nun die Parabeln
Jefu? Wenn man von einzelnen Deutungen und
Umbildungen abficht, welche fich mit mehr oder weniger
Sicherheit als Producte der Evangeliften darthun laffen,
fo find fie durchweg nicht Allegorien, fondern echte
.Gleichnifse' in dem oben bezeichneten Sinne.

Nachdem Jülicher fich fo durch Abwehr jeder Vermengung
mit der Allegorie den Boden geebnet hat,
giebt er eine nähere pofitive Darftellung des
Wefens der Parabeln Jefu (S. 72—121). Er unter-