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Ausgabe:

1886 Nr. 14

Spalte:

332-333

Autor/Hrsg.:

Dallwig, Fr.

Titel/Untertitel:

Der Kampf zwischen Glauben und Wissen 1886

Rezensent:

Hartung, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 14.

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Das Tridentinum macht die Zehntherren nur fubfidiär, J bindlichkeiten übernommen, die auf demfelben ruhten,
d. h. bei Unvermögen der Kirchenftiftung, baupflichtig, und hat diefe zu tragen, fo lang er im Befitz jenes ehe-
Doch fucht der Verf. zu erweifen, dafs durch befondere j mals kirchlichen Vermögenstheils, bez. des inzwifchen
Rechtstitel wie Vertrag, Verjährung u. f. w. die Zehnt- (durch Ablöfung) dafürgefchaffenenErfatzes ift. Es ift nicht
baupflicht auch zu einer primären werden kann, ohne in [ abzufehen, was bei voller Anerkennung der proteftanti

ihrem Charakter eine Aenderung zu erleiden, und daher
dann ebenfalls ablösbar ift. Der Erweis ift gelungen.

3. Auslegung der Incorporationsurkunden aus
dem Mittelalter. Die Urkunden über die Incorporation

fchen Prämiffen gegen diefen Gedankengang einzuwenden
wäre. Auch die Reihenfolge der Baupmchtigen gehaltet
fich für uns nicht wefentlich anders als bei kathol. Vor-
ausfetzungen. Ift das pflichtige Subject die Gemeinde,

von Pfarreien in Klöfter enthalten in der Regel die Formel, j fo tritt diefc natürlich zuerft mit ihrem vorhandenen Ver-
dafs die betreffende Pfarrei cum Omnibus decimis, juribus, I mögen, d. h. der Kirchenkaffe, ein und nimmt erft bei
rcdditibus ac pcrtinentiis incorporirt werde, oder andere i deren Unzulänglichkeit die perfönlichen Leiftungen ihrer
ähnlich klingende. Es ift ftreitig geworden, ob fich aus j Mitglieder in Anfpruch (eine fubfidiäre Pflicht der Gederartigen
Formeln erweifen laffe. dafs die incorporirte j meinde neben der Kirchenkaffe kann man das nicht

Pfarrei dem Klofter, an das fie überging, aufser ihren
Zehntrechten noch andere nutzbare Berechtigungen zugebracht
habe, auf welchen möglicher Weife die mit

nennen); die privatrechtlichen Verbindlichkeiten Dritter,
meift wohl ehemaliger Zehntherren, treten — primär oder
fubfidiär — an der Stelle ein, welche ihnen durch die

übernommene Baupflicht ruhen könnte, fo dafs der vorhandenen fpeciellen Rechtstitel zugewiefen ift.

Charakter der letzteren als Zehntbaupflicht dann zweifelhaft
wäre. Die Frage wird verneinend entfchieden, indem
jene Formeln hur einen zu dem mittelalterlichen Kanzleiftil

Vielfach intereffant, jedoch hier nicht näher zu erörtern
ift die ausführliche 6. Abhandlung: Acten- und
Archivalieneinficht, Urkundenedition, Archivgehörigen
,pleonaftifchen Pomp' darftellen, aus welchem '' benutzung. Auch auf die letzte: 7. Anleitung zur
fich juriftifche Folgerungen nicht ziehen laffen. j Berechnung des Naturalwerths einer Baupflicht,

4. Umfang der Zehntbaupflicht. Die Frage ift j kann Ref. hier nur aufmerkfam machen, mufs jedoch
hier hauptfächlich, ob die Zehntbaupflicht als eine unbe- ! feine Incompetenz zu deren Beurtheilung bekennen. Den
grenzte anzufehen fei, fo dafs der Zehntbefitzer fo oft zu zweiten Theil des Buchs bildet ein Repertorium zu
Leiftungen herangezogen werden könnte, als ein Bedürf- den wichtigften, über die Frage der Kirche nbau-

nifs eintritt, und beim Mangel des Kirchenvermögens den
Gefammtbedarf der Baupflicht zu decken hätte. Die Frage
wird u. E. mit Recht verneinend entfchieden. Die Baupflicht
des Zehntherrn hat ihre Grenze in der Gröfse des
Zehntbefitzes und darf insbefondere in keinem Fall fo
weit ausgedehnt werden, dafs dadurch das Zehntcapital
felbft aufgezehrt wird.

Von befonderem Intereffe ift für uns die folgende
5. Abhandlung: Baupflicht an proteftantifchen Cul-
tusgebäuden. Wir find jedoch hier nicht im Stande,
den Refultaten des Verf.'s zuzuftimmen. Ausgehend von

pflicht ergangenen Entfcheidungen des oberften
Gerichtshofs, Verwaltungsgerichtshofs und Cul-
tusminifteriums in Baiern.

Mainz. K. Köhler.

Dallwig. Pfr. Fr., Der Kampf zwischen Glauben und Wissen.

Ein Wort zum Frieden. Gotha, F. A. Perthes, 1885.
(V, 37 S. gr. 8.) M. —.80.

Diefe kleine Schrift ift entfernt davon — und dies
dem an fich richtigen Satz, dafs die kanoniftifche, von j ift ihr nicht zum Tadel gefagt — eine Löfung des Jahr-

dem Tridentinum fanetionirte Reihenfolge der Baupflicht: taufende alten Kampfes felbft darbieten zu wollen, fon
Kirchenfabrik, fubfidiär der Zehntbefitzer, zuletzt die Paro- i dem fie begnügt fich damit, den Status quo feftzuftellen,
chianen, das logifche Ergebnifs des katholifchen Kirchen- und die rechten Wege zur Verhöhnung anzugeben. Der
begriffes fei, wonach als Eigenthümer des örtlichen Verf. läfst hierzu erft andere reden und mit reicher Be-
Kirchenvermögens die Kirchenftiftung betrachtet werden lefenheit, wie mit feinem Gefchick wählt er aus allen
mufs, die Gemeinde aber als Rechtsfubject gar nicht in Zeiten und allen Gebieten des Denkens die Stimmen

Betracht kommt, während nach proteftantifchcr An-
fchauung als Eigenthümer des Kirchengutes und daher
auch als pftichtig zum Bau und zur Erhaltung der Kirchengebäude
die Gemeinde, als Corporation, anzufehen fei,

aus, welche den Zwiefpalt betonen und die Nothwendig-
keitder Verföhnungins Licht ftellen. Denn nothwendig
ift eine folche für den Einzelnen, wie die Gefammtheit.
Möglich aber wird fie nur bei klarer Erkenntnifs der

fbwie dafs die Fiction von der Unveräufserlichkeit des Begriffe und reinlicher Scheidung ihrer Grenzen. ,Der
Kirchenzehntens, worauf die kanoniftifche Lehre die Zehnt- Glaube ift die persönliche Lebensgemeinfchaft mit Gott,
baupflicht gründet, für die Proteftanten hinfällig fei, — I die Wiffenfchaft ift die denkende Erkenntnifs des Realen',
kommt der Verf. zu dem Schlufs, dafs es für proteftan- ! ,Die Möglichkeit ift zur Wirklichkeit geworden in
tifche Cultusgebäude eine Zehntbaulaft nicht geben könne, allen den wiffenfehaftlich gebildeten Chriften, welche fich
Zehnten und Gefälle, welche fich bei der Entftehung einer , beftimmt bewufst find, dafs ihr Glauben keineswegs ein
proteftantifchen Pfarrgemeinde nicht mehr im Befitz und ; neben dem Denken und Wiffen getrennt herlaufendes
Eigenthum der Pfarrkirche befanden, feien in keinem Fall i oder dasfelbe hörendes und beeinträchtigendes Moment,
zu den proteftantifchen Cultusgebäuden baupflichtig. Die fondern beide zufammen in lebendiger Durchdringung
Praxisfteht mit diefen Folgerungen nicht in Uebereinftimm- der einheitliche Inhalt ihres Geifteslebens ift'. ,Als ich
ung. Wohl überall find durch die kirchliche Gefetzgebung, einft noch zweifelte, ob fich die Refultate der geologi-
wie z. B. in Heffen durch die Verordn. über die Verwaltung fchen Forfchung mit dem chriftlichen Glauben vereini-
des Kirchenvermögens v. 6. Juni 1832, Art. 43. 45, vgl. gen laffen, da fah ich den Docenten der Geologie der
Preufs. ALR. II, 11, §710, privatrechtliche Verbindlich- Predigt des Glaubens laufchen und meine Zweifel waren
keiten Dritter zum Bau und zur Unterhaltung von Kirchen- , im Princip gelöft'. Möchten die Studirenden auf diefen
gebäuden als beftehend vorausgefetzt und werden fort- Erfahrungsbeweis, der allerdings auch feine Kehrfeite
während in Anfpruch genommen, ohne dafs die That- | hat, recht achten! Durchaus im Recht ift Verf., wenn er
fache, dafs der Urfprung einer folchen Verbindlichkeit j weniger auf die Apologetik im engeren Sinn als darauf
letztlich auf ein an den Verpflichteten gekommenes Zehnt- ■ Gewicht legt, dafs jede tüchtige theologifche Leiftung
recht zurückführt, darin einen Unterfchied machte. Auch i fchon an fich ein Beweis für die Zufammengehörigkeit
bedarf es zur rechtlichen Begründung der Zehntbaupflicht von Glauben und Wiffen ift. Freilich ift das naturwiffen-
jener kanoniftifchen Fiction nicht nothwendig. Wer auf fchaftliche Studium der Theologen, das an fich gewifs
irgend eine Weife in den Befitz von ehemaligem Kirchen- fein Gutes hat, nicht fo werthvoll, als es der Verf. anzu-
gut gelangt ift, der hat damit auch die Latten und Ver- nehmen fcheint. — Möchten diefe wenigen, aber inter-