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Ausgabe:

1886

Spalte:

418-419

Autor/Hrsg.:

Borelli, Enrico

Titel/Untertitel:

L‘Indice espurgatorio della chiesa Romana, ossia falsificazioni, cangiamenti ed errori introdooti per ordine dei papi nelle opere degli scrittori antichi, raccolti e classificati 1886

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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4,7 Theologilche Literaturzeitung. 1886. Nr. 18. 418

darauf hingevviefen, dafs ein einzelner Paffus im Mfcr.
offenbar eine fchlechte Abfchrift einer Stelle aus Angustini
Quaestiones in libr. Jud. fei. Ich mufs mich darüber wundern
, dafsDieckhoff nicht alsbald diefe Fährte weiter verfolgt
hat: er würde ein überrafchendes Refultat gefunden
haben. Denn als ich jetzt eine genaue Vergleichung des
Mfcr. mit diefer Schrift Auguftin's vornahm, fand ich zahlreiche
Abfchnitte, die gar nichts anderes find als

— meift abkürzende — Abfchrift aus Auguftin, und
zwar jedesmal ohne Nennung der Quelle. Da nun
Luther fonft durchaus nicht fich mit fremden Federn
fchmückt, fondern wo er citirt, auch feinen Gewährsmann
nennt, fo ift mir unzweifelhaft, dafs diefe Stücke

— fie treten meift gruppenweife auf — nur dem Verf.
der Nachfchrift angehören können. Das Zwickauer Mfcr.
(lammt alfo aus einem Collegienhefte, deffen Verf. die
Lücken, die ihm beim Nachfchreiben entftanden waren,
bona fide mit felbftfabricirten Excerpten aus Auguftin
gefüllt hat. Oder was mir noch wahrfcheinlicher
dünkt: der Verfaffer der Reinfchrift hat Lücken des
ihm vorliegenden Mfcr. aus Auguftin ergänzt. Oder
wurde etwa Luther beim Halten diefer Vorlefung vor
den Klofterbrüdern öfters unterbrochen und trat dann
als Erfatz Leetüre Auguftin's ein? Ich habe beim Abdruck
in Bd. IV. fämmtliche aus Auguftin entnommenen
Abfchnitte kenntlich gemacht. Aber weiter: auf S. 60
der Buchwald'fchen Ausgabe findet fich ein mit Jcarco
bene locutus est itle* eingeführtes Citat; einem Rathe
Kolde's folgend, fuchte ich in den Werken des Erasmus
nach, und ein glücklicher Zufall liefs mich auch wirklich
finden. Man vergleiche felbft:

Richtervorlefung Erasmus

Vercor nc intcr praelatos, Vereor ne intcr theologos re-

qui nuiltu in ab s/w titulo ab- perire liceat, qui multum ab-

sttnt, hoc est qui honores quae- sint a suo titulo, hoc est qui

runt et terrena loquuntur, terrena loquantur non divina.

Borelli, Enrico, L'lndice espurgatorio della chiesa Romana,

ossia falsificazioni, cangiamenti ed errori introdotti
per ordine dei papi nelle opere degli scrittori antichi,
raecolti e classificati. Faenza, tipogr. Marabini, 1885.
(207 S. 8.)

In meinem Buche über den Index habe ich an einer
Anzahl von Beifpielen gezeigt, welche Bedeutung neben
dem Verbieten von Büchern das Expurgiren vieler Werke
von mifsliebigen Sätzen und das Veranftalten von neuen,
expurgirten Ausgaben hat (I, S. 602 und fonft). Eine mehr
ins Einzelne eingehende und überfichtlich geordnete Darfteilung
der durch die Indices vorgefchriebenen und
nach ihren Vorfchriften ausgeführten Expurgationen wäre
eine fehr dankenswerthe Arbeit. Wer fie übernehmen
wollte, müfste aber, da die Indices expurgatorii meift nur
Anfangs- und Schlufsworte der zu ftreichenden Stellen
angeben, die betreffenden Werke felbft anfehen, ferner
die expurgirten Ausgaben mit den nicht expurgirten und
expurgirte Exemplare mit nicht expurgirten vergleichen,
was alles nicht nur fehr mühevoll, fondern auch darum
fehr fchwierig ift, weil ein grofser Theil der dafür nöthi-
gen Bücher fchwer aufzutreiben ift. Corelli hat diefe
Aufgabe nicht gelöft. Er fcheint nach S. 11 nur ein einziges
expurgirtes Buch in Händen gehabt zu haben, und
von diefem giebt er nur an, dafs darin der Name Me-
lanchthon durch auetor quidam und hinter dem Namen
des Ludwig Vives vir doctissimus durch auetor damnatus
erfetzt war, Veränderungen, wie fie die Indices zu Taufenden
und fogar durch allgemeine Regeln vorfchreiben.
Borelli liefert im Wefentlichen nur einen Auszug aus
zwei Indices expurgatorii, dem Antwerpener von 1571
und dem fpanifchen (von Sotomayor) von 1667, alfo den
beiden am leichterten zugänglichen. Wenn er aber, wie
er auf dem Titelblatte fagt, die ,auf Befehl der Päpfte'
vorgenommenen Aenderungen darfteilen wollte, mufste
non divina, et in/er mona- Etinter monacl/os, qui Christi j er m erfter Linie den IC07 zu Rom erfchienenen Index

,xpurgatorius benutzen, den er S. 179 nur kurz erwähnt;
denn der Antwerpener Index ift auf Befehl Philipp's II.,
und zwar nicht, wie S. 10 angegeben wird, im Auftrage

chos, non die am clericos, qui paupertatem et in midi con-

Christi paupertatem et mundi temptum profitentur, plus

contemptum profitentur, plus- quam mundum reperias.
quam mundum reperies.

des Papftes, veröffentlicht, der von 1667 von der fpanifchen
Inquifition herausgegeben worden (er ift übrigens nichts
Der Zufammenhang beider Texte, die Abhängigkeit weniger als der letzte fpanifche Index, wie S. 78 Verdes
erfteren von letzterem fcheint unabweislich. Wo j muthet wird). Borelli's Auszüge würden nun immerhin
aber findet fich diefe Aeufserung des Erasmus? Im Briefe für folche, die nicht auf die Indices felbft zurückgehen
an Nicol. Everardus, Bafel Id. Mail 1524, in einem Briefe, j können oder wollen, einen gewiffen Werth haben, wenn
der meines Wiffens zuerft im Opus Epistolarum Basil. 1529 fie zuverläffiger wären als fie find. S. 106 fagt Borelli:
pg. 810 gedruckt worden ift! Nun ift ja abfolut ausge- ' ,Der Index [von 1667] befiehlt, die fünf griechifch-latei-
fchloffen, die Richtervorlefung ins Jahr 1524 oder gar j nifchen Dialoge des Äthanafius zu vernichten, als ganz
1529 herabzurücken. Es bleibt nur der Ausweg offen, iintieramente) den päpftlichen Lehren widerfprechend'.
dafs Erasmus vielleicht denfelben Ausfpruch fchon einmal
in einer früheren Schrift gethan hätte. Meine Nach-
forfchungen in diefer Richtung find bisher erfolglos geblieben
. Das Datum des betreffenden Briefes für falfch
zu erklären, geht auch nicht an. Somit bliebe wieder
nur die Möglichkeit, dafs diefer Paffus eine Zuthat deffen
gewefen ift, der diefes Collegheft fich abgefchrieben hat.
Sind aber folche Zufätze erft einmal conftatirt, fo wird
man auch die von Dieckhoff bereits ventilirte Frage,
ob nicht der Paffus auf S. 26, der fo genau mit einer
Stelle aus Luther's Predigten über die decem praeeepta
übereinftimmt, erft durch den Abfchreiber zur Ausfüllung
einer Lücke hieher gekommen fei, nicht mehr fo
entfehieden zurückzuweifen vermögen. Dafs durch diefe
Beobachtungen der Werth des aufgefundenen Mfcr. erheblich
gefunken ift, wird nicht zu leugnen fein; aber

In Wirklichkeit heifst es im Index; ,Die fünf von Theodor
Beza zu Genf bei H. Stephanus griechifch und la-
teinifch herausgegebenen Dialoge des Äthanafius muffen,
weil die Ueberfetzung von einem Härefiarchen herrührt,
als des Irrthums und Betruges verdächtig angefehen werden
'. Solche unrichtige Angaben über das, was die Indices
fagen, werden wohl nur vereinzelt vorkommen;
aber fehr oft hat Borelli die Indices mifsverftanden. Er
hat ein befonderes Capitel über die ,Fälfchungen in den
Werken der Kirchenväter', einen Punkt, den ich in
meinem Büchel, 555 behandelt habe. Er fagt S. 25: ,In
den Werken der Väter wurde nicht nur der Text cor-
rumpirt, fondern auch die Rand- und Fufsnoten und die
Commentare zu denfelben'. Dafs die Noten in Ausgaben
der Kirchenväter fehr ftark expurgirt wurden, ift bekannt;
dafs die Indices aber auch die patriftifchen Schriften felbft
auch Buch wald s Angabe auf S. 8 feines Vortrages, dafs [ im curialiftifchen Sinne expurgiren, hat Borelli nicht nach

die Handfchrift des Mfcr. als diejenige fich erweife, wie
fie Steph. Roth in den Jahren 1512—1520 eigenthümlich
war, wird einigermafsen unficher gemacht.

Kiel. G. Kawerau.

gewiefen. Wenn er z. B. S. 26 fagt: Auguftinus fpreche
in einem Briefe von dem tadellofen ehelichen Leben eines
Pnefters und füge dann bei: Quam probitatem hodie non
/aale reperies in sacerdotibus et episcopis, und diefe Worte
verordne der Index zu ftreichen, fo war doch leicht zu