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1886 Nr. 18

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421

Titel/Untertitel:

Thienhaus, Evangelisation der römisch-katholischen Kirche Deutschlands 1886

Rezensent:

Köhler, Karl

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421

Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 18.

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gemacht werden, wonach alfo aufserhalb der Kanzel
Verkündigungen, welche den öffentlichen Frieden gefährden
, geblattet wären. Es fei genug mit diefen Interpretationsproben
.

Die Darffellung ift glatt und fliefsend. Die Buchhändleranzeige
auf dem Umfchlag ftellt Enthüllungen in
Ausficht: ,es komme in dem Buche Manches erft jetzt
zu Tage, was früher mitzutheilen dem Verfaffer nicht
opportun erfchienen war'. Die vorliegende Lieferung
enthält jedoch nichts dergleichen.

Mainz. K. Köhler.

Thienhaus, Paff., Evangelisation der römisch-katholischen
Kirche Deutschlands. Vortrag, gehalten auf der Rhei-
nifchen Diafpora-Prediger-Konferenz zu Bernkaftel
a. d. Mofel am 9. Juli 1884. Halle, Niemeyer, 1886.
(41 S. gr. 8.) M. —. 80.

Der Verfaffer redet ernfte und beherzigenswerthe
Worte über die allem menfchlichen Anfehen nach un- oder anderen der vorhandenen Denominationen ficher

politifchen Problems, welches dem heutigen Italien gefleht
ifl, überall anfchaulich hervor. Dem Garantiegefetz
von 1871, welches die Grundlage der italienifchen Kir-
chengefetzgebung bildet, ifl der auch von dem Verf. in
gewiffem Mafse anerkannte Vorwurf eines principlofen
Schwankens zwifchen der Coordinationstheorie und der
Unterwerfung der Kirche unter die Staatshoheit gemacht
worden. Aber wie follte es anders fein? Der von der
italienifchen Gefetzgebung verkündigte Grundfatz der
Trennung der Kirche vom Staat, fagt Geigel S. 191,
,hätte bei folgerechter Durchführung zur Anerkennung
der Kirche als einer dem Staat gleich flehenden, orga-
nifch vollkommenen Gefellfchaft mit freiefter Bewegung
auf dem Gebiete nicht nur des Glaubens und des Gottes-
dienftes, fondern auch der Kirchenzucht und derKirchen-
verfaffung führen müffen'. Das würde aber doch etwas
ganz anderes ergeben, als was man in dem Heimatlande
des Nichteinmifchungsprincipes, dem proteftanti-
fchen Nord-Amerika, unter Trennung von Kirche und
Staat verfleht. Der dortige Staat erkennt in der einen

heilbar gewordene Verfunkenheit der römifchen Kirche | nicht einen auf demfelben Gebiet mit ihm herrfchenden,
in Aberglauben und Menfchenvergötterung, die unver- j ihm gleichgearteten fouveränen Staat, fondern eine inner-
föhnliche, zielbewufste Vernichtungspolitik derfelben ge- ; halb feines Bezirks fich bewegende Privatgefellfchaft,
genüber dem Proteftantismus und über die Schwach- i welche er nur in ihren civilrechtlichen Beziehungen feiner
herzigkeit, welche dem auf proteftantifcher Seite unter ! Beherrfchung unterwirft, im Uebrigen aber freiläfst, weil
dem Namen der Duldfamkeit und Friedensliebe leider ihre Zwecke der Vorausfetzung nach kein öffentliches,
oft entgegen tritt. Darin müffe ein Wandel eintreten. | fondern nur ein privates Intereffe haben. Wie wäre das
Eine evangelifche Kirche, welche ihrer felbfl gewifs fei, ;n dem Lande des Papflthums auf die Papftkirche zu
dürfe nicht in der blofsen Vertheidigung beharren und übertragen? In Wahrheit ifl die Aufgabe, die durch das

fich dabei, wie wohl auch fchon gefchehen, noch zum
Ruhm anrechnen, dafs fie nicht darauf ausgehe, Anders
glaubende zu fich herüberzuziehen. Wie in Italien, Spa

Garantiegefetz gelöfl werden follte, zur Zeit unlösbar,
wie überhaupt die bisher gemachten Verfuche einer Regelung
des Verhältnifses der römifchen und felbfl auch

nien und anderen Ländern längfl gefchehen, müffe auch j der evangel. Kirche zu den Staatsgewalten alle nur als
der deutfehe Proteftantismus zum Angriff, felbftverftänd- proviforifche Behelfe zu betrachten find. Eine wirkliche
hch mit keinen anderen Waffen als denen der Ausbrei- 0der auch nur auf längere Zeitdauer hinaus haltbare
tung evangehfeher Wahrheit unter dem irre geführten Löfung wird dann erft möglich fein, wenn die Krifis, in
katholifchen Volke, übergehen. Die Evangelifation der I der fich das Geiftesleben der modernen Menfchheit be-
romifch-kathohfchen Kirche muffe in Angriff genommen . filldet, zu einem klärenden Abfchlufs gekommen ifl.
werden. Man hört es den Worten des Verf. s an, dafs Das fchmerzliche Verlangen nach einem folchen wird
er, auf einem der gefahrdetften Gebiete unferer Diafpora gerade in Italien von den edelften Geiftern empfunden,
in Arbeit flehend, aus lebendiger Erfahrung redet. Er Die Klage, ,um nicht das Vaterland verleugnen zu
hat Recht dann, dafs der Vcrtheidigungsftellung, in ( muffen, leide jetzt die Jugend am Glauben Schiffbruch'
welcher fich der deutfehe Proteftantismus feit den Tagen (S. n), und das Gefühl, dafs an diefem Zwiefpalt, wenn
der Gegenreformation befunden hat, und welche auch , er unausgeglichen bleibt, fchliefslich die Nation zu Grunde
derGuftav-Adolf-Verein grundfatzheh nicht uberfchreitet, gehen müffe, ifl nicht vereinzelt. Wie es freilich fich
immer eine gewiffe Schwäche anhaftet: die belle Ver- 1 geftalten wird, das vorausfagen zu wollen wäre Vertheidigung
ifl nach bekannter Erfahrung immer der Angriff. ! melfenheit. Die Curie, welche es immer verftanden hat
Auch weift er nicht mit Unrecht auf manche Anzeichen j fich den wirklichen Dingen anzufchmiegen um fich ihrer
hin, welche erkennen laffen, dafs eine Evangelifations- zu bemächtigen, wird fich ja der Einficht endlich nicht
arbeit, wie er fie fordert, nicht ohne Ausficht auf Erfolge verfchliefsen, dafs fie ohne Schaden in der unbedingt
fein würde. Nur fagt er über die Mittel und Wege ablehnenden Haltung, welche fie jetzt einnimmt, nicht
folcher Arbeit zu wenig oder eigentlich nichts. Darin auf immer beharren kann, und dafs ein materielles Opfer,
liegt ein Mangel diefer Anfprache, welche wir gleichwohl
der ernften Beachtung namentlich aller Freunde
der Guftav-Adolf-Sache empfehlen.

Mainz. K. Köhler.

Geigel, Reg.-R. a.D. F., Das italienische Staatskirchenrecht,

auf Grund der neueften Rechtsfprechung fyftematifch

erläutert. 2. Aufl. [Namentlich durch Inhalts- u. Sach- J der politifchen Souveränität des' päpftlichen Stuhles im

Verzicht auf den Kirchenftaat, fich ihr in anderer Weife
reichlich lohnen wird. Aber auf eine innere Verftändigung
zwifchen ihr und dem modernen Geiftesleben ift jede
Ausficht genommen. Kurz, wir flehen vor einer FYage,
auf welche noch kein Verftand der Verftändigen die
Antwort weifs.

Bedeutungsvoll für die Beurtheilung des heutigen
Standes der Dinge ift die S. 14 ff. befprochene Frage

regifter S. 197—204 vervollftändigter Sonderabdruck ! vaticanifchen Gebiete. Der Verf. kommt, u. E. aus überaus
Bd. 54 u. 55 des Archivs für kathol. Kirchenrecht
Mainz, Kirchheim, 1886. (203 S. gr. 8.) M. 5.
Mit grofser Gründlichkeit und Genauigkeit und einer

zeugenden Gründen, zu dem Ergebnifs, dafs die durch
das Garantiegefetz anerkannte Souveränität des Papftes
diefem nicht erft durch jenes Gefetz gewährt oder zuerkannt
, fondern lediglich von demfelben vorgefunden

unter den deutfehen Gelehrten wohl einzig daftehenden und anerkannt worden fei, weil die Eroberung, kraft

Sachkenntnifs giebt der Verfaffer eine Darfteilung der
in dem heutigen Königreich Italien in Geltung flehenden
Staatskirchengefetzgebung. Er befleifsigt fich dabei durch-

deren allein der König von Italien die Staatsgewalt in
dem ehemaligen Kirchenftaat befitzt, den Vatican nicht
mit ergriffen, fondern vor demfelben Halt gemacht habe.

weg einer lobenswerthen Objectivität. Gerade dadurch I Der Papft ift innerhalb der bezeichneten Grenzen nur
vielleicht tritt die unendliche Schwierigkeit des kirchen- geblieben, was er vorher war, was zur Folge hat, dafs