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Ausgabe:

1886 Nr. 9

Spalte:

202-204

Autor/Hrsg.:

Grousset, René

Titel/Untertitel:

Étude sur l‘histoire des sarcophages chrétiens 1886

Rezensent:

Pohl, Otto

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 9.

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welcher bei den Chiiften das Princip ihres ganzen neuen
Lebens wird, "bezeichnet.

In der Methode und in den Refultaten ift diefe Arbeit
an die frühere Unterfuchung des Ref. über dasfelbe
Thema eng angefchloffen. Der einzige Punkt wefent-
licher Abweichung liegt bei der Frage, ob auch Paulus
im natürlichen Menfchen ein nveviia anerkenne. Der
Verf. verneint diefe Frage, indem er mit A. Sabatier
urtheilt, dafs nach paulinifcher Anfchauung der natürliche
Menfch nur die xf.ivyJi habe, dafs er nicht nur kein
71VEV11U als höheres Vermögen neben der xpvyjt befitze,
fondern dafs auch diefe letztere felbft von Paulus nicht
unter die Kategorie des ttvevfia gebracht werde. Diefe
durch den Wortlaut von 1 Cor. 2, 14 f. und 15, 44—49
allerdings fehr nahegelegte Vorftellung, dafs Paulus den
Ausdruck nvsvfia ganz für den wiedergeborenen Menfchen
refervire, wäre ja wohl plaufibel, wenn fie fich nur
vollftändig durchführen liefse. Allein auch unfer Verf.
kann das Zugeftändnifs nicht umgehen, dafs Paulus
denn doch an der Stelle 1 Cor. 2, II in Widerfpruch
zu feiner eigentlichen Anfchauungs- und Sprachweife und
im Anfchlul'fe an einen landläufigen Sprachgebrauch fich
den Ausdruck nvsvfia zur Bezeichnung des Geiftesver-
mögens des natürlichen Menfchen habe entfehlüpfen
laffen. Auch in den Stellen 1 Cor. 5, 3 und Col. 2, 5
erkennt er diefen populären Sprachgebrauch wieder. Ref.
meint, dafs fchon die eine Stelle 1 Cor. 2, II, wo Paulus
unter dem jcvevita tov ävitqionov unzweifelhaft das
natürliche Geiftesvermögen des Menfchen verficht, und
zwar in einem Zufammenhange, wo die Wahl diefes Ausdruckes
flatt rpvxi'i nicht gleichgültig ift, fondern wo von
diefem Ausdrucke der Sinn der ganzen Argumentation
abhängt, und trotzdem gleich hinterher der Gegenfatz
des avd-Qiortog; lfrv%ix.6g und jivevuariv.og eintritt, —■ dafs
fchon diefe eine Stelle völlig ausreicht, um zu beweifen,
die Verwendung des Ausdruckes nvsvfia zur Bezeichnung
des natürlichen Geiftesvermögens, der iftvxy, könne dem
Paulus nicht eigentlich fremd und anftöfsig gevvefen fein
und könne für fein Bewufstfein nicht in Widerfpruch dazu
geftanden haben, dafs in befonderem Sinne der chrift-
liche Menfch das nvsvfia hat und7tvev fiariy.6gv. Und wenn
man nun berückfichtigt, dafs für Paulus neben dem göttlichen
Geilte auch ein nvsvfia öovleiag (Rom. 8, 15), ein
7ir. i'reoov (2 Cor. II, 4), ein 7tv. tov y.oaitov (1 Cor. 2,
12) wenigltens begriffliche Gültigkeit haben, und dafs ande-
rerfeits die Bezeichnung des natürlichen Geiftesvermögens
des Menfchen wie als ipvxi] fo auch als 7cveiua durch
den alttcltamentlichen Sprachgebrauch begründet ift, fo
kann man fich dem Urtheile nicht entziehen, der Ausdruck
7ivtvf.ia fei für Paulus zunächft ein Allgemeinbegriff
, welcher verfchiedene Arten von Geilt umfaffe
und fo je nach der ausdrücklichen Näherbeltimmung oder
nach dem Zufammenhange bald fpeciell den göttlichen
Geilt bezeichne, der den Chrilten als höhere Kraft verliehen
wird, bald das natürliche Geiftesvermögen des
Menfchen, welches auch den Chrilten bei ihrem Empfangen
der höheren göttlichen Geifteskraft nicht verloren
geht, fondern nur aufhört, für fie die mafsgebende Kraft
zum Erkennen Gottes und des göttlichen Heiles und
zum Erfüllen des göttlichen Willens zu fein. Dann er-
giebt fich ein einfaches Verftändnifs der Stellen Rom.
1, 9; 8, 10 und 16; I Cor. 5, 3 und 5; 7, 34; 2 Cor- 7,
1; Col. 2, 5, welche alle zur Beltätigung diefes pauh-
nifchen Sprachgebrauches dienen.

Heidelberg. H. Wendt.

Grousset, Rene, £tude sur l'histoire des sarcophages chre-
tiens. — Catalogue des sarcophages chretiens de Rome
qui ne se trouvent point au musee du Latran. Paris,
Thorin, 1885. — Bibliotheque des Ecoles frangaises
d'Athenes et de Rome, fascic. XLII. (1 iopp. 8.) Fr. 4.—

Der erfite Theil der vorliegenden Arbeit, welcher der
Gefchichte der chriftlichen Sarkophage gewidmet ift, ift
der räumlich kleinere, S. 1— 40; der im Titel angegebene
Katalog füllt den übrigen Raum des Buches, S. 41 —108.

Es ift erfreulich, confitatiren zu dürfen, dafs die in
der klaffifchen Archäologie in grofsem Umfange und mit
grofsem Erfolge betriebene Katalogifirung der Denkmäler
auch allmählich auf chriftlich - archäologifchem Gebiete
vorwärts fchreitet. Wer da weifs, welche Schwierigkeit
dem Studium in der Verfolgung und Ueberficht des in
grofsen und kleineren Sammlungen, in privaten Anlagen
und auf offenen Plätzen zerfitreuten reichlichen Materials
der altchriftlichen Denkmälerkunde entgegentritt, der wird
jeden Verfuch der Aufzeichnung und Zufammenfaffung
nach diefer Seite hin willkommen heifsen. Die reichhal-
tigfte Publication chriftlicher Sarkophage enthält bis heut
Garucci's ,Storia dcllarte cristiana1 (Prato 1873 ff), vol. V,
tav. CCXCV—CCCCIV. Sie ift aber noch bei weitem
nicht vollftändig; z. B. führt fie aus der Arles'fchen Sammlung
nur 48 Nummern auf, während Le Blant in feiner
,Etude sur les sarcophages chretiens antiques de la ville
d''Arles' (Paris 1878) deren fchon 79 verzeichnet. Aehn-
lich verhält es fich mit den römifchen altchriftlichen
Sarkophagdenkmälern. Ein mafsgebender Katalog der
grofsen Lateranifchen Collection ift noch zu erwarten.
Eine Aufzeichnung der altchriftlichen Bildwerke des Museo
Kircheriano, des in diefer Beziehung bedeutendfiten nach
dem Lateranifchen, hat Victor Schultze in feinen ,Archäo-
logifchen Studien über altchriftliche Monumente' (Wien
1880), S. 256—284, gegeben. Aufserhalb diefer beiden
Sammlungen aber ift noch eine Menge altchriftlicher
Sculpturwerke über ganz Rom verftreut, in den Katakomben
draufsen vor den Thoren, wie im Innern der
Stadt. In den Villen findet m an fie nicht feiten als Garten-
fchmuck, an Gebäuden als Ornamente, als Brunnenwannen
auf den Höfen, ja fogar als Treppenfätze in
geringen Häufern.

Diefes fo zerftreute Material zufammenzutragen, hat
fich der Verf. in feiner Arbeit vorgefetzt. In 195 Nummern
führt er feinen Katalog auf, der fich auf mehr als 50 verfchiedene
Plätze vertheilt. Gewifs eine ftattliche Anzahl!
Indefs ftöfst man fchon bei oberflächlicher Durchficht auf
bedeutende Lücken, die um fo auffallender fich bemerklich
machen, weil in bereits vorhandenen Aufführungen
das Material vollftändiger gegeben ift. So fehlen z. B. die
Stücke des Kircher'fchen Mufeums, die V. Schultze in
feinem Katalog unter Nr. 8, 10, II, 12, 14, 22 aufführt,
ebenfo die von de Roffi in St. Callifto erwähnten {Roma
sott. I, tav. XXX u. XXXI) ganz. Diefer Mangel ift ein
Beweis, dafs der Verf. nicht mit der billig zu fordernden
Einficht in die einfehlägige Literatur an feine Arbeit
gegangen ift. Unvollftändig find aufserdem noch viele
hierher gehörende Katakomben-Monumente benutzt worden
, wie die von St. Sebaftiano u. a. m. Sorgfältig kann
man darum diefe Katalogifirung nicht nennen. Dem gegenüber
tritt der Wunfeh nach einer Aufzeichnung aller
altchriftlichen Sculpturwerke Roms nur um fo lebhafter
hervor, und eine Anregung dazu giebt in gewiffer Beziehung
die Arbeit des Verf.'s. Es mufs aber überhaupt
nach unferer Meinung eine Publication aller chriftlich-
antiken Sarkophage Italiens, wie folche Le Blant für
Frankreich gegenwärtig unternimmt, eines der gröfseren
Ziele der chriftlichen Archäologie fein.

Die Flintheilung der Bildwerke in Cyklen nach dem
Inhalt, wie fie jetzt allgemein üblich ift, und wie fie der
Verf. ebenfalls in feinem Katalog durchgeführt hat, wird
fich auch dazu empfehlen. Die Verfchiedenheit der Exe-

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