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Ausgabe:

1886

Spalte:

436-439

Autor/Hrsg.:

Funk, Franz Xaver

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der Kirchengeschichte 1886

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Thcologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 19.

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wäre; Unica von Bedeutung find mir nicht aufgeftofscn;
die grofse Mehrzahl der Handfchriften ift fehr jung. Mit
wenigen Ausnahmen gehören fie alle in das Gebiet der
byzantinifchen Kirchenpraxis und des Mönchwefens; fie
haben einft dem Cultus, der Predigt und der mönchifchen
Erbauung gedient oder könnten ihnen noch dienen. An-
dererfeits ift der Werth der Bibliothek für die Gefchichte
des byzantinifchen Schriftthums ein fehr hoher. Man
vergleiche in diefer Hinficht den Index rerwn (p. 265—
277) mit feinen intereffanten, von G. forgfam vermerkten
Details. Die Zahl der benannten Schreiber ift (f. Index
II) eine grofse. G. hat c. 200 aufführen können, darunter
auch manche fonft bekannte Namen. Datirt find über
200 Handfchriften, und zwar bis zum Schlufs des 12.
Jahrh.'s ungefähr drei Dutzend, 13. Jahrh. dreizehn, 14.
Jahrh. neunundzwanzig, 15. Jahrh. etwa ebenfo viele.
Auch der Entftehungsort ift bei manchen Handfchriften
angegeben (Aegypten, Alexandrien, Damiette, Cairo, Sinai
, Creta, Cypern, Paläftina, Jerufalem, Bethlehem,
Patmos, Cherfones, Athos, Cephalonia, Serres, Rhegium
in Calabrien). Der Index possessorum endlich weift über I
40 Namen auf.

Eine kurze Ueberficht wird erwünfcht fein. Die erfte |
Abtheilung (Peius Testamentuni) umfafst 147 (148) Nrr.
Ein vollfiändiges Exemplar des A. T. (Handfchrift) fehlt |
in dem Klofter; denn das einft wahrfcheinlich vollftän-
dige Exemplar Nr. 1 — G. fetzt es ins X., Kondakoff ]
ins XII. Jahrh. — reicht jetzt von Gen. 42, 9 bis 4 Reg. I
10, 36. Eine zweite Handfchrift (saee. XII.) umfafst Ge- I
nef., Exod., Levit. Sonft hebe ich hervor einen Hiob
saec. XII. mit Scholien, Prophetae (Nr. 5) saec. X. u. 13
Prophctologia. Alles Uebrige von Nr. 21 ab find Pfal-
menhandfehriften; die ältefte — eine ftattliche Reihe —
in Uncialen saec. IX. (nach Kondakoff Nr. 32 u. 35 saec.
VII. vel VIII.).

Das Neue Teftament ift durch 153 Nrn. vertreten.
Auch hier fehlt ein vollfiändiges Exemplar. In 56 Handfchriften
liegen die vier Evangelien vor. Drei oder vier
derfelben flammen aus dem X., ein paar aus dem X. oder 1
XI. Jahrh., Nr. 174 fällt fogar vielleicht in das IX. Jahrh.
Uncialcodices der Evangelien find nicht vorhanden. Die
Zahl der Evangeliarien beträgt 55. Unter ihnen ragt das
fog. PvangeHartum Theodosianum saec. X. vel XI. mit
Abbildungen, mehrere Evangeliarien in Uncialen und ein
datirtes v. J. 967 hervor. Aus jüngerer Zeit flammen die
15 Apostolo-Eva7igelia. In der Abtheilung Apostolus
(Nr. 274—300) — fo, und nicht itQt%Biq toiv cumaiöXiov,
müfste die Ueberfchrift p. 56 lauten — ift der Cod. 274
hervorzuheben (saec. X.).

Die Abtheilung ,Sa?ictorum Sc/ioHa' (Nr. 302—317)
enthält Arbeiten vonTheophylact, Theodoret (saec.XWl.),
Procopius, Pfellus, Macarius Chryfocephalus, Theodorus
Prodromus fowie Anastasii Gordiani Scholia in Apoca-
lypsin (Nr. 316 saec. XVIII.).

In der Abtheilung ,Patrcs' (Nr. 318—395) ift ein Dionysius
Areopagita v. J. 1048 (Nr. 319); derfelbe Autor
kehrt noch fechsmal wieder. Sonft begegnet man faft
nur den Kappadociern, Ephraem, Chryfoftomus und Joh.
Damascenus. Die älteften Handfchriften gehören dem
X. und XI. Jahrh. an. Einen Chryfoftomus-Cod. fetzt G.
in das IX. oder X. Jahrhundert, ebenfo einen Damasce-
nus-Cod.

In der Gruppe der ,Ascetica' (Nr. 396—490) flehen
Macarius, Maximus Confeffor, Theodorus Studita, Ifaak
Syrus, Barfanuphius und Johannes, der Abt Dorotheus,
Johannes Climacus Sinaita (Nr. 416—430, darunter Handfchriften
des IX.—XI. Jahrhunderts), Palladius u. vieles
Andere, fo der JidXoyoq, ipvyjjg -/ort rrcrpxog in einem
Cod. saec. XII. vel XIII. Von Nr. 491—549 reicht die
Gruppe der , Vitae sanetorum1, darunter hauptfächlich die
lo/Ol navtjyt Qiv.oi, aus den verfchiedenen Vätern zu den
einzelnen Monaten, unter ihnen ein Cod. in Uncialen
saec. VIII. vel IX. (Nr. 493). Unter diefen löym mag

I vielleicht der eine oder andere, bisher unbekannte fich
j befinden.

Von Nr. 550—640 reichen die Menäen, von 641 —
732 die Anthologien, von 733—775 die Triodien, von
776—838 die Parakletiken, von 839—862 die Theotoka-
rien,'von 863—955 die Horologien, von 956—IOII die
Euchologien, von IOI2—1093 die Liturgien — alte, werthvolle
Handfchriften find hier nicht vorhanden —, von
1094—1110 die Typica, von im—1138 die Nomica. In
der letzteren Gruppe dürften die Nr. im —1115 von In-
tereffe fein; fie gehören dem X.—XII. Jahrh. an.

Es folgt eine befondere Gruppe , Tlieologica' (Nr.
1139—1152), ein paar polemifch-dogmatifche Werke enthaltend
, aber auch in Nr. I139 ,Origenis commentarius in
1 Regum libnini, von dem man gern etwas Näheres erführe
. In derfelben Handfchrift {saec. XVI.) befindet fich
der Tractat des Euftathius gegen Origenes. Nach der
Abtheilung: ,Kyriacodromia' (Nr. 1153—1182) folgen endlich
die fpärlich befetzten Gruppen: Jlistorica1 (Nr. 1183
— 1193) und ,Miscellanea< (Nr. 1194—1223). In der erfte-
ren Gruppe — und das ift vielleicht die Perle der ganzen
Bibliothek — befindet fich (Nr. 1183) eine Handfchrift
der Kirchengefchichte des Eufebius saec. X,- dazu ein
Cedrenus saec. XI, das Xgnrnyoacpr/.bv Ovvro/ipv saec.
XI.—XII. und die Kosmographie des Cosmas Indico-
pleuftes saec. XII. Unter den Miscellanea find zwei
junge Ifuripideshandfchriften (saec. XIV. u. XV.), Apol-
lonius Rhodius, Libanius, mehrere Lexika und Sticherarien
, u. f. w.

Die felbftverleugnende Arbeit, welcher der Verf. fich
bei der Aufzeichnung diefes Katalogs unterzogen hat,
verdient den beften Dank. Da mehr als 1000 Handfchriften
aufzunehmen waren, fo war es natürlich unmöglich
, jede Seite für Seite zu durchforfchen. Sollte
es einem Späteren glücken, in diefem oder jenem Codex
ein unbemerktes wichtiges Stück zu entdecken, fo trifft
den, der zuerft diefe rudis ingestaque moles befchrieben
hat, die Schuld einer Verfäumnifs nicht. Er hat gethan,
was in der Spanne weniger Monate zu thun möglich war.

Giefsen. Adolf Harnack.

Funk, Prof. Dr. F. X., Lehrbuch der Kirchengeschichte.

Rottenburg, Bader, 1886. (XVI, 563 S. gr. 8.) M. 6.—

Wäre Ref. im Stande, die Recenfionen katholifcher
Zeitungen zu verfolgen, fo würde er die Anzeige diefes
Lehrbuches mit katholifchen Urtheilen über dasfelbe eröffnen
. Denn das vor allem wird diefem Lehrbuche
gegenüber uns Proteftanten intereffant fein müffen, zu
verfolgen, welche Aufnahme es bei den Confeffionsge-
noffen des Verfaffers findet.

Als wiffenfehaftliches Lehrbuch betrachtet, erfordert
das Buch keine lange Anzeige. Wenn man die herkömmliche
fchematifche Darftellung des kirchengefchichtlichen
Stoffes in den Kauf nimmt und, wie billig ift, an ein
Hülfsmittel des akademifchen Unterrichts nicht die Forderung
Hellt, es müffe, um auf freundliche Aufnahme
rechnen zu können, durch Neuheit des Stoffes oder feiner
Behandlung fich wefentlich von feinen Genoffen unter-
fcheiden, fo wird man nicht umhin können, dies Lehrbuch
alsein mit hervorragender Gefchicklichkeit verfafstes
zu bezeichnen. Im Ganzen und Grofsen mit fehr guter
Sachkenntnifs gefchrieben, zeichnet es fich,vor allem durch
feine verftändliche und doch nicht gerade magere Kürze
aus. Das 17. und 18. Jahrhundert find allerdings be-
fonders kurz weggekommen, und dank dem unglücklichen
Schematismus, der den kirchengefchichtlichen Stoff der
,erften Periode' von der Gründung der Kirche bis zum
Mailänder Edict' in fünf parallelen Längsfchnitten darlegt
, verbirgt fich hinter den Mitteilungen über die Zeit feit
ca. 150 eine katholifcher Gefchichtsbetrachtung natürliche,
dürftige Erkenntnifs der vorkatholifchen Zeit, doch fonft
ift die Behandlung des Stoffes eine ziemlich gleichmäfsige.