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Ausgabe:

1885 Nr. 7

Spalte:

159-161

Autor/Hrsg.:

Usener, Hermann (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Jacob Bernays Gesammelte Abhandlungen. 2. Bde 1885

Rezensent:

Harnack, Adolf

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159 Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 7. 160

innerhalb des Rahmens des Homoufios fruchtbar 1 gröfstentheils ftreng philologifche Fragen erörtern, ift

gemacht? Nun hatten fie es: nun kam ,ein Dogma ohne
Leben', wie der Verf. das Dogma des 5. Jahrhunderts fich zu
betiteln erlaubt: ,Die dogmatifchen Refultate von Ephefus
undChalcedon find fo dürftig als möglich.'Was werden die
Väter antworten? Ich denke, fie werden dem Verf. fagen,

Manches enthalten, was für uns Theologen werthvoll
ift, und deshalb möchte Ref. nicht unterlaffen, auf fie
aufmerkfam zu machen. Abgefehen von den ,Heraclitea,
die auch für die chriftliche Dogmengefchichte von Werth
find, fei auf den Neudruck der Abhandlung über das

dafs zu ihrer Zeit leider das hölzerne Eifen noch nicht Phokylid ei fche Gedicht (Bd. I) mit handfchriftlichen
erfunden war, von dem einige Gelehrte unferer Tage ; Zufätzen des Verf.'s hingewiefen. Es ift dem Herausbehaupten
, dafs fie es befitzen. Sie verfügten noch nicht I geber, dem trefflichen Kenner der altchriftlichen Literatur,
über die Kunft, eine Dogmatik aus allen möglichen nicht entgangen (f. Vorwort p. 5 f.), dafs diefes Gedicht
Lappen zufammenzuflicken und das Homoufios zum ; durch die neuentdeckte Aiöayfj rutv dnnaxöXiov ein erRahmen
für das gefchichtliche Leben Jefu zu machen.
Die Sache ift für die Beurtheilung des wiffenfehaftlichen
Standpunktes des Verf.'s eine fehr ernfte: wer vor der
Logoslehre und dem, was mit ihr zufammenhängt, flehen

höhtes Intereffe gewonnen hat. Die Streitfrage, ob es
jüdifchen oder chriftlichen Urfprungs fei, wird allerdings
durch die Verwandtfchaft mit der Jidayi) nicht ge-
fchlichtet; denn diefe berührt fich in den erften Capiteln

bleibt und in der dogmengefchichtlichen Entwicklung , überhaupt mit der jüdifch-helleniftifchen Literatur. Aber
bis 381 lediglich die reine Explication des Evangeliums | die von Ber n ays fo eifrig vertheidigte jüdifche Herkunft
erkennt, der mag in noch fo grofsen Worten von der fcheint mir aus inneren Gründen nicht wahrfcheinlich.

Aufgabe reden, ,den Katholicismus als die Diagonale in
dem Parallelogramm der antiken und chriftlichen geiftigen
Kräfte zu verftehen', der mag über taufend Einzelheiten
liberale' Urtheile fällen und immer wieder von Plutarch
und Epictet, von Kaiferreich und Kirche reden — es
bleibt doch im Grunde Alles auf dem alten Fleck, und
die beforgten Hüter der Tradition haben von den fchein-
bar kühnen Eingriffen in ihre Schätze fchlechterdings
nichts zu fürchten. Es bleibt Alles auf dem alten Fleck;

Ein Hauptargument gegen diefelbe hat Bcrnays befeitigt,
aber — durch eine zwar elegante, aber nicht überzeugende
Conjectur. V. 103 f. heifst es:

xal xd/a d' ix yaltjg iXnltyrfte» ig ipdog ik&ttv
kelxpav dnoiyo/iivwv urcloto de Otol xtXe'Oovxeu.
pvyal yup (liiivovatv ux/jptot iv ipdißivoioiv.
nvtvpta ydo toxi iteov /pf/otg •tvrjiolai xal tlxiov.
owßa ydp ix yahjg i/ofitv xdnetxa npdg av yf/t>
Xvöjufvoi xdvig ia/tiv ddp <£ avd TCttifta didexxai.
Bernays hat nun Anftofs an dem AioL Z. 104 geeben
darum wird aber auch der Lefer, dem es um reine 1 nommen. Er fagt: ,Wir ftofsen hier auf eine umfaffende
Erkenntnifs der Gefchichte zu thun ift, den Eindruck von | Apotheofe aller geftorbenen Menfchen, auf eine bis in's
einem tönenden Erz und einer klingenden Schelle nicht > Ungeheure vermehrte Göttermenge, die nicht blofs in
unterdrücken können. Der alte Text mit moderner Inftru- den fchneidendften Widerfpruch tritt zu der monothe-
mentalbegleitung, vorgetragen von einem Virtuofen: ' iftifchen Strenge des fo nahe folgenden Verfes 106,
diefes Erinnerungsbild bleibt hier nach, wenn man das ! fondern die auch innerhalb des götterreichften Polytheis-
Buch zu den übrigen geftellt hat. Ein Satz wie diefer ! mus nie ift erhört worden. Wohl wurden zur Zeit des
(S. 613): ,Seit dem Ende des 4. Jahrhunderts fing i verfallenden Römerthums die verftorbenen Kaifer im
das Dogma an eine unhiftorifche Richtung zu Staatskalender mit dem Titel .Götter' angeführt; aber
bekommen', zeigt, dafs hier kein Hiftoriker zu uns 1 diefe Blasphemie ift doch immer ein unantaftbares Regale
redet, fondern ein Advocat der Tradition, der in Kleinig- ! der wenigen Monarchen geblieben u. f. w.'. Bernays hat
keiten Conceffionen zu machen verfteht, um unter der daher vorgefchlagen, ,67x1010 te veoi Teli&ovrai' zu lefen.
Hand den Procefs zu gewinnen. In vertraulichen Rede- Ich geftehe, dafs mich diefe Ausführung befremdet

Wendungen: ,1m Grunde giebt es doch' — ,Aus alledem ; hat. Dafs die Menfchen, fofern fie Gott gehorchen und
geht doch hervor' — ,Das Grofse hier ift doch' u. f. w., 1 dem Sterblichen entfagen, nach dem Tode &eoi werden,
die jedesmal den Beweis erfetzen und fich unzählige Male ' ift feit Theophilus [ad Auto/, ff, 27) von den chriftlichen
in dem Buche finden, hat fich der Verf. des Sieges zu Schriftftellern unzählige Male gefagt worden (fo befonders
verfichern gefucht. —Jch habe oben bemerkt, dafs diefer ! deutlich z. B. von Hippolyt, Pliilos. fin.). Es ift übrigens
zweite Band beffer fei als der erfte. Es erübrigt, diefes j auch eine antik-philofophifche Anfchauung: der menfeh-
Urtheil dahin zu ergänzen, dafs auch auf Grund diefer 1 liehe vovg ift ein &i6g. Diefe Anfchauung ift gerade
Leiftung der Verf. noch zu denen zu rechnen ift, die An- '• Bernays fehr wohl bekannt gewefen. Den Monotheismus
fprüche auf Geift machen, während ihnen der Buchftabe ftört fie nicht; denn nur fofern der Menfch die Unfterb-
weder deutlich noch geläufig ift. ' lichkeit gewonnen hat oder befitzt, ift er ein Gott, aber

Giefsen. Adolf Harnack. > nicht ein ungefchaffener, fondern ein gefchaffener, refp.

aus der einen, göttlichen Subftanz hervorgegangener.

Bernays, Jac, Gesammelte Abhandlungen. Hrsg von H. Alfo ift &eoi nicht zu corrigiren. Da aber das Gedicht
Ufener. 2 Bde. Berlin, Hertz, 1885. ^XXVI 356 u ' unzweifelhaft auf biblifcher Grundlage ruht, da alfo nur
IV, 396 S. gr. 8.) M. 18. - : Sefraf " kann> °b es jüdifch oder ehnftheh ift, fo

' Jy s ' ift auf chriftlichen Urfprung zu cntfcheiden; denn, fovici

Der Gelehrte, deffen Abhandlungen hier von Freun- mir bekannt, ift die jüdifche Philofophie nie fo fehr auf
deshand gefammelt vorgelegt find, gehörte zu der kleinen die Antike eingegangen, dafs fie die Menfchen, welche
Zahl von Philologen der Gegenwart, welche nach dem i die Unfterblichkeit erlangt haben, als It-eol bezeichnet hat.
Vorbilde grofser Meifter das Studium der Kirchenväter ! Aus dem zweiten Bande fei der Neudruck der Abhand

mit dem der Claffiker verbunden haben. Wie fruchtbar
diefe Verbindung gewefen, wie fie vor allem den Horizont
des Gelehrten erweitert und ihn felbft zu einem der

lung über die Chronik des Sulpicius Severus, vor
allem aber die bisher nicht gedruckten Materialien und
Gedanken zu Edward Gibbon's Gefchichtswerk

weitblickendften Philologen in unferer Zeit gemacht hat, (S. 206—254) hervorgehoben. Das, was hier aus den
davon haben die Arbeiten Jacob Bernays' ein glänzendes j Papieren Bernays' von Ufener mitgetheilt ift, erweckt das
Zeugnifs abgelegt. Dankbar haben die Theologen, denen ■ lebhaftefte Verlangen, mehr aus diefen Papieren kennen
die reine Erkenntnifs des chriftlichen Alterthums am j zu lernen und zugleich das tieffte Bedauern, dafs es B.
Herzen liegt, die Gaben des Verfaffers, goldene Aepfel ! nicht vergönnt gewefen ift, diefe Abhandlung über Gibbon
in filbernen Schalen, entgegen genommen; fie werden zum Abfchlufs zu bringen. Sie war umfaffend angelegt
immer wieder an diefen Gaben fich erfreuen und haben 1 und follte das grofse Gefchichtswerk nach allen Sei-
noch viel zu thun, um fie vollkommen anzueignen und ' ten beleuchten. Aber fchon die EYagmente (Gibnutzbar
zu machen. ! bon's Leben bis 1776, Chronologie des Werks, G. als
Auch in diefen gefammelten Abhandlungen, welche i Kirchenhiftoriker, als politifcher Hiftoriker, als' Cultur-