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Ausgabe: | 1886 Nr. 19 |
Spalte: | 445-446 |
Autor/Hrsg.: | Röschen, Friedr. Aug. |
Titel/Untertitel: | Die Zauberei und ihre Bekämpfung 1886 |
Rezensent: | Achelis, Ernst Christian |
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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 19.
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über die Renaiffance in Süditalien, die uns überrafchen-
den Auffchlufs über die Geiftesarbeit gewährt, welche
nicht blofs der deutfche, fondern auch — was in der
Regel kaum Anerkennung findet — der italienifche
Humanismus auf die Löfung der religiöfen Seite feiner
Aufgabe verwandt hat. Im Allgemeinen freilich ift für
die Stellung des Humanismus zum Chriftenthum kaum
etwas Bezeichnenderes aufzutreiben, als der S. 439 mit-
getheilte Witz des Pontanus.
Strafsburg i. E. H. Holtzmann.
Röschen. Pfr. Friedr. Aug., Die Zauberei und ihre Be
kämpfung. Gütersloh, Bertelsmann, 1886. (III S. 8.
M. 1. 20.
Der Herr Verfaffer beginnt fein Büchlein^ mit der
Behauptung von der Exiftenz der Zauberei (S. 7—13),
um dann erft (S. 13 — 31) die Beantwortung der Frage
zu unternehmen, was denn eigentlich Zauberei fei. j
Jene Behauptung wird daraus (S. Ii) erwiefen, dafs
Gott feinem Volke die Zauberei auf's ftrengfte verbiete
(Deut. 18, 10—12), alfo müffe die Zauberei eine furchtbare
Realität fein, nämlich ein Thun, wie uns fpäter
(S. 31) erklärt wird, welches nur durch die Kraft und
den unmittelbaren Beifland des Teufels und feiner Engel
möglich fei. Wer in diefes Thun verftrickt fei, flehe
wefentlich im geiftlichen Tode (nebenbei: ein unbibli-
fcher Ausdruck) oder doch in deffen bedenklichen Anfängen
(S. 12), und das feien oft fogar die bellen Glieder
der Gemeinde (S. 11). — Dies der Beweis, das Zauberei
exiftire.
Die Beantwortung der Frage, was Zauberei fei, j
könne nicht aus den Namen für die Sache gefchehen; |
denn es fei charakteriftifch, dafs die Namen für diefe !
geheime Sünde fich felber in Geheimnifs hüllen.
Dagegen biete die Hexe von Endor erwünfchtes Licht,
obgleich arme Profefforen, fclbft Bauchredner, fie zu einer
Bauchrednerin machen wollen; ferner einige Stellen des
N. T.'s, in denen von Zauberei und von Künften des
Satans am Ende der Tage die Rede ift; befonders aber
der Neuplatoniker Jamblichos mit feinen theurgifchen
Gebetsformeln u. f. w. Daraus gehe hervor, dafs in der
Zauberei der Menfch Thaten, wirkliche Wunder, verrichte
wider Gottes Gebot und ohne Gottes Verheifsung, ja
trotz des göttlich angedrohten Fluches, alfo durch
Kraft des Teufels. — Hiermit ift uns deutlich berichtet,
was Zauberei fei.
Von dem Herrn Verfaffer wird als theologifche Autorität
Vilmar citirt, der in feiner Dogmatik ja conftatirt |
habe, dafs der Menfch durch unbedingte Selbfthingabe
an das Böfe Wunder verrichte (S. 10); auch habe Vilmar
aus eigener Erfahrung bezeugt, dafs man bei Befeffenen
nichts ausrichte, wenn man Wein getrunken habe (S. 94).
Sollte eine zweite Auflage des Büchleins nöthig werden,
fo würde es zu noch deutlicherer Bekräftigung vielleicht
fich empfehlen, aus Vilmar's anderen Schriften eine
Blumcnlefe hinzuzufügen; z. B. .Theologie der That-
fachen' etc. 3. Aufl. S. 41, dafs der, welcher recht lehren
und die Seelen recht behüten wolle, ,des Teufels Zähne-
fletfchen aus der Tiefe gefehen (mit leiblichen Augen
gefehen; ich meine das ganz unfigürlich), und feine Kraft
an einer armen Seele empfunden, fein Läftern, insbefon-
dere fein Hohnlachen aus dem Abgrund gehört haben'
müffe; oder S. 92: dafs nicht die Gemeinde, auch nicht
die Gemeinde der Heiligen, fondern nur ,das Amt' die
Kraft habe, ,in eine Seele hineinzuftcigen, in welcher
der Altfeind felbft feine Wohnftätte aufgefchlagen hat,
und dort mit dem hohnfprcchenden Riefen des Abgrundes
Stirn gegen Stirn und Auge gegen Auge zu
kämpfen'. Wirkungsvoll werden folche Citate ohne Zweifel
fein.
Der Herr Verfaffer beachtet nicht, dafs dreierlei fich
nicht erweifen läfst: 1) dafs die heil. Schrift, wo fie von
Zauberei redet, Teufelswerke, durch Menfchen verrichtet,
im Auge habe; 2) noch weniger, dafs wir heute mit
denfelben Teufelswerken zu thun haben bei abergläubi-
fchen Gebräuchen unferes Volkes; 3) am wenigften, dafs
das, was der Herr Verfaffer für folches Teufels werk anfleht
— er verfchweigt uns aber, was das fei; er fagt
nur, dafs ihm die Haare dabei zu Berge flehen (S. 33) —,
fich nicht anders erklären laffe. Die Gefchichte der Me-
dicin, der naturwiffenfchaftlichen Entdeckungen und Erfindungen
, nicht am wenigften Bosko und feine Künfte
und die Gefchichte der menfchlichen Thorheit füllten
uns doch einigermafsen nüchtern machen. Das Verderbliche
des ja leider noch fehr verbreiteten Aberglaubens
liegt darin, dafs das einfache ehrliche Gottvertrauen und
der ehrliche Gebrauch der von Gott gegebenen Heilmittel
dabei zu Grunde geht, dafs das Credo quin absurdum
feine Triumphe feiert und dafs man unter mehr
dummem als läflerlichem Mifsbrauch des göttlichen Namens
feine Zuflucht zu Dingen nimmt, die mit fchein-
religiöfem Nimbus umgeben find, um fo vertrauensvoller,
ja abfurder fie find. Dafs dadurch eine religiöfe Zerrüttung
und eine lichtfcheue Geheimthuerei, die für den
Charakter nur zerftörend wirkt, erzeugt werde, ja dafs
die Seelen fich damit dem Geilte öffnen, der fein Werk
hat in den Kindern des Ungehorfams (Eph. 2), ift dem
Referenten gewifs. Dafs der Herr Verfaffer mit tiefem
Ernfte gegen folches Unwefen Front macht, ift an fich
durchaus anzuerkennen.
Von dem dritten Abfchnitte an erklärt der Herr
Verfaffer den Unterfchied zwifchen ,Schwarz.künftlern',
die mit dem Teufel bewufster Weife einen Bund machen,
und den ,Weifskünftlern', welche unbewufst dem Teufel
dienen, für irrelevant. Er fucht ferner nachzuweifen, dafs
die Zauberei auf einer Eingebung des Teufels beruhe
und wahrfcheinlich Gen. 6, wo die Söhne Gottes abgefallene
Engel oder Teufel feien, in die Welt gekommen
und durch Harn unter den Menfchen nach der Sintfluth
verbreitet fei, wie ja alle Völker, welche Hamiten find,
als Herde der Zauberei bekannt feien und zu allen
Völkern und Ständen die Zauberei fortgepflanzt haben. —
Diefe Ausführungen laffen wir auf dem ihnen eigenthüm-
lichen Werthe beruhen. —
Fruchtbarer dürften die Abfchnitte fein (S. 70 ff.),
worin der Herr Verfaffer die Entftehung der genannten
Sünde in den Herzen der Menfchen pfychologifch zu
erklären fucht, und die Waffen darlegt, mit denen fie zu
bekämpfen fei. Mit einfacher Negation ift, wir ftimmen
völlig bei, nichts zu machen; das Heilmittel wider den
abergläubifchen Wuft ift nur die Predigt des Evangeliums
öffentlich und fonderlich. Die Warnung würde auch
am Platze fein, dafs der Bekämpfter des Aberglaubens
vor Allem fich felbft von der Verftrickung in Aberglauben
und vor Uebertreibungen zu hüten habe. Der
Herr Verfaffer fpricht diefe Warnung nicht aus und
konnte es auch wohl nicht. Eine Predigt über Luc. II,
14—28 mit dem Thema: ,Die Zauberei ein Teufelswerk
und Höllen weg' befchliefst das Büchlein.
Marburg. Achelis.
Gegen den Strom. Flugfchriften einer literarifch-künftleri-
fchen Gefellfchaft. IX. Die Leetüre des Volkes.
Von Adam Müller - Guttenbrunn. Volksausg.
4. Taufend. Wien, Graefer, 1886. (31 S. gr. 8.)
M. —. 24.
,Die Leetüre des Volkes' betitelt fich die neuefte
der Wiener Flugfchriften .Gegen den Strom'. Diefen
Brofchürencyclus wird niemand überfehen dürfen, der
für die Bewegungen und Wandlungen des Gefchmacks,
des Urtheils und der Gefinnung unferer gebildeten Welt