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Ausgabe:

1886 Nr. 19

Spalte:

444-445

Autor/Hrsg.:

Gothein, Eberhard

Titel/Untertitel:

Die Culturentwicklung Süd-Italiens in Einzel-Darstellungen 1886

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 19.

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einem Basrelief die Darftellung eines Mahles, die fich auf, zwifchen den Löwen 5, Daniel und der Drache 6, als
römifchen Katakombengemälden häufig, feltener auf römi- j Richter über Sufanna I; Tobias i; Sufanna 3 (1 davon
fchen Sarkophagen, bisher aber niemals in Gallien ge- J fraglich). — Aus dem N. T. find folgende Compofitionen
funden hat. Brode liegen auf der bekannten runden [ entnommen: Der Engel führt Maria zu Jofeph I; Geburt
Tafel und davor auf einem Dreifufs ein Fifch; rechts
daneben fteht nachfolgende Infchrift mit der von den
alten Chriften fehr häufig gebrauchten Formel ,anivia
dulcis1, die aber auch auf heidnifchen Gräbern in Gallien
und Italien angetroffen worden ift:

ANTODONI
ANIMA Dulcis
IN FACE QVI vi
KIT ANN XL V Menses
VIII Dies XVI. . .

Da die Provenienz des Stückes nicht bekannt ift, fo
giebt es der Verf. nur mit aller Referve als chriftlich
an. — Ein ebenfo feltenes Stück ift das auf Taf. VIII,
Fig. 4 (Nr. 43 i. T.) aufgeführte Sarkophagfragment aus

Chrifti 5; Anbetung der Weifen 6; Traum des Jofeph I;
der bethlehemitifche Kindermord 2; Taufe Chrifti 18;
Chriftus und die Samariterin 4; das Wunder auf der
Hochzeit zu Kana 10; Chriftus und das kananäifche
Weib I; Brod- und Fifchvermehrung g- Auferweckung
des Lazarus 4; das Wunder an dem Sohne der Wittwe
zu Nain 9; Einzug Chrifti in Jerufalem 3; der Verrath
des Judas 4; Chriftus vor Pilatus 3; Simon von Cyrene
trägt das Kreuz 4 (1 davon fraglich); Soldaten bewachen
das Grab 8; Himmelfahrt Chrifti 2; Chriftus mit den
Apofteln 16; Chriftus giebt die Schlüffel oder das Gefetz
dem Petrus 11, auf dem Berge mit den Paradiesflüffen
7 (1 davon fraglich), thronend 3, das Kreuz haltend 4,
als Guter Hirt IO (einmal aufserdem unbekleidet?), als
Lamm 1; die Apoftel als Schafe 2, als Tauben 1 ; Petrus

der Abbaye de Saint-Ruf bei Avignon, jetzt im Calvef- ungefähr 30; Paulus 10; der Tod des Ananias 1.— Von

anderen Darftellungen find noch zu nennen: Hirfche aus
den Paradiesflüffen trinkend 6; Gaftmahl I; Weinlefe 5;
Hirtenfcenen 13; männliche Oranten 5, weibliche 20; Ima-
gines clipeatae IO; die Dioskuren 2; Engel und Genien
häufig.

Was wir noch zum Schlufs erwähnen möchten, das

fchen Mufeum befindlich, welches durch eine Holzfchnitt-
zeichnung im Text (S. 30) ergänzt ift. Nach Le Blant
ift es eine Darftellung des Schickfals des Ananias und
der Sapphira. Den ganzen Vorgang hat der Künfller
nach dem Ufus der antiken Zeit, indem er die aufeinander
folgenden Thatfachen neben einander reihte, auf
dem Marmor dargeftellt. Links auf einem Seffel fitzt ift ein Mangel, der mehrfeitig empfunden werden wird,
Petrus, vor ihm fteht Sapphira, die er anredet, während 1 das Fehlen der Mafse der erhaltenen und aufgenommenen

vier Männer im Begriff flehen, den todten Ananias fortzutragen
. Die ganze Compofition ift gefchickt gebildet
und athmet Leben. Bisher hat man die Scene auf einem
Sarkophag nicht angetroffen. Was mag, fragt der Verf.,
den Künfller auf die Idee gebracht haben, ein fo grofses
Beifpiel göttlicher Beflrafung darzuflellen ? Analoge Com-

Stücke; am heften hätten fie auf den Tafeln felbfl bei
den einzelnen Figuren Platz gefunden.

Berlin. Otto Pohl.

Gothein, Eberhard, Die Culturentwicklung Süd-Italiens in

pofitionen finden fich auf heidnifchen Sarkophagen: das Einzel-Darftellungen. Breslau, Koebner, 1886. (VII,
Schickfal des Ixion, des lantalus, der Danaiden. 1 af. AJ v

XV, Fig. 1 und 2 (Nr. 73 i. T.) zeigt einen Sarkophag 002 b- §r- 80 M- I2-~

aus Cliarcnton-aIn-C/icr aus rter merovingifchen Zeit. ■—Es | Der Verfaffer , gegenwärtig Profeffor der Volks-
ift ein weifser Marmor, von vier Seiten mit eingeritzten ! wirthfehaft am Polytechnicum in Karlsruhe, veröffentlicht
Zeichnungen gefchmückt. Die eine Längsfeite zeigt Daniel 1 in vorliegendem Bande die Refultate von Studien, welche
in betender Stellung zwifchen den Löwen, die fich vor meift an Ort und Stelle gemacht find. Aber nicht blofs
ihm neigen, die andere zwei'phantaflifche Greifen, die die Fachgenoffen werden mit Intereffe etwa die ein-
gegen eine Vafe laufen, aus der ein doppelt getheilter gehenden Mittheilungen hinnehmen, welche hier über
Wafferftrahl emporfleigt. Die barocken Zeichnungen des I die wirthfehaftlichen Verhältnifse einer italienifchen Mittel-
Sarkophags find ganz fremdartig und von der römifch- ftadt wie Aquila geboten werden, nicht blofs die Freunde
gallifchen Kunflrichtung abweichend. Der Verf. fchätzt j des italienifchen Landes und Volkes werden gern lefen,
fie als ein Werk des VII. Jahrh.'s und analog den Zeich- [ was der Verfaffer über Volksfitten und Sagen in den

nungen auf Gräbern im Jura und in der Schweiz aus der
merovingifchen Epoche. Aufser diefem hat Le Blant
noch zwei ähnliche Beifpiele aufgeführt Taf. I und
Taf. VI.

Was die dargeftellten Gegenflände auf den gallifchen
Sarkophagreliefs im Ganzen betrifft, fo liegt eine Ver-
gleichung mit den aufserhalb Frankreichs erhaltenen,
namentlich mit den römifchen Monumenten nahe. Aus
diefem Vergleich der Darftellungen auf den gallifchen
Särgen mit den Compofitionen auf den aufsergallifchen
Sarkophagen geht als Refultat für die altchriftliche
Kunftgefchichte hervor: ein Zurückweichen des
Syrnbolifchen vor den fpäteren hiftorifchen
römifchen Typen und die Erweiterung des alt-
chriftlichen Bilderkreifes in Gallien.

Nach dem Inhaltsverzeichnifse des vorliegenden Werkes
und der Arles'fchen Sammlung finden fich auf den
gallifchen Sarkophagen dargeftellt aus dem A. T.: Die
Erfchaffung des Menfchen I; Adam und PJva im Para-
diefe 4; das Opfer Kain's und Abel's 2; Noah in der
Arche I; Abraham's Opfer 8; Mofes Waffer aus dem
Felfen fchlagend 7; Mofes empfängt die Gefetzestafeln 6;
der Durchgang der Kinder Ifraels durch's Rothe Meer
und der Untergang Pharao's II; David und Goliath 4;
das Wunder des Jonas 2; Hiob 3; die drei Männer im
feurigen Ofen 4, vor der Bülte Nebukadnezar's 4; Daniel

Abruzzen berichten kann, nicht blofs die Philologen
werden fich vielleicht die Hypothefe anfehen, welche
hier den von Buccio di Rainallo in fein vaterländifches
Epos aufgenommenen Volksliedern (z.B. über die Schlacht
von Tagliacozzo) gewidmet wird: nicht Weniges ift
auch von Belang für den Theologen, und es ift die Abficht
diefer Zeilen, auf diefe Elemente des Buches,
welche leicht überfehen werden könnten, aufmerkfam zu
machen.

Es find das zunächft zwei umfaffende Beiträge zur
Religionsgefchichte des Mittelalters: ,der Erzengel
Michael, der Volksheilige der Langobarden' und Januarius
, der Stadtheilige von Neapel'. Befonders der erlte
diefer Auffätze erklärt theils manche Erfcheinungen, die
jedem Wanderer, felbft in Oberitalien, auffallen müffen,
theils läfst er auch intereffante Streiflichter auf die volks-
thümlichen Gemüthsantriebe und Phantafiebedürfnifse
fallen, welche zur Ausbildung der fupranaturaliftifchen
Weltanfchauung des Mittelalters wirkfam gewefen find,
und denen nach dem Urtheil des Verfaffers, dem befonders
von Gregor I. abwärts eine refpectable Quellen-
kenntnifs zu Gebote fteht, die Entwickelung des Dogma's
nur nachhinkt. Auch das der neapolitanifchen Gefchichte
angehörige Stück will als ein Beitrag zur Maffcnpfycho-
logie gewürdigt fein. Von nicht minderem Belang auch
in kirchenhiftorifcher Beziehung ift die grofse Studie