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Ausgabe:

1886 Nr. 15

Spalte:

350

Autor/Hrsg.:

Müller, L.

Titel/Untertitel:

Die Erweckungsbewegung in Rheydt im Jahre 1750 1886

Rezensent:

Ritschl, Albrecht

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 15.

350

deren, weltlichen und kirchlichen Adels zu dem Kampf
Ludwig's d. B. beziehen: die Auszüge, welche Preger aus
der Sammlung des Bifchofs Reinkens für die Zeit Jo-
hann's XXII. veröffentlicht hat, erhalten hier für die
beiden folgenden Papftregierungen eine werthvolle Ergänzung
, die nur der Natur der Sache nach auf die Bistümer
und Territorien der heutigen Provinz Sachfen und [
deren Umlande befchränkt bleiben mufste. Auch für
manche Perfönlichkeiten untergeordneten Rangs, welche
in diefem Kampf auftreten, werden einzelne neue That-
fachen bekannt, fo für Lupoid von Bebenburg, Konrad
von Megenberg, Rudolf Loffe l). — Sodann aber erfahren
wir eine Menge wichtiger Dinge über das Einzelne der
kirchlichen Verwaltung, die durchaus nicht blofs provin-
zialgefchichtliches Intereffe haben, fondern auf die Ge-
fammtheit ein höchft bezeichnendes Licht werfen. Es ift
bekannt* in welcher mafslofen Weife Johann XXII. die
Verleihung von Benefizien durch die Curie unternommen
und damit eine Hauptquelle für deren Einkünfte eröffnet
hat. So find denn auch unter den etwa 535 Nummern,
die aus feinen Regelten zufammengeftellt find, wenn ich
recht gezählt habe, nicht weniger als 221 (alfo über 43°/0)
Provifionsmandate für Pfarreien, Canonicate, Propfteien
u. f. w. und 8 für Bisthümer und Erzbisthümer. Bezeichnend
ift aber auch, dafs die einzige Bulle des Gegen-
papftes Nikolaus V., die fich auf Sachfen bezieht, gleichfalls
ein folches Mandat ift. Dagegen find unter den 94
Bullen BonifazVIII. doch nur 2 Provifionsmandate für Bisthümer
und 2 für Propfteien. Aus dem kurzen Pontificat i
Benedict's ift keins vorhanden, aus dem unvollftändigen
Verzeichnifs der Bullen Clemens' V. keins für Bisthümer, j
4 für andere Stellen. Benedict XII. hat die Grundfätze
Johann's XXII. aufrecht erhalten, aber die Praxis einge-
fchränkt: von ihm find 2 Provifionen von Bisthümern, 2
von andern Stellen — und die erfte der beiden letzteren
liegt fo am Anfang feiner Regierung, dafs fie noch von
feinem Vorgänger übernommen fein könnte. Clemens VI.
ift wieder in die Bahnen Johann's XXII. eingegangen:
unter feinen 225 Nummern find 4 Provifionen von Bisthümern
, 89 von anderen Stellen (d. h. zufammen 41%). i
— Intereffant find auch die Notizen über die Einkünfte
dt» einzelnen Stellen, die vergeben werden follen: ich
erinnere mich nicht, diefelben irgendwo fonft in diefer
Zeit fo zahlreich gefunden zu haben. Man unterfcheidet
gröfsere, mittlere und kleinere Präbenden. Die geringfte,
die mir begegnet ift, ift ein Vicariat in Salzwedel mit
3 M.; die höchfte erfcheint in der Anweifung auf ein Benefiz
des Bifchofs von Würzburg mit 20—30 M. Sonft
follen die Stellen 5, 10, 12, 14, 15—20, 18—25 M tragen.
Sehr häufig ift die Pluralität von Benefizien, wobei dann
regelmäfsig von den Beftimmungen derBulleJohann's XXII.
Execrabüis dispenfirt werden mufs. Auf diefe Weife I
foll ein Blankenburger Grafenfohn aufser zwei ihm be- !
reits verliehenen Cononicaten noch weitere Benefizien
bis zur Höhe von 200 M. annehmen können u. f. w. —
Zum erften Mal find endlich in diefem Werk die Bitt-
fchriftenregifter ausgenützt, welche von Clemens VI. an
vorhanden find. Vgl. über fie Münch, Auffchlüffe über
das päpftliche Archiv, überf. von Löwenfeld S. 70 ff. Dort
kann man auch über den Charakter diefer Bittfchriften-
auszüge fowie den Sinn der beigefchriebenen formelhaften
Befcheide das Nöthige finden. Aus feinen Bemerkungen
ergiebt fich auch, warum alle diefe Bittfchriften
genehmigt find: nur die ganz oder theilweife bejahend j
befchiedenen werden in die Regifter eingetragen.

So darf alfo diefe Publication wirklich nach vielen
Richtungen hin als eine werthvolle Bereicherung unferer

l) Beiläufig gefugt, zieht Schmidt S. 246 aus der Bulle Nr. 408 den
unrichtigen Schlufs, dafs Petrus von Ungula i. J. 1330 zum zweiten Mal j
in Deutfchland gewefen wäre. Aus meinem Kampf Ludwig's d. B. L 251 ff. |
hätte er fehen können, dafs damals die Sendung noch im letzten Augen- 1
Mick zurückgehalten wurde. Die urkundliche Ankündigung eines Vorhabens {
ift noch nicht immer die Bürgschaft der Ausführung.

Quellen für die kirchlichen Zuftände und eine kirchliche
Statiftik des 14. Jahrhunderts bezeichnet werden. Die
Fortfetzung wird mit gleichem Dank begrüfst werden.

Halle a. S. Karl Müller.

Müller, Pafi D. L., Die Erweckungsbewegung in Rheydt im

Jahre 1750. Ein Blatt aus der Gefchichte des chrift-
lichen Lebens am Niederrhein im vorigen Jahrhundert.
Nach Urkunden des Rheydter Kirchenarchivs darge-
ftellt. Mit Vorwort von C.-R. Puof. Dr. Krafft in
Bonn. Bremen, Müller, 1886. (VII, 89 S. 8.) M. 1.—

Die mitgetheilten Actenftücke machen eine Epifode
der Gefchichte des Pietismus in der reformirten Kirche
anfehaulich, welche mit einer weitgreifenden Bewegung
in den Niederlanden zufammenhängt. Die Erweckung in
Rheydt ift ohne allen Zweifel eine ziemlich matte Welle
an der Grenze des Gebietes, in welchem Gerhard Kuy-
pers zu Nieukerk in Gelderland feit dem November 1749
einen Sturm pietiftifcher Leidenfchaft hervorgerufen hat.
Obgleich der Verf. aus feinen Quellen Mittheilungen
macht, welche auf diefen Zufammenhang hinweifen (S.
15. 78), und einen Brief von Kuypcrs felbft einreiht, in
welchem derfelbe die Gleichheit der Erfcheinungen in
Rheydt mit denen in feiner Nähe bezeugt, fo ift der Verf.
gegen diefe Weifungen völlig gleichgiltig gewefen. Er
begleitet die Angabe des Wohnortes von Kuypers,
Nieukerk op de beluve, mit einem Fragezeichen. Veluve
ift ein grosses Moor in Gelderland, an deffen Grenze
Nieukerk gelegen ift. Vielleicht hätte der Herr Vorredner
im Dienfte zufammenhängender kirchenhiftorifcher
Forfchung gut gethan, den Verf. auf des Unterzeichneten
Gefchichte des Pietismus I. S. 347 aufmerkfam zu machen.
Der Schürer der Erweckung in Rheydt war, wie an vielen
anderen Orten, der Schulmeifter. Diefelbe verlief übrigens
fehr kurz und verhältnifsmäfsig unfehädlich. Der
Unterfuchung durch die class/s hielten die Betheiligten
nicht Stand, fondern fchränkten ihre ihnen vorgehaltenen
auffallenden Reden ein, und erwiefen fich als rechtgläubig
. In wenigen Wochen war die Gemeinde wieder beruhigt
. Unter den Theilnehmern an der Erweckung
werden mehrere namhaft gemacht, welche feit Jahren
nicht zum Abendmahl gegangen waren. Der Verf. Hellt
darüber Betrachtungen an, welche verrathen, dafs er den
Zufammenhang jener FNfcheinung mit der ftrengen Aufladung
des Calvinismus nicht kennt. Indem deren Vertreter
fich immer nicht würdig des Abendmahls finden,
richten fie fich danach, dafs dasfelbe Pfand des Gnaden-
ftandes fein foll. Solange alfo fie noch nicht die Gewifs-
heit desfelben haben, meinen fie fich der Handlung enthalten
zu follen, welche ohne jene Bedingung profanirt
werden würde. Dafs das Abendmahl für die Hungernden
und Durftenden geduftet ift (S. 76), wird der Verf.
vor feiner reformirten Gemeinde fchwerlich verantworten
können. Denn das ift die lutherifche Anficht.

Göttingen. A. Ritfchl.

Müntz, Eugene, Bibliotheque internationale de l'art. Etudes
sur l'histoire de la peinture et de l'iconographie chre-
tiennes. Nouvelle edition. Paris, librairie de l'art, Jules
Rouam, 1886. (59 S. gr. 8.)
In etwas geringerem Umfange ift diefer Efiai des
bekannten Kunfthiftorikers zuerft in der ,Encyclopedie des
Sciences religieuses1 (hrsg. von Lichtenberger, Dekan der
Fakultät der proteftantifchen Theologie in Paris) er-
fchienen. Die jetzt vorliegende Arbeit bezeichnet der
Verf. felbft als eine durch zahlreiche Zufätze erweiterte.
Er giebt darin auf 58 Seiten eine Skizze der chriftlichen
Malerei von ihrem Anfang bis zur Reformation, und
zwar gruppirt er fie in neben Abfchnitten unter folgenden
Stichworten: I. L'art dans les catacombes, IL L'art