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Ausgabe:

1886 Nr. 12

Spalte:

269-270

Autor/Hrsg.:

Baethgen, Friedrich

Titel/Untertitel:

Evangelien-Fragmente 1886

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Seite 1

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269

Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 12.

270

fich vermehren liefsen, hindern den Ref. nicht, die vorliegende
Schrift als den erfreulichen Anfang einer über-
fichtlichen Darftellung der .Gefchichte der Erziehung und
des Unterrichts bei den Ifraeliten' zu begrüfsen.

Leipzig. G. Baur.

Baethgen, Friedr., Evangelien-Fragmente. Der griechifche
Text des Cureton'fchen Syrers, wiederhergeftellt.
Leipzig, Hinrichs, 1886. (96 u. 92 S. gr. 8.J M. 10. —

Ref. mufs die Lefer diefer Zeitung und den Verf.
des hier anzuzeigenden Buchs um Entfchuldigung bitten,
dafs er ein für die neuteftamentliche Textkritik fo be-
deutfames Werk fo fpät zur Anzeige bringt und dies
ohne feinerfeits diejenigen Unterfuchungen vollftändig
geführt zu haben, welche zu einer allfeitigen und ab-
fchliefsenden Würdigung der hier verhandelten Fragen
nothwendig find. Nach einer Seite hin kann Ref. übrigens
, wenn es überhaupt nöthig wäre, getroft feine Stimme
abgeben, nach der fprachlichen nämlich, dafs jeder von
der hier gebotenen griechifchen Rücküberfetzung des
Cureton'fchen Syrers mit voller Sicherheit Gebrauch
machen kann. Das Buch zerfällt in 2 befonders pagi-
nirte, ziemlich gleich ftarke Hälften. Die 2. enthält eben
eine griechifche Rücküberfetung des genannten Textes,
die erfte eine Einleitung, in der nach kurzem Bericht über
die bisherige Verwerthung diefes Syrers — bei Crowfoot,
Tregelles, Tifchendorf, auch Weftcott-Hort — zuerft die
Methode des fyrifchen Ueberfetzers und die hieraus
fliefsenden Grundfätze der Reconftruction in äufserft um-
lichtiger Weife erörtert werden. Als Refultat ergiebt fich,
dafs bei all den Genannten, am meiften bei dem erften,
am wenigften bei den letzten, Varianten von Sc aufgeführt
werden, die in Wirklichkeit nicht exiftiren, andere fordern
Berichtigung, einige neue kommen hinzu, z. B. bei Tifchendorf
in Job. 1, V. 9 u. 15 ton ftatt !}*, 13 caf.ia.TOQ, 18 0
tov £/. tov v.oXnov. S. 32—35 kommt eine Lifte derjenigen
Lesarten, welche allein durch Sc bezeugt find, c. 250, die
Hälfte davon Verkürzungen, die bemerkenswertheiten im
Joh.-Ev. z. B. 5, 21. 28. ö, 46 (fehlt bei Ti. /rag« tu Otto).
Daran fchliefst fich ein 18 Seiten langes Verzeichnifs der
auch anderweitig bezeugten Abweichungen vom text. rec.
mit den nöthigen Belegen. Diefes Verzeichnifs bahnt
dem 2., wichtigften Theil der Unterfuchung über das
Alter und die Einreihung von Sc den Weg. Das Refultat
wird am Schlufs in folgende Sätze zufammengefafst:
Der erfte, der den Syrern das Evangelium in ihrer
Sprache brachte, war Tatian, welcher feine Harmonie
fyrifch niederfchrieb. Faft ein Jahrhundert lang war diefe
Harmonie das einzige Evangelium in der fyrifchen Kirche.
Um 250 entftand daneben die erfte Ueberfctzung der getrennten
Evangelien, unter Zugrundelegung eines griechifchen
Exemplars, aber foweit irgend thunlich in engltem
Anfchlufs an den Text des Diateffaron, von einem Unbekannten
, allem nach weltlich vom Euphrat. Fragmente
diefer Ueberfetzung = Sc. Um 340 in der Nähe von
Moful, wo fie neben dem Diateffaron gebraucht wurde,
die erften leiten Spuren einer Revifion; etwa 30 Jahre
fpäter in Edeffa, wieder neben dem Diateffaron, diejenige
Geftalt der Ew. nachweisbar, welche unferer heutigen
Fefchita äufserft nahe kommt, und welche auf Grund einer
tiefer eingreifenden Revifion aus Sc, genauer aus derjenigen
Geftalt des Sc erwachfen ift, welche dem Afraates vorlag.
Die Spuren Tatian's noch in diefer letzten Form der lyr.
Ew. nicht ganz verwifcht, in viel umfangreicherem Mafse
in Sc erhalten.

Man wird ohne Weiteres zugeben, dafs diefe Aufhellungen
noch ohne die Stütze, die fie durch die eingehenden
Detailunterfuchungen des Verf.'s bekommen
haben, fchon an und für fich die gröfste Wahrscheinlichkeit
haben, dafs fie fich insbefondere, wie auch der Verf.
hervorhebt, in den Rahmen der von Weftcott-Hort gezeichneten
textgefchichtlichen Ueberlieferung aufs treff-
lichfte einfügen. Andererfeits hebt der Verf. felbft hervor
, dafs neben den weit überwiegenden, für feine An-
fetzung ftimmenden Gründen (T, Sc, P) fich andere
finden, welche eine andere Auffaffung, insbef. die von
Zahn, wenigftens einigermafsen begreiflich erfcheinen
laffen. S. 72 zählt er 10 Stellen auf, in denen Sc gegenüber
von T (wie er uns jetzt vorliegt) einen älteren,
S. 778, wo T gegenüber von Sc einen volleren
Text aufweift. Aber diefe Gegeninftanzen können dem
erdrückenden Gewicht der anderen gegenüber nicht aufkommen
. Wie einfach erklären fich z. B. die vielen Aus-
laffungen in Sc durch Anfchlufs an die verkürzende
Harmonie Tatian's und Ref. nimmt feine eigene Bemerkung
in PRE.2X, 109, dafs man das Refultat der von
Rabbulas berichteten Revifion in Sc oder S zu fuchen
geneigt fein könne , ohne weiteres zurück; er hätte fie
fchon a. a. O. zurückhalten' follen. Auffallend ift ihm
übrigens immer noch das Zufammentreffen, dafs Rabbulas
I. eine Revifion des fyr. N. T. vornimmt; 2. anordnet,
dafs in jeder Kirche ein Ev. ,der Getrennten' [die Richtigkeit
diefer Ueberfetzung vorausgefetzt] fein folle, und
dafs 3. diefer Ausdruck ,der Getrennten' (von den Pfalmen
abgefehen) nur in dem einzigen Sc bis jetzt nachgewiefen
ift. Im übrigen fei auf das Buch felbft: verwiefen, und
nur der eine und andere Punkt noch hervorgehoben.
Die fchon bisher aufgefallene Verwandtfchaft von Sc. mit
D wird aufs fchlagendfte durch die Thatfache illuftrirt,
dafs in der Druckerei fchliefslich diefe Type ausging, fo
häufig kommt fie im Variantenverzeichnifs vor. S. 78
wird die häufige Berührung mit X hervorgehoben, namentlich
in Lc. u. Joh., ebenfo mit Origenes, von dem auch
die Reihenfolge der Ew. direct entlehnt zu fein fcheine.
So mit Berufung auf Credner, Gefchichte S. 393; eine
Berückfichtigung von Zahn, Forfchungen II, 273 wäre
hier erwünfcht gewefen. Ebenfo eine folche von Ciasca's
Abhandlung über den arabifchen Tatian bei Pitra 4, 464/87
(Möller, PRE.2 Art. Tatian nennt fälfchlich Abbe Martin
als Verf.; von diefem rührt nur die Anmerkung S. 483 ff.).
Im arabifchen Text flehen die S. 64 befprochenen Peri-
kopen Lc. 14, 12—14. 17, n—19, die Zahn nicht unter-
I bringen konnte, ebenfo die S. 92 behandelten Stellen
Mt. I, 21, Jo. 6, 70. 7, 51. —Lc. 24, 32 fetzt Baethgen
ßgaSeta, was auch S. 54 und fchon bei Weftcott-Hort fo
fteht. Wäre nicht D, It., sah. cop., fo würde man natürlich
in Tpi einfache, oft wiederkehrende Verwechslung
von i u. i für Tpi = vtaiofttn, annehmen; da aber D.
/.e-/.a?.uftutvri bietet und die genannten Verfionen jitßa-
grjfttvrj [ßtßugvfifitvrß oder fummfufunntf, fo nach W.-H.J
vorausfetzen, möchte ich ftatt ßguotut jedenfalls ßageia
fetzen; denn wenn auch Sc V. 25 ßgadttg tt /.aodia mit
demfelben Worte überfetzt, fo ift fraglich, ob Sc nicht
dort auch ßugtig r. •/. gelefen hat oder zu lefen glaubte,
in Aehnlichkeit mit dem atl. ßagt /.agöiot 1" 4, 3; vgl.
Act. 20, 9 wo einzig D u. Syr. ftatt i7cvio ßaOei dasfelbe
ßagtt lefen. Von Kleinigkeiten verbeffere 20,9 234 in 224.

Alles in allem wird man, falls nicht ganz neue Funde,
fei es auf griechifchem, fei es auf fyrifchem Boden gemacht
werden, über das von Baethgen gefundene Refultat
nicht hinauskommen.

Ulm a. D. E. Neitle.

Westcott, D. D., D. C. L., Brooke Foss, The Epistles of

St. John. The Greek text with notes and essays.
Second edition. Cambridge and London, Macmillan
and Co., 1886. (XIV, 378 p. gr. 8.)

Diefer vorzügliche Commentar erfchien in erfter Auflage
i. J. 1883. Es bedarf daher nur einer kurzen Orien-
tirung über die neue Auflage. Die Stärke des Buches
liegt in der Textkritik, die mit bekannter Meifterfchaft
| und Sorgfalt gehandhabt ift, fodann in einer grofsen Reihe