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Ausgabe:

1886 Nr. 19

Spalte:

439-444

Autor/Hrsg.:

Le Blant, Edmond

Titel/Untertitel:

Les sarcophages chrétiens de la Gaule. Collection de documents inédits sur l‘histoire de France, publiés par les soins du Ministre de l‘instruction publique 1886

Rezensent:

Pohl, Otto

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 19.

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über ganz Deutfchland verbreitet, bildete (ich auch ein
Bund, der Proteftanten aller Richtung umfafst und deffen
Hauptaufgabe ift, hülfsbedürftige Gemeinden, vorzüglich
[müfste fehlen] in katholifchen Gegenden, zu unterftützen.

Man wird dies alles fo deuten können, dafs es mit
katholifcher Orthodoxie fich verträgt. Auch an den ent-
fcheidenden Punkten der neueften Kirchengefchichte zeigt
fich, dafs F. auf dem Boden vaticanifcher Orthodoxie
ftehen will. Erleichtert wurde hier dem Verf. die Dar-
ftellung zunächft dadurch, ,dafs er vor allem die That-
fachen felbft reden liefs und die Reflexion möglichft [hier
gänzlich] zurückdrängte (Vorwort p. V). Sodann zeigt
fich hier, dafs doch auch die fchematifche Dispofition
ihre Vorteile hat: § 213 ,Die kirchlichen Verhältnifse in
Deutfchland feit 1830' behandelt die Beziehungen zwifchen
Staat und Kirche bis zur Gegenwart. Da hören wir
(S. 514), dafs ,bald nach dem glorreichen Feldzug gegen

Frankreich..... ein flarker Umfchlag eintrat, . . . der

Culturkampf veranftaltet wurde' u. f. w., von Vaticanum
und den Altkatholiken darf hier gefchwicgen werden.
§219 handelt dann ,vom Papflthum und dem vaticanifchen
Concil', und hier wird allerdings S. 527 auf die religiöfe
und ftaatliche Oppofition hingedeutet, obwohl weder der
Altkatholicismus noch die Maigefetze genannt werden.
Die Altkatholiken endlich erhalten in § 223 (,Die Deutfch-
und Altkatholiken') ihrTheil mit den Ungläubigen. Divide
et imperai Uebrigens kann man fich in gewiffer Weife
nur freuen, wenn F. übelwollenden Cenforen feiner
Kirche keine Handhabe zu Anklagen bietet. Aufserhalb
der katholifchen Kirche würde das Mafs gefchichtlicher
Unbefangenheit, das F. hat, gering erfcheinen, in der
katholifchen Kirche ift es uns eine Freude, ein fchwacher
Anhalt für die Hoffnung, dafs der deutfehe Katholicismus
noch nicht völlig rettungslos dem Jefuitismus verfallen
ift. Nur um dies zu erläutern — uns Proteftanten lägen
auch andere Reflexionen nahe — führe ich zum Schlufs
als ein ehrenvolles Zeugnifs für dies Lehrbuch die Schlufs-
worte der Vorrede an, in denen F. im Voraus den Einwendungen
begegnet, die gegen die von ihm vertretene
Anficht über das Verhältnifs des römifchen Stuhles zu
den allgemeinen Synoden des Alterthums erhoben werden
könnten. ,Die in Rede flehende Frage, fagt F. hier, ift
in erfter Linie gefchichtlicher Natur, und wenn nun der
hiftorifche Beweis, was m. E. nicht zweifelhaft ift, wirklich
zu Gunften meiner Anficht ausfällt, was folgt dann für
eine Theologie, welche diefe Löfung fo fchlechthin unerträglich
findet? Meint man etwa mit Theorien Ge-
fchehenes ungefchehen machen zu können? Oder müffen
nicht vielmehr die Theorien, wenn fie Befland haben
wollen, nach den Thatfachen fich richten?'

Leipzig. F. Loofs.

Le Blant, Edmond. Les sarcophages chretiens de la Gaule.

Collection de documents inedits sur l'histoire de France,
publies par les soins du Ministre de l'instruction publique
. Paris, Imprimerie nationale, 1886. (XXIV, 171
S. 59 Taf. gr. 4.) Fr. 40 —

Mit dem vorliegenden Werk hat ein wiffenfehaftliches
Unternehmen feinen Abfchlufs gefunden, das, ebenfo
fchwierig wie verdienftvoll, dem Verfaffer wie dem Auftraggeber
, dem franzöfifchen Unterrichts-Minifterium, zu
dauernder Ehre gereichen wird. Schon i. J. 1860, als der
gelehrte Verf. mit der Herausgabe feiner Jnscriptions
chr&tiennes de la Gaule (2 vol., Paris 1856—65) befchäf-
tigt war, wandte er feine Aufmerkfamkeit den altchrifl-
lichen Sarkophag-Monumenten zu {Dune representation
inedite de lob sur un sarcophage d'Arles, Paris 1860).
1878 erfchien dann auf Kotten des Minifteriums des
öffentlichen Unterrichts in der Collection de documents inedits
sur PJiistoire de France feine ,Etude sur les sarcophages
chretiens antiques de la ville d'Arles', der nunmehr

die vorliegende Sammlung der altchriftlichen Sarkophage
des übrigen Galliens gefolgt ift. Diefe beiden Bände
ergänzen fich gegenfeitig, fo dafs in ihnen das gefammte
Material der altchriftlichen Sarkophage Frankreichs
vorliegt.

Natürlich läfst fich eine Arbeit mit fo gewiffenhaft
gefuchtem und reich dargebotenem Material im Einzelnen
in der Kürze nicht beurtheilen. Dem Theologen
aber wie dem Archäologen und Gefchichtsfchreiber wird
das, was fie als Refultat im Ganzen bietet, gleich willkommen
fein. Was zu wiffenfehaftlichen Zwecken das
Werk noch ganz befonders geeignet macht, das find die
mitteilt der Photographie gewonnenen Abbildungen der
Tafeln, ein Verfahren, das bei der Wiedergabe der
Arles'fchen Monumente leider noch nicht in Anwendung
gekommen war. Die Kupferftiche der altchriftlichen
Reliefs in den älteren Werken Bofio's, Aringhi's, Bottari's
und auch die Zeichnungen in Garrucci's ,Storia dell' arte
cristiana' lafien an Treue und Zuverläffigkeit vieles zu
wünfehen übrig, während diefe Photographien doch ein
annähernd adäquates Bild der Monumente geben, an
denen man die Verfchiedenheiten des Stils auch in den

| geringen Details der Arbeit des Sculptoren, die Verstümmelungen
u. f. w. zu erkennen vermag. Sie ermög-

I liehen demnach dem Gelehrten, ohne an Ort und Stelle
die Monumente prüfen zu brauchen, ein ziemlich ge-
fichertes Urtheil.

Von den zweierlei Arten der Grabmonumente Galliens
, den mit Darftellungen aus dem A. und N. T. ver-
fehenen und den nur mit einfach fymbolifchen oder rein

1 decorativen Ornamenten gefchmückten Sarkophagen, hat
Le Blant die erfteren vollftändig wiedergegeben, während
von der anderen Art, um die Publication nicht ohne
Nutzen zu vergröfsern, nur einige typifche Beifpiele auf-

j geführt find. Wie bei den Monumenten von Arles wurden
auch hier die nicht mehr vorhandenen Denkmäler, die
uns aber aus älteren Werken und Manufcripten bekannt
find, berückfichtigt. — In der Einleitung (S. I) weift der
Verf. darauf hin, dafs er fich über das Alter der Monumente
, über die Symbole und ihre Verbreitung, über die
Verbindung, in der die Darftellungen der Reliefs und die
mit den Leichenbegängnifsen verbundenen Gebräuche
ftehen, bereits in der Introduction feiner ,Etude sur les
sarcophages chretiens antiques de la ville d'Arles' erklärt
hat. Er behandelt in Kürze daher hier nur den Gebrauch
der heidnifchen und chriftlichen Sarkophage in den Zeiten
des Verfalls, die hiftorifchen Erinnerungen und Legenden,
die fich an diefe Denkmäler knüpfen, die fonderbaren
Auffaffungen und Erklärungen, die den Basreliefs in alter
und neuer Zeit zu Theil geworden find, und endlich die
Verfchiedenheit der Typen der chriftlichen Monumente,
ihre Abweichungen von der Antike wie die Erhaltung
und Nachbildung der alten Modelle in den Werkftätten
der merovingifchen Zeit.

Neben den Sarkophagen chriftlicher Herkunft finden
fich wie in Italien auch in Frankreich Särge rein heidnifchen
Charakters in den Kirchen. Die Verwendung
folcher Särge zur Aufnahme geftorbencr Chriften war

! namentlich nach dem Triumph der Kirche nichts feltenes.

| Für die Heiligen und Vornehmen wurden antike Särge

| oft von weither geholt, nicht feiten ohne die heidnifchen

j Gräber dabei zu plündern, wie man es mit heidnifchen
Tempeln that, um die chriftlichen Kirchen zu fchmücken.

| Das Verftändnifs für die auf diefen Sarkophagen darge-
ftellten Sujets war abhanden gekommen, man fah dabei
nur auf den Reichthum der Arbeit und die Koftbarkeit
des Materials. Er macht hierbei (S. III) auf das Basrelief
der Kathedrale von Orvieto, ein Werk des XIV.
Jahrh.'s, aufmerkfam, auf dem man in der Scene des

1 jüngften Gerichts die Todten aus antiken Sarkophagen
fich erheben fieht, die nur mit Wellenlinien und Guir-
landen tragenden Genien gefchmückt find. — Auf ein
deutliches Beifpiel von der Uebertragung und Erhaltung