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Ausgabe:

1886 Nr. 8

Spalte:

185-186

Autor/Hrsg.:

Kögel, Rudolf

Titel/Untertitel:

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch. 7. Jahrg. 1886 1886

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 8.

186

fittliche Abftumpfung des Wahrheitsfinnes (gegen Joh.
T9i 37) todtgefchlagen werden können.

Was aber die Forderung der Befeitigung der
akademifchen Lehrfreiheit anbetrifft, fo ift es wohl
vn der Zeit, die trefflichen Worte v. Hofmann's denen
in's Gedächtnifs zu rufen, bei welchen fein Name

fucht geifselt in treffender Weife, wenn auch felbft nicht
unberührt von dem modernen Geift, den fie bekämpft,
Marie Krummacher in dem Artikel: ,Die Flattergeifter'l
Eine bewegliche und erbauliche Sprache führt eine Skizze
von Wilh. Baur: ,Die Elemente des jugendlichen Lebens
', die von der Schönheit, der Tugend, der Freundin
hohen Ehren fleht. ,Der Kirche als Leib Chrfffl fchaft *nd derj?reode der Tuffend in wtmtr W^ofm
foll fie (sc. die Theologie) dienen, aber der Kirche als dung unter vielfaltiger Einflechtung gefchichthcher Zuge
■oweiltaer Erfcheinuim dient fie nicht: fie dient Chrifto redet.

mTS^Ki^m^^SÜ Kirche hat fie zu leiten, , Die hiftorifchen Artikel führen in fehr verfch.cdene
und fie ift Chrifto Rechcnfchaft fchuldig, wie fie geleitet ! Zeiten der■ Kirchengefchichte. Ein Lichtbild aus der alten
hat Eine Theologie welche einem Kirchenregiment Kirche fuhrt ü. Funcke vor in der mit etwas breiten

Hat. ttine 1 n< 'iag«e. .rSt**r,_i_u :i----"U-u— Strichen, aber mit vieler Liebe gezeichneten Geftalt des

Chryfoftomus, ,des Prieffers nach dem Herzen Jefu Chrifti'.
In die reformatorifchen Bewegungen Italiens mit ihren
Erhebungen, wie mit ihren Schmerzen und fieglofen
Kämpfen verfetzt das Lebensbild der Vittoria Colonna,
der edlen Dichterin Italiens, der Freundin Michelangelo's,

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unterthänig wäre in ihrer Thätigkeit, würde ihren hohen
Beruf, Chrifto zu dienen, verkaufen und den Beruf menfeh-
licher Knechtfchaft dafür einkaufen' (Encykl. S. 22). Der
Verf. mag fich davon überzeugt halten, dafs das Gefühl
mit der theologifchen Arbeit zum Dienft der evange
lifchen Kirche verpflichtet zu fein, auch in folchen aka

, ... , .t., , ,1 !• '_n j:_ _ 1 -Li •_ /—-----u.

demifchen Theologen lebendig ift, die nicht im Gerüche ; das L. Witte mit frifchen Farben entwirft unter Mitthei
der Kirchlichkeit 'flehen, dafs fie aus diefem Gefühl die | lung verfchiedener Gedichte der hochbegabten Sängerin

Impulfe zur Bekämpfung der empirifchen Kirchlichkeit
empfangen und den frohen Muth fchöpfen, die Schmach
Chrifti zu tragen, die ihnen deswegen von den Grofsen
in Ifrael und ihren Maffenverfammlungen aufgelegt wird,
dafs fie eben um diefer Verpflichtung willen von einer
den Beruf der Theologie illuforifch machenden Verwandlung
der fittlichen Gebundenheit an die ccclesia pro-
prir dicta in eine rechtliche Gebundenheit an die em-
pirifc he Kirche, über deren Beobachtung ein „Kirchenregiment
'', zumal ein folches, wie es heute angeftrebt
wird, nämlich ein Parteiproduct des kirchlichen Parlamentarismus
, zu entfeheiden hätte, nichts wiffen wollen.

Giefsen. J. Gottfchick.

Neue Christoterpe. (1886.) Ein Jahrbuch, herausgegeben
von Rud. Kögel, Wilh. Baur und Emil Frommel
unter Mitwirkung von Nie. Fries, Emil und Max
Frommel u. A. Bremen, Müller, 1886. (V, 387 S. 8.)

M. 4. —LT;

,Mancherlei Gaben, aber Ein Geift' kann man auch
von diefem, dem bereits 7. Jahrgang des rafch in weiten
Kreifen beliebt gewordenen Jahrbuches fagen, das belehrenden
und unterhaltenden Stoff, Profa und Poefie in | Bild entwirft. Unter der reichen Anzahl von Gedichten

deren Ueberfetzung freilich bei aller Gewandtheit und
Sorgfalt von dem Original nur einen abgefchwächten Eindruck
giebt. An eine andere, tiefer gehende reformato-
rifche Bewegung aus fpäterer Zeit, die Rom ebenfo zu
unterdrücken verfkanden hat, als jene in Italien, erinnert
die fehr eingehende, bewegliche Schilderung, welche
M. Reichard von der Perfönlichkeit, den Anfchauungen
und Schriften, wie dem tieftragifchen Lebensgang des
Blaife Pascal, des edlen Chriften, des genialen Theologen
und grofsen Mathematikers entwirft. Ein in diefer Zeit ver-
fchärfter confeffioneller Gegenfätze doppelt wohlthuendes
Bild edler WeitherzigkcitundzarterSinnigkeit, dieallerdings
nicht frei ift von einer gewiffen myftifchen Verfchwommen-
heit, bieten Auszüge aus Briefen Sailer's an die Gräfin
Aug. Eleon. zu Stolberg-Wernigerode aus der Zeit von
1800 bis 1831, für welche fie auch fehr bezeichnend find.

Eine pfychologifch fehr intereffante Erzählung, die
auch mit Glück humoriftifche Züge einflicht, liefert
W. Steinhaufen unter dem Titel: ,Magifter Cöleftin'.
In heiterfter Laune, hinter der (ich doch auch tiefer Ernft
birgt, erzählt Emil Frommel allerlei Erinnerungen an
Bad Gaftein, während fein Bruder eine Hochzeitstifchrede
zum Beften giebt, Kögel aber von einem ,Künftlerabend
in Dresden' ein fehr anziehendes und charakteriftifches

erfreulicher, angemeffener Mifchung bietet. Unter den
belehrenden Artikeln nimmt nicht blofs der Reihenfolge,
fondern auch feiner Bedeutung nach die erfte Stelle die
werthvolle Abhandlung von P. Kleinert ein über ,Das
Buch Hiob im Lichte des neuen Teftamentes'. Indem
der Verf. in grofsen Zügen den Gang der wunderbaren
Dichtung mit ihren Höhen und Tiefen verfolgt, zeigt er

in lichtvoller Darftellung, wie nahe es mit feiner den I Ernst. Gen . 8,,nM

Durchfchnittsftandpunkt des Alten Teftamentes bedeutfam cJLm ' r ,l Karl' Der Heilsrat Gottes

c *W TPfcmPni heran- -cnr'Rgemafse Betrachtungen nach der Ordnung der

find befonders hervorzuheben die mächtig ergreifenden
Gedichte: ,Sancta Maura'(Märtyrerin) von Ch.Kingsley,
übertragen von Th. Kübler, und ,Der Tod des Colum-
bus' von K. Gerok.

Dresden. Meiar.

uberragenden Anfchauung an das Neue Teftament heran
kommt, ohne jedoch feine Höhe zu erreichen da über
die Räthfel des Lebens, über das Dunkel des Leids der
verklärende Glanz der Verformung noch nicht aufgegangen
ift. Mit diefer Abhandlung berührt fich nahe ein Artikel
von L. Wiefe mit der Ueberfchrift: ,Leidige Tröfter,
in welchem an der antiken Philofophie und ihren Irolt-

Chriftlichen Heilslehre in Worten der heiligen Schrift'.
2. Aufl. Wiesbaden, Niedner, 1886. (91 S. 8.) M. 1. 20.

Wer dies Büchlein, das zuerft 1872 erfchienen, kennt,
wird gewifs die neue Bearbeitung diefes fafslich und
populär gehaltenen Uebcrblicks über den Heilsrat
Gottes freudig begrüfsen. Ob auch auf den erften Blick

büchern bis auf Boethius, ,den letzten Römer', und an diefe neue Auflage wenig geändert erfcheint (da der
den auf dem antiken Standpunkt flehenden Vertretern Umfang nun um wenige Seiten gewachfen), fo zeigt

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der modernen philofophifchen und äflhetifchen Bildung,
u. A. in fehr fignificanter Weife an Wilh. v. Humboldt
gezeigt wird, wie wenig wahrer Trofl im Leiden aut

folche

doch eine eingehendere Betrachtung^ dafs das 'Werkchen
in diefer neuen Geftalt viel gewonnen hat. Die wohlgelungene
Anlage des Ganzen durfte freilich keine Aen-
..Gn Standpunkt zu finden ift, dem gegenüber der j derung erfahren. Dies war fchon durch den nächften
chriftlichc, Allen, auch dem Geringften, zugängliche, nicht , Zweck des Buches geboten : als Commentar der
auf philofophifchen Argumenten und Reflexionen, fondern j .Chnfthchen Heilslehre', des von demfelben Verfaffer
auf perfönlicher Lebenserfahrung in der Gemeinfchaft mit j herausgegebenen Bibelkatechismus, zu dienen. Aber
Chriftus beruhende chriftliche Troft hell aufleuchtet. Ver- | eben diefer Zweck fchlofs freilich auch wieder, da die
fehiedene moderne Verkehrtheiten, das übertriebene Corre- .chriftliche Heilslehre' mittlerweile in dritter (fehr ver-
fpondiren, die unruhige Vereinstreiberei und die Reife- befferter) Auflage (die 4. Auflage wird bald nöthig fein)