Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1886 Nr. 1

Spalte:

14-16

Autor/Hrsg.:

Gerhard, Joh.

Titel/Untertitel:

Loci Theologici 1886

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

13

Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 1.

14

lieh an, clafs Albert von Aachen aus dem breiten Strome
der Sage, befonders den phantafiereichen Kreuzfahrerliedern
vieles Unzuverläflige und Unbrauchbare gefchöpft
habe; dagegen ftellt er die Behauptung auf, dafs Albertus
in vielen Punkten auch einen durchaus glaubwürdigen
Berichterftatter, deffen Aufzeichnungen überall zu verfolgen
feien, vor fich gehabt habe. Diefes Werk, welches
Albert von Aachen oft wörtlich ausfehrieb, ftammte
nach vielen Anzeichen aus der Feder eines Lothringers,
welcher im Heere Gottfried's von Bouillon am Kreuzzuge
theilnahm und nach der Eroberung Jerufalems im heiligen
Lande blieb. Für manche Ereignifse hätten wir fomit den
Bericht eines Augenzeugen vor uns; derfelbe fchrieb
lebendig, nüchtern, fachlich; fein Urtheil fcheint dem
lothringifchen Standpunkt durchaus angemeffen; von den
Begebenheiten, bei welchen er nicht zugegen war, berichtet
er wenigftens nach guter Erkundigung. Er hat
allerdings nicht gerade ein feines Gefühl für Chronologie
gehabt; freilich löfen fich zahlreiche chronologifche Wider-
fprüche, welche man bei Albertus gefunden hat, aus dem j
Stil oder beffer aus einer eigenthümlichen Schablone j
des Lothringers, nach welcher eine Ereignifsreihe erft
vollftändig bis zu Ende geführt und dann erft eine andere
eine wenig fpäter endende Reihe begonnen wird; dies
klar erkannt zu haben, fcheint uns ein befonderes Ver-
dienft Kuglcr's. Den Bericht des lothringifchen Kreuzfahrers
hat nun alfo der Verfaffer der vorliegenden mühevollen
Arbeit herauszufchälen verfucht und nach abgerundeten
Ereignifsgruppen feine Glaubwürdigkeit erwiefen.
Namentlich auch in Bezug auf geographifche und topo- |
graphifche Plagen, die Marschrouten der Kreuzfahrerheere
durch Kleinafien, die Aufhellung derfelben vor
Antiochien und Jerufalem mufs der Lothringer als gute J
Quelle gelten; nicht weniger werden feine Berichte über
die politischen und kirchlichen Zuftände unter Gottfried
bis Balduin II. von Jerufalem von nun an ganz andere
Berückfichtigung verdienen, als ihnen bisher zu Theil geworden
ift. Dafs im Einzelnen noch manches fraglich
und dunkel bleibt, verfteht fich von felbft; den allgemeinen
Beweis jedoch, dafs eine folche fortlaufende Chronik bei
Albert von Aachen zu Grunde liegt, hat der Verfaffer
unferer Anfchauung nach entfehieden erbracht und damit
wohl der hiftorifchen Forfchung über jene intereffante
Periode einen fruchtbaren neuen Impuls gegeben.

Tübingen. A. Socin.

Mejer, Dr. Otto, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage.

3. Till. 2. Abth.: Ausgang der hannover'fchen und oberrheinischen
Verhandlung. 1822—1830. Freiburg i/Br.,
Mohr, 1885. (VIII u. S. 231—445. gr. 8.) M. 6. —

Der Verfaffer hat hiermit ein Werk vollendet, deffen
frühere Thcile 1871. 72. 74 publicirt find, und deffen Werth
anerkannt ift. Die Darfteilung in diefer zweiten Abtheilung
des dritten Bandes betrifft die Verhandlungen Hannovers
und der füddeutfehen Regierungen mit der Curie,
welche feit 1822 und 1824 einen neuen Anlauf genommen
haben. Nachdem Hannover vorher es auf ein Con-
cordat mit Rom abgefehen hatte, unterhandelte es nach
dem Vorbilde der preufsifchen Regierung feit 1822 eine
Circumfcriptionsbulle, und erreichte diefelbe: Impetisa
Romanorum Pontificum, 1824 ausgefertigt, durch einen
Schnellen Abfchlufs am Tage vor dem Tode Pius' VII.
am 19. Aug. 1823. Die füddeutfehen Regierungen hatten
zwar fchon im Auguft 1821 die Circumfcriptionsbulle für
die Oberrheinische Kirchenprovinz: Provida sollersque
erhalten; da fie jedoch bei deren Ausführung hauptfächlich
darauf bedacht waren, Bifchöfe zu bekommen, welche
die Competenz der Staatsgewalt in einer ihnen genehmen
Weife anerkennen würden, diefe Abficht aber in
Rom bekannt geworden war, fo war darüber 1823 offener
Streit entflanden. ErS 1824 kam dieUnterhandlung wieder

in Flufs. In deren Verlauf intereffiren befonders die
politifch bedingte Rivalität zwifchen den Regierungen
von Württemberg und von Baden, und der Umftand
dafs mit der Unterstützung des FürSten Metternich die
Intentionen der letztern zu einem Ziel führten, welches
durch die Supplementarbulle: Ad dominici gregis custo-
diam vom II. April 1827 bezeichnet ift. Der Verf. be-
fchliefst feine hauptfächlich aus hannover'fchen und badi-
fchen Minifterialacten gefchöpfte Darftellung durch die
Erzählung der Schritte, welche nach der Publication
beider Bullen die füddeutfehen Regierungen gethan habe n
um ihre Hoheitsrechte auf kirchlichem Gebiet zu wahre n

Göttingen. A. Ritfchl.

Gerhardi, Joa., Loci theologici, cum pro adstruenda veri-
tate tum pro destruenda quorumvis contradicentium
falsitate per theses nervöse, solide et copiose expli-
cati. Opus praeclarissimum novem tomis compre-
hensum, denuo juxta editionem prineipem accurate
typis expressum, adjectis notis ipsius Gerhardi post-
humis a ftlio collectis, editionibus ann. 1657 et 177^
collatis, paginis editionis Cottae in margine diligenter
notatis, indieibus generalibus post G. H. Mullerum
adauetis, addita denique vita Jo. Gerhardi. Indices
I. dictorum s. scripturae. II. dictionum hebraicarum.
III. dictionum graecarum. IV. nominum et rerum.
Leipzig, Hinrichs, 1885. (IV, 104S. Lex.-8.) M. 7. —;
cplt. M. 36. —

Die Buchhandlung von J. C. Hinrichs übernahm
unter anderem aus dem ehemals Schlawitz'fchen Verlage
in Berlin auch eine Neuausgabe der Loci Theologici des
Joh. Gerhard, die bis zum letzten Bande gediehen war.
Der letzte, neunte, Band wurde dann 1875 herausgegeben.
Doch fehlten noch immer die auf dem Titel verheifsenen
Indices. Die letzteren find nun 1885 ebenfalls noch
herausgegeben worden. Nachdem fich diefer Neudruck
des Gerhard'fchen Meifterwerkes auf diefe Weife über
mehr als 20 Jahre hingezogen (der erfte Band erfchien
1863), war es durchaus angezeigt, wenn die Hinrichs'fche
Buchhandlung das ganze Werk nun fchliefslich noch
einmal mit neuem Umfchlage und der einheitlichen Jahreszahl
1885 als editio altera des Neudrucks hat ausgehen
laffen. Nur fo kann die Aufmerkfamkeit des
theologifchen Publicums auf das ganze Unternehmen
noch einmal fo, wie es wünfehenswerth ift, hingelenkt
werden. Die Neuausgabe War urfprünglich von E. Preufs
veranftaltet. Vom fechften Bande ab war diefer nach
Amerika übergefiedelte Theolog nicht mehr im Stande,
an dem Werke mitzuarbeiten. Wir erfahren jetzt aus der
Vorrede zu den Indices, dafs D. Jul. Löbe (parochus Rase-
phasensis, von Anfang an bis zuletzt bei dem Neudrucke
des Werkes mitbetheiligt gewefen. Unzweifelhaft hat er
fpeciell den Druck der drei letzten Bände überwacht.
Die editio altera erfcheint unter den Aufpicien des Prof.
D. F. PTank zu Erlangen. Von diefem letzteren Theologen
ift nämlich jetzt eine Vorrede gefchrieben, die in
lebhafter Weife der Begeifterung für die dogmatifchen
Werke der Theologen des 17. Jahrhunderts, zumal dasjenige
J. Gerhards, Ausdruck giebt Die Vorrede ift wohl
nur als eine kurze Empfehlung des Studiums des Werkes
begehrt worden. Und fo mag von Seiten eines fo an-
gefehenen Mannes, wie Frank, deffen Gelehrfamkeit auf
diefem Gebiete für Niemanden in Frage fleht, ein folcher,
lateinifch zumal vortrefflich klingender Hymnus ja vollftändig
feinen Dienft thun. Wäre nicht Frank der Verfaffer
dieferpraefatio, fo möchte man wohl eine etwas eingehender
motivirte Empfehlung des Werkes oder lieber noch eine
folide hiftorifche Charakteriftik zur Einführung in das Ver-
ftändnifs desfelben lefen. Ich habe feiner Zeit, als der